Merken

Geplant und durchgezogen

In Görlitz steht ein Pärchen wegen Mordes vor Gericht – wegen 2 000 Euro. Damit planten sie das nächste Verbrechen.

Teilen
Folgen
© N.Schmidt

Von Ralph Schermann

Der erste Verhandlungstag war kurz. Richter Theo Dahm schloss am Dienstag die Sitzung nach nur einer Stunde. In der wurden Formalitäten besprochen, Personalien festgestellt, die Anklage verlesen und der Antrag der Verteidigung auf einen zusätzlichen, dritten Rechtsanwalt abgelehnt. Für die beiden Angeklagten reichen zwei bestellte Verteidiger völlig aus, war sich die mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzte Große Strafkammer als Schwurgericht einig: „Die Beweislage ist überschaubar, die Termine sind es auch.“

Für die Zuschauer im großen Sitzungssaal des Görlitzer Landgerichtes ist das, was sich für das Gericht so überschaubar darstellt, ein Drama. Es waren vor allem Familienangehörige, Freunde und Bekannte von Philipp W. aus Niesky, die so zahlreich erschienen, dass die Plätze kaum ausreichten. Zahlreich hatten die Nieskyer bereits Gedenkveranstaltungen für ihn gestaltet und seine Beisetzung auf dem Nieskyer Waldfriedhof begleitet. Philipp W. wurde ermordet.

Die beiden Angeklagten Anne-Kathrin Hartmann (24) und Stephan Kuhring (33), sollen Philipp W. gezielt getötet haben. Die gemeinschaftlich geplante und ausgeführte Ermordung des 24-Jährigen sollen beide zugegeben haben, hieß es nach ihrer Festnahme im Februar aus Polizeikreisen. Mehr jedoch hatten sie damals nicht ausgesagt, und beide schweigen bis heute.

Angeklagte zeigen keine Regung

Die Rechtsmedizin Dresden hatte beim ermordeten Philipp W. Ersticken als Todesursache festgestellt. Daraufhin erfolgten „aufwendige histologische Untersuchungen“, informierte Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu. Mikroskopisch zu betrachtende Feingewebeproben mussten im Labor speziell aufbereitet werden, um herauszufinden, was genau kurz vor W.’s Tod passierte. Die Kripo unternahm umfangreiche Ermittlungen, um die Abläufe so genau wie möglich zu rekonstruieren, sagte Sebastian Matthieu. Das war aufwendig, weil sich das Pärchen während dieser Zeit nahe Dresden aufgehalten habe. Das Landeskriminalamt half bei der Auswertung der gesicherten Fingerabdrücke, DNA-Spuren und weiteren Fundortfeststellungen. Da die Tatverdächtigen aber schwiegen, war das „reine Fleißarbeit“. Zudem wurde bereits damals ein Gutachter beauftragt, die Schuldfähigkeit der beiden Verhafteten festzustellen. Diese waren der Polizei vorher bereits wegen Drogenkriminalität bekannt.

Während Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu die Anklagen vortrug, herrschte im Saal gespenstische Stille. Leises Schluchzen war zu vernehmen, schilderte er konkrete Tathandlungen. Beide Angeklagten ließen die Lesung gelassen über sich ergehen, hörten regungslos zu. Ziel des Pärchens sei es gewesen, das Kind Anne-Kathrin Hartmanns zu entführen und sich mit diesem ins Ausland abzusetzen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der das Sorgerecht innehabende Kindsvater Max H. bei der Abholung des Jungen aus der Kindereinrichtung niedergeschlagen, nach Tschechien verbracht und dort in einem abgelegenen Waldstück an einen Baum fixiert und geknebelt seinem Schicksal überlassen werden sollte.

Für die Vorbereitung von Entführung und Flucht benötigte das Pärchen Geld. Wie man an solches gelangte, schildert die Anklageschrift so: Anne-Kathrin Hartmann lud den ihr bekannten Philipp W. auf die Görlitzer Stauffenbergstraße ein, in die gemeinsam mit Kuhring gemietete Wohnung. Während des Gespräches näherte sich der vorher in einem Nebenraum versteckte Stephan Kuhring von hinten und schlug Philipp W. mit einem stumpfen Gegenstand mit voller Wucht auf den Kopf. „Möglicherweise mit einer Bratpfanne“, vermutete Matthieu. Dann fesselten beide Angeklagten ihr Opfer an einen Stuhl und überzogen es mit mehreren Lagen Plastetüten, die sie sorgfältig mit Paketband abdichteten und verklebten. Philipp W. erstickte. Das Täterpärchen hob mit dessen EC-Karte viermal je 500 Euro ab, verkaufte dessen Handy und fuhr mit W.’s silbergrauem BMW davon.

Das war am 5. Februar. Am 9. Februar erstattete Philipp W.s Vater Vermisstenanzeige. Ein Zufall in einer anderen Strafsache führte zur Festnahme des Pärchens in Weigsdorf-Köblitz, worauf bei einer Durchsuchung der Görlitzer Wohnung am 13. Februar die Leiche gefunden wurde, vor allem aber die geplante Kindesentführung und Tötung des Kindsvaters nicht mehr ausgeführt werden konnten.

Am 15. August geht die Verhandlung weiter. Dann werden Gutachter ihre Erkenntnisse vortragen. Erste Zeugen sollen ab dem 29. August gehört werden. Ulf Israel, Verteidiger von Kuhring, kündigte für nächste Woche eine kurze Erklärung seines Mandanten an, während Hartmann weiter schweigen will.