Merken

Eine vietnamesische Geschichte

Trong Do Duc aus Riesa kam als Kind von früheren Vertragsarbeitern zur Welt – und studiert jetzt Medizin.

Teilen
Folgen
NEU!
© Sebastian Schultz

Von Sandro Heym

Riesa. Ein würziger Geruch liegt in der Luft: Man weiß sofort: Hier im Offenen Jugendhaus (OJH) wird gekocht. Trong Do Duc bereitet ein typisch vietnamesisches Essen zu – eine Pho-Nudelsuppe. Normalerweise wird die mit Huhn oder Rind gekocht – heute allerdings nicht: Trong nimmt Tofu statt Fleisch. Einen Teil davon brät er an, der andere Teil kommt mit in den übergroßen Topf, in dem schon die Brühe fertig ist.

Der Topf muss etwas größer sein – rund 20 Leute haben sich an diesem Mittwoch im OJH versammelt. Bei der Veranstaltungsreihe Volxküche steht alle Vierteljahre ein anderes Land im Mittelpunkt – nach Indien und Mexiko ist dieses Mal Vietnam an der Reihe. Während er das Gemüse schneidet, erzählt der 22-Jährige von der Anfangszeit seiner Eltern hier in Deutschland. 1987 kamen sie als Vertragsarbeiter in die DDR – wie rund 59 000 andere Vietnamesen, die in den 1980ern von der DDR angeworben wurden. „Nach dem Vietnamkrieg, der auch wirtschaftliche Folgen hatte, gab es Staatsabkommen unter den kommunistischen Ländern“, sagt Trong. Dabei sollten Vietnamesen wie etwa Mosambikaner und Kubaner für fünf Jahre befristet dem Arbeitskräftemangel in der DDR abhelfen und sich im Gegenzug eine Qualifizierung aneignen. „Zwölf Prozent ihres Einkommens gingen für dessen Aufbau an den eigenen Staat zurück“, so Trong.

Arbeit in der Baumwollspinnerei

Während er davon erzählt, rührt der Vietnamese die Suppe um und schneidet den gebratenen Tofu in Streifen. Der Medizinstudent erklärt, dass die Pho-Nudelsuppe meistens zum Frühstück gegessen wird. „In Vietnam wird fast nur warm gegessen, da sieht man Brot eher selten“, erzählt Trong. Ihre Sitten behielten auch die Vertragsarbeiter in der DDR bei. „Die Leute waren immer unter sich und hatten auch so gut wie keine Deutschkenntnisse, denn eine Integration war nicht vorgesehen.“

Trongs Eltern waren damals in der Riesaer Baumwollspinnerei tätig. Doch die machte nach der Wende zu – und das vietnamesische Paar wurde, wie viele andere auch, arbeitslos. Trong erklärt: „Die Industrie war damals am Boden. Die Vertragsarbeiter erhielten eine Abfindung von 3 000 D-Mark, wenn sie nach Vietnam zurückkehren.“ Einige blieben aber mit der Hoffnung auf ein besseres Leben in Deutschland – so auch seine Eltern. Jedoch waren es sehr schwierige Bedingungen. „Ohne Vorstrafen und nicht auf Sozialgeld angewiesen, konnten die Leute Asyl beantragen. Aber ohne die deutsche Sprache zu können, war das fast unmöglich“, sagt Trong. Seine Eltern hatten Glück: Mit der Hilfe deutscher Freunde konnten sie die Bürokratie meistern und sich die Sprache ein wenig besser aneignen.

Im OJH verfeinert der Student mittlerweile seine Gemüsebrühe mit Sternanis, Zimt, Ingwer, Knoblauch und Zwiebeln. Die vorbereiteten Sojasprossen liegen auch schon bereit. „Nun müssen nur noch die Nudeln in der Gemüsebrühe gekocht werden“, erklärt er und bereitet für die Beilagen noch Koriander und Thaibasilikum vor. Während die Besucher im Jugendhaus Tische aufbauen und auch schon einige Beilagen sowie Besteck und Schüsseln aufstellen, erzählt Trong weiter. „Zu der Zeit machten sich dann viele Vietnamesen mit einem mobilen Gewerbe selbstständig.“ Auf Wochenmärkten verkauften die früheren Vertragsarbeiter mit ihren Karren Textilien oder Obst und Gemüse. „Die Bedingungen waren sehr schlecht. Sehr viele hatten ihr ganzes Hab und Gut auf diesen Karren“, sagt der 22-Jährige. Es sei sehr schwer gewesen, eine Wohnung zu bekommen. Auch dabei bekamen Trongs Eltern Unterstützung von deutschen Bekannten . „Ich bin froh, dass meine Eltern so gute Freunde hatten.“ – Dabei bereitet er eine Schüssel nach der anderen mit der Pho-Nudelsuppe zu und verteilt sie an die Besucher. Einige probieren, mit Stäbchen zu essen. Dabei sieht man, wer darin schon Übung hat. Andere greifen dann doch lieber zum Löffel. Trong verteilt weitere Schüsseln. „Meine Eltern haben bis heute noch einen Obst- und Gemüseladen.“ Gleichzeitig legten sie viel Wert darauf, dass Trong und seine Schwester einen guten Schulabschluss machen. „Ich danke den beiden, dass sie mich immer angespornt haben, zu lernen“, sagt er.

Jetzt hat auch Trong selbst eine Schüssel mit der Suppe gegessen – und zieht sein Fazit: „Gute Integration geht nicht nur von der Politik aus: Jeder Einzelne kann dabei helfen, so wie die Bekannten, die meine Eltern unterstützt haben.“