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Drei, zwei, eins – meins

Im Landkreis Bautzen kommen jährlich mehr als 100 Objekte unter den Hammer. Eine Geschichte zwischen Elend und Profit.

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© Uwe Soeder

Von Marleen Hollenbach

Bautzen. Es ist ein kalter Februartag, an dem Beat von Zenker seinen Kampf gewinnt. Er hat das höchste Gebot abgegeben. Nun gehört das Haus in Gröditz, einem Ortsteil der Stadt Weißenberg, ihm. Leicht war es nicht. Eine Stunde dauerte die Zwangsversteigerung im Bautzener Amtsgericht. Von Zenker hatte gleich zu Beginn 23 400 Euro geboten. Die Bank wäre damit zufrieden gewesen. Doch es gab einen zweiten Interessenten. Als der Rechtspfleger die Versteigerung beendete, standen schließlich mehr als 33 000 Euro auf dem Papier.

Beat von Zenker ist dennoch froh. Vor mehr als zehn Jahren kaufte er das Schloss in Gröditz zurück, in dem einst seine Vorfahren lebten. Um das Ensemble des Ritterguts zu erhalten, erwarb er Stück für Stück die Häuser ringsherum. Nur das umgebaute Nebengebäude fehlte noch. Bis jetzt.

Zwangsversteigerungen vor allem auf dem Land

Das Haus in Gröditz ist eines von vielen Objekten, die jährlich unter den Hammer kommen. Das Amtsgericht in Bautzen, das für alle Zwangsversteigerungen im Landkreis zuständig ist, zählte allein im vergangenen Jahr 120 Termine. Im Jahr zuvor waren es sogar 163 Versteigerungen, wie der Fachverlag Argetra berichtet. „Die kämen vor allem in den ländlichen Gebieten des Kreises vor“, erklärt Ute Herrmann. Sie ist Schuldnerberaterin bei der Volkssolidarität in Bischofswerda. Vielen verschuldeten Hausbesitzern sei gar nicht bewusst, dass sie ihr Zuhause verlieren könnten, sagt sie. Oft kommen die Hausbesitzer auch erst dann zu ihr, wenn ihr Zuhause bereits versteigert wurde. Dabei könnte sie schon vorher helfen und mit den Gläubigern reden. „Kein Fall ist wie der andere. Aber immer steckt ein Schicksal dahinter“, erklärt sie.

Das ist auch beim Haus in Gröditz so. Die Geschichte dort handelt von einem Hausbesitzer, der zu Lebzeiten einen Schuldenberg angesammelt hat. Es geht um einen Todesfall und um ein Erbe, das aufgrund der Schulden niemand annehmen will. Es ist aber auch die Geschichte von einem Mieter, der seit 60 Jahre in dem Haus wohnt und um sein Zuhause fürchtet. Und nicht zuletzt geht es um ein Gebäude, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Schädlinge haben das Dach befallen. Die Liste der notwendigen Reparaturen ist lang.

Antrag von Banken oder Erben

Häufig beantragen Banken die Zwangsversteigerung eines Hauses. Doch es gibt auch andere Fälle. Wenn sich zum Beispiel Erben untereinander nicht einigen, können sie selbst die Versteigerung beim Gericht erwirken. Von einem solchen Fall hat Familie Thomas profitiert. Am selben Tag, als sich der Gröditzer Schlossherr über seinen Bieterfolg freute, ersteigerten sie eine kleine Doppelhaushälfte in Pulsnitz. Ein Streit unter Brüdern hatte dafür gesorgt, dass das Haus zu einem Fall für das Gericht und schließlich für die Familie zum Glücksfall wurde. Ein Jahr lang hatten sie schon nach einem geeigneten Objekt gesucht. Doch was sie fanden, entsprach entweder nicht den Anforderungen, oder es war viel zu teuer. Und dann kamen sie auf die Idee mit der Zwangsversteigerung.

Sie fragten beim Gericht nach und erfuhren dort, dass es für die Häuser keinen Ortstermin gibt. Der Bieter bekommt nur das Gutachten des Sachverständigen. Wer sich vor Ort ein Bild machen will, muss die Hausbesitzer fragen. Genau das tat die Familie. Das Ehepaar nahm den Kontakt auf und wurden schließlich hereingelassen. „Wir wissen jetzt genau, was uns erwartet“, erzählt der Familienvater, der das Haus für 45 000 Euro ersteigert hat. Ein Schnäppchen, da ist er sich sicher. Tatsächlich lag der Wert laut Gutachten deutlich darüber. Familie Thomas wird ihr Haus sanieren. Der Familienvater ist handwerklich begabt, kennt sich beim Trockenbau aus. Dem baldigen Umzug steht nichts im Weg.

Wichtig: Haus auch innen anschauen

Doch nicht jede Zwangsversteigerung ist ein solcher Glücksgriff. Frank Asche von der Bautzener Firma Asche-Immobilien warnt: „Wer das Haus nicht vorher von innen gesehen hat, geht beim Kauf ein hohes Risiko ein.“ Der Immobilienexperte hat beobachtet, dass vor allem Häuser auf dem Land für wenig Geld den Besitzer wechseln. Bei Häusern in Städten wie Bautzen sei das anders. „Die sind nicht günstig. Sie werden teilweise sogar über dem Wert des Gutachters versteigert“, erklärt er.

Schnäppchen hin oder her, Beat von Zenker will jetzt in das ersteigerte Haus investierten – in Notfallmaßnahmen, wie er sagt. Was danach kommt, weiß der Schlossherr noch nicht genau. Nur eines steht fest: Der Mieter darf drin bleiben.