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Freispruch im Hitlergruß-Prozess

Wegen einer zweifelhaften Geste war ein Freitaler zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dagegen ging er nun vor.

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© SZ

Von Yvonne Popp

Er habe schon mehrmals vor Gericht gestanden, sagte der Angeklagte am Dienstag vor der achten Strafkammer am Landgericht in Dresden. „In der Vergangenheit auch durchaus berechtigt“, sagte er. Aber den Vorwurf, dass er am 26. Juni 2015 auf einer Kundgebung in Freital einen Hitlergruß gezeigt haben soll, könne und wolle er nicht auf sich sitzen lassen. Er selbst sei sehr erschrocken gewesen, als er einen Tag nach der Demonstration vor dem Leonardo-Hotel die Bild-Zeitung kaufte und sich darin in auf einem Foto sehen musste, teilte er mit.

Auf dem Bild, das sich damals via Internet und Zeitung rasch verbreitet hatte, war der vorbestrafte Freitaler hinter einem Banner mit der Aufschrift „Kein Ort zum Flüchten“ stehend zu sehen. Den rechten Arm hatte er ausgestreckt. Nicht nur er allein zeigte fragwürdige Gesten. Trotzdem waren wegen des Fotos nur Anzeigen gegen ihn erstattet worden.

Vom Amtsgericht in Dippoldiswalde war der Mann noch im September 2015 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen per Strafbefehl – also ohne Prozess – zu einer Zahlung von 1320 Euro verurteilt worden. Dagegen hatte er Widerspruch eingelegt.

Hat er oder hat er nicht?

Gleich zu Beginn der Hauptverhandlung im November 2015 in Dippoldiswalde, die dann mehrere Prozesstage umfasste, hatte der 48-Jährige eingeräumt, aufseiten der Asylgegner bei der Veranstaltung dabei gewesen zu sein. Auch dass er es war, der auf dem Bild mit ausgestrecktem Arm zu sehen ist, gab er zu. „Aber ich zeige da keinen Hitlergruß“, hatte er gesagt und erklärt, dass das Bild nur die Momentaufnahme einer Wink-Bewegung sei.

Sein Verteidiger, der pegidanahe Jens Lorek, der auch schon für angebliche Opfer von Ufo-Entführungen vor Gericht zog, hatte unterstellt, dass das Bild extra so geschossen worden war, dass es aussah als zeige es seinen Mandanten beim Hitlergruß. Generell hegte er Zweifel an der Echtheit des Bildes.

Ein Gutachter hatte aber keine Anhaltspunkte für Manipulationen gefunden. Doch ebenso konnte er nicht belegen, dass der Beschuldigte auf dem Bild die verbotene Geste zeigte, denn zwei weitere Bilder, die der Fotograf damals in enger zeitlicher Abfolge gemacht hatte, ließen darauf schließen, dass sich der Mann in Bewegung befand. Zudem hatte keiner der geladenen Zeugen, darunter auch mehrere Mannschaftsführer der Bereitschaftspolizei, den Angeklagten bei der Tat beobachtet. Anwalt Jens Lorek hatte damals unzählige Leute als Zeugen aussagen lassen, die bei der Demo im Juni als Teilnehmer oder Ordner dabei waren – insgesamt 22 Leute aus Freital und Umgebung. Trotzdem war der zuständige Richter am Ende von der Schuld des gelernten Agrotechnikers überzeugt. Er erhielt das Urteil aus dem Strafbefehl aufrecht. Auch dagegen hatte sich der Freitaler zur Wehr gesetzt.

Während der Berufungsverhandlung am Dienstag am Landgericht Dresden prüfte die Strafkammer noch einmal alle Zeugenaussagen und auch die des Gutachters gründlich. Nach eingehender Beratung mit den Schöffen stand für die vorsitzende Richterin fest, dass in diesem Falle keine Beweismittel vorlagen, die die Schuld des Angeklagten zweifelsfrei belegen konnten. Sie hielt es, ebenso wie die Verteidigung für unwahrscheinlich, dass der Mann vor den Augen der Polizei, bewusst den verbotenen Gruß gezeigt haben soll. Zudem, so sagte sie weiter, handle es sich bei dem Foto um einen Zufallstreffer. Niemand könne heute noch sagen, was unmittelbar vor oder nach der Aufnahme passiert war. Auch hatte das Gutachten gezeigt, dass der Fokus der Kamera auf den Mann hinter dem Beschuldigten gerichtet war, der Fotograf einen vermeintlichen Hitlergruß also ebenfalls nicht wahrgenommen hatte. Am Ende hieß es: Im Zweifel für den Angeklagten. Er wurde freigesprochen.