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Kulleraugen zum Verlieben

Familie Schreiber aus Ohorn hat Alpakas für sich entdeckt. Die sollen nicht nur die Wiesen kurz halten.

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© René Plaul

Von Reiner Hanke

Ohorn. Es ist bitterkalt an dem Morgen in Ohorn. Der Wind pfeift eisig. Kein schönes Wetter für Menschen, um draußen zu verweilen. Da sind Alpakas schon eher dran gewöhnt. Schließlich machen ihnen die kalten Höhenlagen in ihrer Heimat, den Anden, auch nichts aus. „Es ist eine trockenere Kälte“, sagt der Ohorner Mario Schreiber. Dennoch zieht es die Alpakas von Familie Schreiber nicht in ihren nagelneuen Stall. Den hat der Zimmermann natürlich selbst für die Hochlandtiere gebaut.

Alpaka Romy hat den Kopf tief in einen Korb mit duftigem Heu versenkt und knuspert. Die anderen Damen lagern auf dem Schnee und gucken neugierig nach dem Fremden im Gehege. Die älteren Tiere sind eher scheu. Aber wer ihnen in die braunen treuherzigen Kulleraugen schaut, muss sie einfach lieben. So ging es auch Ines Schreiber. Ein wichtiger Grund, sich mit ihrem Mann gemeinsam die Alpakas nach Ohorn zu holen: „Die Alpakas sind etwas ganz Besonderes“, sagt Ines Schreiber.

Tierliebe liegt ihnen im Blut

Die Tierhaltung ist in erster Linie ihr Hobby, aber mit Unterstützung ihres Mannes. Er hat die Alpakas ebenso ins Herz geschlossen, aber mit seinem eigenen Holzbau-Unternehmen viel um die Ohren. Lange sind die sechs Alpakas noch nicht auf dem Schreiberschen Hof, seit dem vorigen Sommer erst. Dort passen sie auch gut hin: „Wir haben hier schließlich eine ländliche Gegend“, sagt Mario Schreiber. Auf dem Hof habe es früher immer Tiere gegeben. Der Opa hatte Kühe: „Dort im Nebengebäude“, sagt der Zimmermann und deutet über den Hof. Es war hier früher eine kleine Landwirtschaft. Die Dreschmaschine des Großvaters war damals die einzige auf dem Gickelsberg, erinnert er sich. Der Vater hielt Schafe. Und auch Ehefrau Ines wuchs in Bretnig mit Tieren auf.

Der Beruf schob später bei den Schreibers die Tiere in den Hintergrund. Mario Schreiber schulte nach der politischen Wende vom Metallbauer zum Zimmermann um und gründete den eigenen Betrieb. Da blieb schlicht keine Zeit für die Tierhaltung. Aber die Gedanken kreisten schon seit ein paar Jahren um das Thema. „Wir sind tierlieb, das liegt uns im Blut. Außerdem haben wir eben viel grüne Wiese.“ Die sollte gepflegt werden, aber auch etwas Besonderes auf dem Grünland grasen. So schauten sich Ines und Mario Schreiber auf Fachmessen um und besuchten Lehrgänge. Bis die Zeit vor ein paar Monaten reif war, vier Alpakastuten und zwei „Mädchen“ anzuschaffen.

Es sollen noch ein paar mehr werden

Die Alpakas kommen natürlich nicht direkt aus den Anden, sondern von einem Züchter bei Stolpen. Ines Schreiber kennt sie alle mit dem Namen: „Babette liegt dort, Romy futtert“, während Isabell und Ramona der Wind durch den kessen Pony wedelt. Allesamt sind den Schreibers längst ans Herz gewachsen. So sollen es auch noch ein paar mehr werden. Bis zu 15 vielleicht. Aber erst einmal ist der Plan: Herantasten an die Alpaka-Haltung. Für die Zucht werde ein Deckhengst ausgeliehen.

Die Alpakas seien eher pflegeleicht, ruhige und bedächtige Tiere. Aber einige Dinge gebe es schon zu beachten. Zum Beispiel bei der Ernährung. Die beschränkt sich auf Gras und Heu. Deshalb auch die Bitte an Spaziergänger nichts zuzufüttern, wie Äpfel zum Beispiel. Das vertragen die Tiere nicht. Im Mai wird voraussichtlich die Schere angesetzt. Die Paarhufer gehören zur Familie der Kamele – sind aber deutlich flauschiger. Die Wolle fühlt sich wunderbar weich an. Die will Ines Schreiber verkaufen. Interessenten gebe es schon.

Auch für Therapien geeignet

„Ein Pullover aus dieser Wolle kratzt bestimmt nicht, ist sie sich sicher.“ Noch zählen Alpakas in der deutschen Landwirtschaft unter den Nutztieren zu den Exoten, sagt Mario Schreiber. Das Fleisch werde aber keinesfalls ein Thema sein, schließt er grundsätzlich aus. Dazu seien ihnen die Tiere viel zu sehr ans Herz gewachsen. Vielmehr sollen die Jungtiere, an den Kontakt mit fremden Menschen gewöhnt werden. Denn die freundlichen Paarhufer könnten vielleicht auch eine touristische Attraktion werden und Wandergruppen auf den Schwedenstein begleiten. Kinder würden sich bestimmt ebenso über Alpakatouren freuen.

Auch für tiergestützte Therapien könnten die Alpakas geeignet sein. Dabei denken die Schreibers auch an die nahe Schwedensteinklinik. Vielleicht lasse sich ein Kontakt knüpfen. Die Wirkung von Alpakas auf die Psyche der Menschen wird in Fachkreisen als positiv beschrieben. Die weiß Ines Schreiber schon jetzt zu schätzen: „Sie sind gut fürs Gemüt.“ Es sind Tiere der leisen Töne, manchmal brummeln, summen und zwitschern sie. Es mache sie glücklich, sagt Ines Schreiber, den Tieren einfach nur auf der Weide zuzuschauen, wie sie grasen, mal galoppieren, eine kleine Rangelei austragen oder sich zur Fellpflege auf dem Rücken wälzen. Da ist sie nicht die Einzige. Spaziergänger verweilen gern am Gehege und lassen sich ein bisschen von den braunen Augen verzaubern.