Merken

Lehrer sollen Beamte werden

Sachsen will Lehrern künftig den Beamtenstatus anbieten. Das schlägt der neue Kultusminister vor. Im SZ-Interview erklärt Frank Haubitz, wie er noch gegen den Lehrermangel vorgehen will.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Drei Wochen hat sich der neue Kultusminister Frank Haubitz Zeit genommen. Jetzt hat er einen „Plan E“ – E wie Erfolg.

Herr Minister, haben Sie sich mittlerweile an den Anzug gewöhnt?

Ja, habe ich. Die ersten zwei Tage war es schwierig, aber jetzt gehört es dazu. Meine Turnschuhe kann ich nur noch am Wochenende anziehen. Die Arbeitsumstellung war schon gravierend. Ich bin in der Verwaltung angekommen, das ist etwas anderes, als eine Schule zu leiten. Ich musste feststellen, dass die Verwaltung etwas langsamer arbeitet. Plötzlich gibt es rechtliche Rahmenbedingungen zu bedenken, über die ich mir als Schulleiter keine Gedanken machen musste.

Sie hatten sich 21 Tage Zeit genommen, Gespräche zu führen. Mit wem haben Sie gesprochen?

Ich war im Haus unterwegs, um jeden Mitarbeiter kennenzulernen. Ich habe sehr gute Leute vorgefunden, die bereit sind mitzuarbeiten. Ich habe in der CDU-Fraktion über meine Ideen gesprochen und versucht, alle von dem zu überzeugen, was ich mit den Kollegen erarbeitet habe. Das ist mir noch nicht ganz gelungen. Aber ich glaube, dass ich die meisten in den nächsten drei, vier Monaten überzeugen kann, wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe. Denn die drei Wochen waren sportlich. Aber jetzt kann ich meinen ,Plan E‘ präsentieren.

Was ist dieser „Plan E“?

Das E steht für Erfolg. Er besteht aus zwei Phasen. In der ersten Phase geht es um kurzfristige Maßnahmen. Ich habe im Februar einen Einstellungskorridor, den ich in keiner Weise absichern kann. Zum neuen Schuljahr kommen noch mehr Einstellungen dazu, die ich höchstwahrscheinlich auch nicht ausschöpfen kann. Also muss ich überlegen, wie ich das Arbeitspotenzial, das schon da ist, anhebe. Im System habe ich etwa 2 300 volle Stellen, die mir fehlen, weil Kollegen Teilzeit arbeiten. Mir geht es darum, schnellstmöglich Motivationselemente zu schaffen. Das Zauberwort heißt: kleines Ruderboot.

Was meinen Sie damit?

Ich meine eigenverantwortliche Schule. Die Schulen können bis Januar einen Antrag auf Budgetierung stellen. Die Schulleiter bekommen eine Stundenanzahl als Budget für den Grundbereich, die Anrechnungen für Personen und Schule und für einen 50-prozentigen Ergänzungsbereich. Der Schulleiter kann dann mit seinen Lehrern Gespräche führen, um das Budget so gut wie möglich auszureizen. Der ein oder andere lässt sich bestimmt motivieren, zwei, drei oder auch vier Stunden mehr zu machen. Die Mehrarbeit wird natürlich bezahlt. Das hat folgenden Charme: Gelingt es dem Schulleiter nicht, alle Stunden auszuschöpfen, bekommt er die übrigen ausbezahlt. So kann der Schulleiter mit Externen Honorarverträge abschließen.

Wofür zum Beispiel?

Etwa für den Schwimmunterricht in der Grundschule, der von Lehrern begleitet wird. Bei drei Klassen sind das sechs Stunden, in denen sie für den Unterricht fehlen. Warum kann der Schulleiter das nicht aus dem Honorartopf bezahlen und vielleicht Eltern fragen, ob sie das übernehmen? Oder für die Bibliothek oder die IT? Warum müssen Informatiklehrer – von denen wir nun wahrlich wenige haben – auch die Technik warten? Durch das Budget wird der Schulleiter flexibler. Er hat die Möglichkeit zu reagieren. Dann geht es auch den Lehrern gut. Wenn meine Lehrer zufrieden sind, sind die Schüler zufrieden und die Eltern auch.

Viele Lehrer sind aber nicht zufrieden. Sie wünschen sich vor allem Arbeitsentlastung.

Das ist richtig. Ich werde viele bürokratische Missstände an den Schulen abschaffen, um die Lehrer zu entlasten. Es gibt etwa Einrichtungen, die darauf pochen, dass die Vorbereitungswoche eine Woche ist. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass auch drei Tage reichen. Jeder Schulleiter sollte überlegen, ob die Anzahl der Konferenzen oder Dienstberatungen nicht reduziert werden kann. Den Anwesenheitsdienst in den Ferien werde ich definitiv abschaffen. Auch die schriftliche Einschätzung bei der Bildungsempfehlung wird wegfallen. Bei dem jetzigen Übergang mit freier Wahl hat das keinen Sinn mehr. Am Gymnasium werden wir die Zweitkorrektur weitgehend ins Haus holen. Das wurde auch gefordert.

Wie wollen Sie mehr Lehrer für Sachsen gewinnen?

In Phase zwei steht die Verbeamtung im Raum. Es gibt kein anderes Modell, um bundesweit wettbewerbsfähig im Kampf um Neueinstellungen zu sein. Alle Flächenbundesländer haben die Verbeamtung im Programm, auch wir müssen das anbieten. Ich möchte die Nachverbeamtung für alle bis 46 Jahre. Das sollte im nächsten Doppelhaushalt verankert werden. Ich bin auch bereit, darüber nachzudenken, ob wir die Verbeamtung nur für die nächsten fünf Jahre anbieten, um zu schauen, ob es wirklich die richtige Maßnahme ist. Dadurch erhöht sich auch das Arbeitsvolumen. Denn verbeamtet wird in Vollzeit. Wer in Teilzeit arbeiten will, bleibt in einem Angestelltenverhältnis zu den bisherigen Konditionen. Eine Entscheidung sollte im Januar fallen. Ich könnte schon im Sommer die etwa 500 Lehramtsanwärter in Sachsen halten, die hier fertig werden. Es wäre auch ein Angebot für diejenigen, die Anfang der 2000er-Jahre in den Westen gegangen sind. Sie könnten zurückkommen, ohne ihre Pensionsansprüche zu verlieren.

Und Seiteneinsteiger?

Die werden wir noch eine Weile benötigen. Ich möchte darüber zwar keine große Diskussion ins Rollen bringen, aber wenn es uns nicht gelingt, mehr ausgebildete, hochmotivierte Lehrer vor die Klasse zu bringen, werden wir in zwei, drei Jahren über die Qualität des Unterrichts reden müssen. Seiteneinsteiger sind für mich keine langfristige Lösung. Abgesehen davon, dass es auch nicht unerschöpflich viele Seiteneinsteiger gibt.

Was ist mit den Lehrern, die nicht verbeamtet werden?

Auch sie sollen einen Ausgleich und mehr Anerkennung bekommen. Ab 1. Januar 2018 gibt es die Erfahrungsstufe 6: Lehrer, die über 18 Jahre im Dienst sind, bekommen mehr Geld. Das reicht aber nicht. Ich verhandele derzeit mit dem Finanzminister über Beförderungsstellen. Wichtiger als mehr Geld ist den älteren Kollegen, dass sie entlastet werden, etwa keine Klassenleiter mehr zu sein oder nicht mehr mit ins Landheim fahren zu müssen. Das werde ich ihnen nicht mehr zumuten. Ich brauche sie für den Unterricht als erfahrene Lehrer vor der Klasse.

Vertreter der Gewerkschaften hatten im Lehrerhauptpersonalrat mehrere Bedingungen gestellt, damit er zustimmt, dass Seiteneinsteiger vorzeitig eingestellt werden können.

Ich habe den Vertretern der Gewerkschaften meine Lösungsansätze vorgestellt und ihnen versprochen, mich regelmäßig mit ihnen zu treffen. Dieser Kontakt ist für mich auch wichtig, um Informationen von draußen zu bekommen. Viele Maßnahmen, die ich jetzt umsetze, um den Arbeitsaufwand zu reduzieren, sind Forderungen des Lehrerhauptpersonalrats. Die habe ich nicht neu erfunden, sondern abgeschrieben. Die Lage ist prekär. Um das zu ändern, brauche ich alle an Schule Beteiligten. Ich brauche Eltern, die sich einbringen, Lehrer, die motiviert sind, und Schulleitungen, die für ihre Schule brennen. Ich brauche auch die Bürgermeister.

Sie sind in der Lehrerschaft kein Unbekannter, viele Lehrer und Schulleiter kennen, duzen und schätzen Sie. Setzt Sie das unter Druck?

Die Erwartungshaltung ist riesengroß, ja. Mit meinem Plan kann ich zeigen, dass ich das erkannt habe, und dass ich in den letzten drei Wochen durchgearbeitet habe. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Ergebnis bei meinen Kollegen ankommt. Ja, der Druck hat mich manchmal auch nicht schlafen lassen.

Das Gespräch führte Andrea Schawe.

Hinweis: Frank Haubitz hat sich in einem persönlichen Brief an die Schulleiterinen und -leiter aller öffentlichen Schulen in Sachsen gewandt. Wir dokumentieren das Schreiben im Wortlaut.