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Goldgräberstimmung im Erzgebirge

Lithium- und Zinnvorräte versprechen Gewinne und Arbeitsplätze. Dabei geraten andere Bodenschätze aus dem Fokus.

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© Egbert Kamprath

Von Tobias Winzer

Freital/Zinnwald. Mitte des Jahres könnte es soweit sein. Dann will das Unternehmen Deutsche Lithium seine Bergwerkspläne für Zinnwald bekannt geben. Nach jahrelangen Planungen und Probebohrungen könnte dann feststehen, ab wann dort vor allem das wertvolle Lithium abgebaut werden soll und wie viele Arbeitsplätze entstehen. Doch das Gebiet bei Zinnwald ist nicht das einzige, in dem Bodenschätze stecken.

Die Sächsische Zeitung erklärt, welche Stoffe in der Erde zu finden ist, welches wirtschaftliche Potenzial sie haben und warum die Dippoldiswalder Region geologisch betrachtet anders ist als die Freitaler.

Nach welchen Stoffen wird derzeit vor allem Erzgebirge gesucht?
Nach Zinn und Lithium. Zinn ist Bestandteil von Legierungen und wird zum Beispiel in der Elektroindustrie verwendet. Lithium wird für Akkus gebraucht – egal, ob im Handy oder in Elektroautos. Weil der weltweite Bedarf dafür steigt, könnte der Abbau der Stoffe und die Vermarktung ein gutes Geschäft sein.

In welchen Gebieten wird derzeit nach den Stoffen gesucht?
Im Erzgebirge gibt es derzeit vier Stellen, wo Probebohrungen sattfinden dürfen: In Sadisdorf und auf der Hegelshöhe hat das zuständige Oberbergamt eine entsprechende Genehmigung an die Tin International AG mit Sitz in Leipzig erteilt, bei Dippoldiswalde darf die Beak Consultants GmbH und bei Falkenhain die Deutsche Lithium probebohren. Die Genehmigung zum Abbau gilt für das Gebiet Zwitterstock und Zinnkluft in Altenberg, das der Lausitzer und Mitteldeutschen Verwaltungsgesellschaft gehört und für ein Areal bei Zinnwald. Eigentümer ist hier die Deutsche Lithium. In keinem der Gebiete findet derzeit aber ein Abbau statt.

Sind das die einzigen Gebiete mit solchen Bodenschätzen?
Nein. Uwe Lehmann, Leiter des Referats Rohstoffgeologie im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, schätzt, dass sich die Region, in der diese Erze zu finden sind, auf die gesamte Region zwischen Sadisdorf und der Landesgrenze erstreckt. Auch weiter nördlich könnten Zinn- und Lithiumvorräte liegen, so Lehmann, allerdings in sehr großer Tiefe von rund tausend Metern. Das mache den Abbau sehr aufwendig und teuer. Für das Gebiet zwischen Sadisdorf und Zinnwald sei aber mit weiteren Anträgen auf Probebohrungen zu rechnen. „Da ist Bewegung drin“, so Lehmann.

Sind das die einzigen Bodenschätze, die in der Region zu finden sind?
Nein. Bei aller Euphorie um Zinn und Lithium würden die sogenannten Steine und Erden oft vergessen, so Lehmann. „Der aktive Bergbau ist derzeit auf diese Stoffe gerichtet.“ Er nennt die Tagebaue im Wilsdruffer Ortsteil Grumbach und in Freital-Wurgwitz als Beispiel oder den Lehm-Abbau von Ziegel-Eder an der Wilsdruffer Straße in Freital oder den Granit- und Porphyrbruch bei Bärenstein. Die Euphorie um Zinn und Lithium sei aber unter anderem mit dem hohen Weltmarktpreis zu erklären. Während für eine Tonne Granit etwa 20 Euro zu bekommen sei, könne man für eine Tonne Zinn 20 000 Euro verlangen. „Die Frage ist eben nur, welche Kosten auf der anderen Seite stehen“, so Lehmann.

Insgesamt sei die Region reich an Bodenschätzen. „Das gilt für Sachsen insgesamt.“ Lehmann verweist auch auf den jahrhundertelangen Kohlebergbau in der Freitaler Region.

Gibt auch in er Freitaler Region Lithium- und Zinnvorkommen?
Das ist äußerst unwahrscheinlich, was mit der geologischen Geschichte der Region zusammenhängt. Das Gestein in der Dippoldiswalder Region ist wesentlich älter. Bei dessen Entstehung haben unter anderem vulkanische Eruptionen eine Rolle gespielt. Das Gestein in und um Freital hingegen ist deutlich jünger. Es ist von sogenannten Sedimentgesteinen – mächtigen Schichten von Kiesen und Sanden – geprägt. „Deswegen sind die Möglichkeiten, welche Rohstoffe sich anlagern, sehr unterschiedlich“, so Lehmann.

Wer entscheidet, ob in einem Gebiet abgebaut werden darf?
In den meisten Fällen ist das Oberbergamt in Freiberg zuständig, bei jüngeren Bergwerken, in denen keine wertvollen Stoffe abgebaut werden, auch das Landratsamt in Pirna. Vom ersten Antrag bis zur Abbau-Genehmigung vergehen in den meisten Fällen etwa zehn Jahre. Das liegt daran, dass die Anträge aufwendig geprüft werden und unter anderem gegen den Umweltschutz abgewogen werden. Außerdem dauert die wirtschaftliche Prüfung der Unternehmen, ob ein Abbau sinnvoll ist, sehr lang und ist sehr teuer. Die Probebohrung eines Meters kostet rund 300 Euro und meist muss mehrere Hundert Meter tief gebohrt werden.

Das Zinnwalder und das Altenberger Gebiet gehören derzeit zu insgesamt fünf Gebieten in Sachsen, in dem Erze und Spate abgebaut werden dürfen. Die Genehmigung für das Zinnwalder Gebiet stammt vom Oktober 2017 und endet 2047, die Bewilligung für das Altenberger Areal gibt es seit 1991 und gilt unbefristet.

Wie viele Arbeitsplätze könnten mit den neuen Abbaugebieten entstehen?
Das lässt sich nur schätzen. Geologe Uwe Lehmann wagt eine Prognose: „Ich könnte mir vorstellen, dass in der gesamten Region ein paar Hundert Arbeitsplätze entstehen“, sagt er. Eingerechnet seien dabei nicht nur die Bergmänner, die unter Tage arbeiten, sondern auch das nötige Personal in der Verwaltung, bei der Weiterverarbeitung, beim Transport. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass es mit der derzeitigen Euphorie auch ganz schnell wieder vorbei sein könnte. „Kein Mensch kann sagen, ob der Zinnbedarf nicht wieder sinkt oder ob ein Forscher ein besseres Material für Akkus findet als Lithium.“