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„Ich komme nie mit schlechter Laune zur Arbeit“

Pfleger haben keinen leichten Beruf, einige machen ihn trotzdem sehr gern. Aus dem Alltag einer sächsischen Altenpflegerin.

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© Robert Michael

Von Ronja Münch

Es ist früh, kurz nach sieben Uhr . Claudia Gießner klopft kurz an die Tür eines Zimmers im Pflegeheim Haus Löbtau in Dresden. Beim Betreten des Zimmers ruft die 28-Jährige laut „Guten Morgen“. Zwei alte Damen schauen etwas verschlafen unter ihren Decken hervor, jedes Bett auf einer Seite des Zimmers. Eine nach der anderen wird am Rollator ins Bad bugsiert. Toilette, Waschen, Anziehen.

„Du bist ein hübsches Mädel“, schmeichelt Frau B. Claudia lacht. „Ziehen Sie mal ihr Nachthemd aus, damit wir Sie waschen können.“ Frau B. murrt ein bisschen. „Ich weiß, das magste nicht“, sagt Claudia. Die alte Dame folgt aber den Anweisungen. „Hast auch ein schönes Gesicht“, sagt sie. „Und die kleinen Ohren sind auch ganz gut.“ Frau B. schmeichelt den Pflegern gerne. Auf Fragen antwortet sie kaum.

Der Tod gehört zur Arbeit dazu

Nachdem Claudia die beiden Damen mit ihren Rollatoren in den Frühstücksraum begleitet hat, kommt die nächste Bewohnerin dran. Sie kann nicht mehr aufstehen und will auch nicht mehr. „Ich bleib hier, ich will hier einschlafen“, sagt sie. „Sie will sterben“, sagt Claudia leise. Und zu der Bewohnerin: „Sie dürfen ja auch hier bleiben.“ Der Tod gehört zu ihrem Beruf dazu.

„Man sieht viel Elend“, sagt Claudia. Nach Möglichkeit bleiben die Menschen bis zum Ende im Pflegeheim, damit sie dort in ihrem Bett sterben können und nicht in der Anonymität eines Krankenhauses. Hier hängen Bilder an den blass gelben, grünen oder rosa Wänden, die die Bewohner selbst mitgebracht haben. Oft sind es Fotos aus jüngeren Tagen. Blumen stehen auf den Tischen. Der eine oder andere bringt auch eigene Möbelstücke mit, eine Kommode oder einen Sessel.

Manche richten sich richtig ein im Pflegeheim, so wie der 94-jährige Gerhard Mierisch. In seinem Zimmer sehe es aus wie in einer Junggesellenwohnung, warnen die Pfleger. Ein paar Bücher und Zeitschriften liegen auf Tisch und Stühlen. Herr Mierisch hat einen Computer im Zimmer stehen, an dem er Briefe schreibt und im Internet surft. Möglichst viel will er noch selber machen. Er mache auch sein Bett, „aber die Claudia zieht das dann immer noch mal gerade, es ist ihr nicht ordentlich genug“. Auch er braucht Hilfe, kann nicht mehr gut laufen. Ans Trinken muss man ihn erinnern. „Ohne die Claudia würde ich nur die Hälfte trinken“, gibt er zu. Freundlich lacht er sie an. „Man kriegt viel wieder“, sagt Claudia. Mit 17 machte sie ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) im Altenheim und blieb, mit kurzer Zwischenstation im Krankenhaus. Ganz anders ihr Kollege Mirko Zeidler, 38 Jahre alt, der sich zur Kaffeepause im Frühstücksraum dazusetzt. Er war früher einmal Zimmermann, dann als Soldat unter anderem in Afghanistan. Als er seinen Job verlor, sattelte er um, mit 27. Beide mögen ihren Beruf. „Es gibt eigentlich keinen Moment, wo ich mit schlechter Laune auf die Arbeit komme“, sagt Claudia. Einen Bürojob könne sie sich nicht vorstellen. Im Pflegeheim bekomme sie viel Dankbarkeit der Bewohner zurück. „In welchem Beruf sagt schon mal jemand Danke?“

Es darf nichts dazwischenkommen

Claudia und Mirko wünschen sich, dass ihre Arbeit wieder ein positiveres Image bekommt. „Na klar gibt’s schlechte Dinge, die gibt’s auch hier“, so Claudia. „Man gibt sein Bestes.“ Das Gehalt sei okay, wie viel genau ist nicht zu erfahren. Im Mittel verdienen Altenpfleger in Sachsen laut einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit 1 950 Euro brutto pro Monat. Weit weniger als das gesamtdeutsche Mittel von etwa 2 500 Euro. „Dabei sind wir doch die, die direkt am Menschen arbeiten“, beschwert sich Mirko. Pflegefachkräfte wie er und Claudia brauchen medizinisches Wissen, sie müssen Katheter legen, Insulin spritzen. Als Fachkräfte haben sie meist alleine die Verantwortung über einen ganzen Wohnbereich, müssen die Pflegehelfer delegieren, müssen sich um die Organisation kümmern, Papierkram erledigen.

An diesem Morgen betreuen vier Pflegefachkräfte und -helfer die 29 Bewohner des Wohnbereichs 1a, sonst sind sie meist nur zu dritt. Waschen, Windeln wechseln, neue Verbände. „Im Dienst darf nichts dazwischenkommen, sonst wird’s ein bisschen stressig“, sagt Claudia. Natürlich kommt aber immer wieder etwas dazwischen. Da gibt es die Bewohnerin, die immer zu ihrer Mutter möchte und einmal erst am Bahnhof Mitte wieder aufgegriffen wurde. Oder ein Kollege wird krank.

„Mit mehr Zeit könnte man viele Dinge in Ruhe machen“, so Claudia. Mehr mit den Bewohnern reden, mal mit ihnen in den Park. Doch dafür bräuchte es mehr Personal. Und guter Nachwuchs ist Mangelware. Heimleiter Kai-Uwe Elgner hat Probleme, freie Stellen zu besetzen. „Die Vergütung ist ein Riesenproblem.“ Wählerisch kann er nicht mehr sein. Obwohl er, selber einmal Pfleger, sich Mühe gibt, die Arbeitsbedingungen möglichst gut zu gestalten. Das bestätigen Claudia und Mirko. Gegen die Schichtarbeit kann er nichts machen. Auch nicht dagegen, dass der Beruf psychisch belastend ist. Manche nehmen die Arbeit mit nach Hause, so Claudia. „Ich habe einen guten Rückhalt, rede mit Freunden.“ Aber selten länger als eine halbe Stunde. Sie könne gut abschalten. „Es gibt aber Kollegen, die schreiben Pflegeblätter zu Hause, wenn sie das in der Arbeitszeit nicht schaffen.“ Obwohl sie die zusätzliche Zeit mittlerweile auch abrechnen könnten.