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Haben Wölfe ein Kälbchen gerissen?

Was in Sachsen selten wäre, beunruhigt die Weißiger. Auch wenn das Ergebnis nicht feststeht, sind sich die Jäger bereits sicher.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Catharina Karlshaus

Evamaria Langkabel möchte sich nicht dazu äußern. Wie die Vorstandsvorsitzende der Agrargenossenschaft Weißig am Raschütz e. G. durch ihre Mitarbeiterin ausrichten lässt, wolle man erst das Ergebnis der Untersuchungen abwarten.

Das bedeutet praktisch: Es gibt also tatsächlich etwas zu untersuchen. Oder vielmehr das, was noch vom frisch geborenen Tier der Mutterkuhherde kurz vor Oelsnitz übrig geblieben ist. In der Nacht von Dienstag zu Mittwoch vergangener Woche soll es gewesen sein, dass ein im Raschützwald angesiedeltes Wolfsrudel in die Herde eingebrochen ist. Immerhin bringe eines der weißen Kälbchen gut 30 bis 40 Kilogramm auf die Waage. Zu viel, so befinden Experten, für einen einzelnen, noch so gierigen Wolf. „Vieles spricht deshalb eindeutig für mehrere Tiere“, erklärt Jürgen Nitzsche.

Wie der passionierte Jäger betont, habe der Vorfall längst die Runde gemacht. Mehr noch. Die Agrargenossenschaft habe ihn am Mittwochmorgen in seiner Eigenschaft als zuständigen Jäger angerufen und über das Ereignis unterrichtet. Daraufhin sei sein Sohn, mit dem sich Jürgen Nitzsche das gut 1000 Hektar große Revier in Oelsnitz-Niegeroda seit zwei Jahren teilt, selbst an den Ort des Geschehens gefahren. Deutlich wäre noch die blutige Schleifspur im Gras von der Weide hin zu einem Graben zu sehen gewesen. Auch einzelne Fellreste und ein paar Röhrenknochen seien auf dem Erdboden zurück geblieben. Für die Jäger eindeutig die Handschrift von Wölfen.

„Offengestanden war das für mich nur eine Frage der Zeit! Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Rehrisse oder Reste junger Wildschweine gefunden“, bekennt Jürgen Nitzsche. Wenn es sich im Falle des getöteten Kälbchens aber tatsächlich um einen Wolfsriss handle – woran die Jäger keinen Zweifel hätten – wäre das allerdings eine neue Qualität. Denn zwar gab es in der Vergangenheit in Dobra, Tauscha, Sacka und Linz, östlich der A 13, nachweislich schon mehrere Schafsrisse. Auf ein Tier in der Größe eines Kalbes hätten es die Wölfe bisher aber noch nicht abgesehen. Zumindest im Großenhainer Land. „Angesichts dessen, dass sich die Tiere aber vermehren und auf Nahrungssuche sind, könnte das erst der Anfang sein“, befürchtet Jürgen Nitzsche, der nach eigenem Bekunden im Übrigen nichts gegen Wölfe habe. Nur ihr jeweiliger Lebensraum sei nun mal nicht unwesentlich dafür, sie unvoreingenommen tolerieren zu können.

Dass hungrige Wölfe sich auch mal größeren Vierbeinern als Schafen oder Ziegen nähern, wäre laut Vanessa Ludwig möglich. Die Leiterin des sächsischen Wolfsbüros in Rietschen macht am Donnerstag im SZ-Gespräch keinen Hehl daraus, dass es derartige Risse in Niedersachsen und Brandenburg schon gegeben hat. Mehrere Übergriffe auf Jungrinder seien dort bereits registriert worden. Und nicht nur da. Laut offizieller Schadensstatistik des Büros ist bei einem tot aufgefundenen Rinderkalb in Kreba-Neudorf im Landkreis Görlitz am 13. Juli der Wolf als Angreifer nicht auszuschließen. Weitere Verdachtsmomente in anderen Gegenden hätten sich nach Untersuchungen indes nicht bestätigt. „Rinder oder auch Pferde haben ein ausgeprägtes Herdenverhalten, und der Wolf bekommt wenig Gelegenheit, dort ungehindert einzudringen“, weiß Vanessa Ludwig. Bewältigen könne er jedoch Tiere dieser Körpergröße und des Gewichtes allemal. Nicht umsonst stünden gerade bei in Skandinavien oder Polen lebenden Wölfen durchaus auch Elche auf der Speisekarte. „Aber wie gesagt, ein etwaiger Vorfall wie vielleicht in Weißig ist möglich, kommt aber selten vor“, so Vanessa Ludwig. Aus diesem Grund gebe es bisher auch keine generellen Mindestschutzvorgaben für Rinderhalter.

Was genau in jener Nacht in Weißig am Raschütz passiert ist, möchte das Landratsamt Meißen – die Abteilung Untere Naturschutzbehörde betreut das Wolfsmanagement im Kreis – am Donnerstag nicht kommentieren. „Der Vorfall ist aber bekannt und wird gegenwärtig untersucht“, sagt Behördensprecherin Helena Musall.