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Die Böllerfahnder von Bad Schandau

Der Schmuggel illegaler Silvestermunition hat Hochsaison. Mit Aufklärung und „Profiling“ hält die Polizei dagegen.

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© S. Unger

Von Jörg Stock

Bad Schandau. Ich bin verdächtig. Als Zivilist unter Polizisten, der andauernd was ins Notizbuch kritzelt, sehe ich wohl aus wie ein Spion. „Sie waren mit drüben auf dem Markt und haben uns beobachtet, wie wir das Zeug gekauft haben!“, braust mein Gegenüber auf. „Ihr Gesicht merk’ ich mir!“ Die Beamten versuchen, ihn zu besänftigen. Aufklärer haben sie keine. Aber grenzpolizeiliche Erfahrung. Man kann auch Bauchgefühl dazu sagen, ein Gefühl, das womöglich wieder einmal jemanden davor bewahrt hat, sein Gehör zu verlieren, oder die Finger.

Aus der Deckung im Bahnhof Schöna beobachtet Hauptmeister Kleinert, wer vom Grenzmarkt Hrensko herüber kommt.
Aus der Deckung im Bahnhof Schöna beobachtet Hauptmeister Kleinert, wer vom Grenzmarkt Hrensko herüber kommt. © S. Unger
Auf dem Bahnsteig wird kontrolliert. Bei Olaf Siebeneicher ist alles okay.
Auf dem Bahnsteig wird kontrolliert. Bei Olaf Siebeneicher ist alles okay. © S. Unger
Die Polizei warnt mit Plakaten vor dem Feuerwerkskauf, nicht immer mit Erfolg.
Die Polizei warnt mit Plakaten vor dem Feuerwerkskauf, nicht immer mit Erfolg. © S. Unger
Frisch beschlagnahmte Dum-Bum-Knaller.
Frisch beschlagnahmte Dum-Bum-Knaller.

Wenn sich das Jahr neigt, kommt der Böllerschmuggel in Fahrt. Seit Ende November deckt die Bundespolizeiinspektion Berggießhübel wieder gravierende Fälle auf, beschlagnahmte etwa am Grenzübergang Schmilka an nur einem Nachmittag 348 illegal aus Tschechien eingeführte Knaller, darunter vier Kugelbomben, alles nur erlaubt für Profis, oder ganz und gar verboten, weil ohne Prüfsiegel. Die Täter waren zum Teil noch minderjährig.

Insgesamt, so sagt Inspektionssprecher Steffen Ehrlich, scheint die Böllerschmuggelei abzunehmen. Fanden die Polizisten 2016 noch über 4 200 Feuerwerkskörper, waren es bis Weihnachten dieses Jahres nur etwa halb so viele. Ehrlich hofft, dass die Großplakate an Bahnhöfen und Fähren, die vor dem Böllerkauf in Tschechien warnen, Wirkung zeigen. Allerdings kann er auch nicht ausschließen, dass unerlaubte Silvestermunition vermehrt mit der Post kommt. „Wir haben da keinen Einblick.“

In Bad Schandau steigen Sören Kleinert und Ralf Gatza in den Zug. Die beiden Beamten vom Revier Krippen sind seit mehr als zwanzig Jahren im Dienst. Ein eingespieltes Team, wenn es darum geht, Grenzgänger mit verbotenen Mitbringseln aufzuspüren. Heute achten sie vor allem auf die Böllerkäufer. Jagdfieber? Den Begriff mag Hauptmeister Gatza nicht. Klar, man möchte Erfolgserlebnisse, sagt er. Aber nicht auf Krampf. „Wir versuchen, Straftaten aufzudecken, das ist unsere Arbeit.“

Der Zug rollt Richtung Schöna. Die Polizisten gucken sich die Leute an, betreiben „Profiling“. Jugendliche mit Rucksäcken, die nicht eben wie Wanderer aussehen, passen gut ins Raster. Etwa die Hälfte aller dieses Jahr ertappten Böllerschmuggler war unter zwanzig. Neulich hatten die Polizisten drei Jungs, vierzehn, fünfzehn Jahre alt, noch vor der Grenze belehrt, die Finger vom Feuerwerk zu lassen. Später, bei der Kontrolle, fanden sie prompt mehrere Hundert Knallkörper der populären Marken Dum-Bum und La Bomba in den Rucksäcken. Statt Reue gab’s nur dumme Sprüche. In Hauptmeister Gatza grummelt es immer noch, wenn er daran denkt. „Richtige Früchtchen.“

Verbotene Böller für den Sohn

Schöna. Alles drängt hinaus. Die Polizei bleibt im Schatten des Bahnhofs. Sie will nicht gesehen werden am anderen Flussufer. Dort liegt der Grenzmarkt Hrensko, wo sich die Pyromanen eindecken. Sören Kleinert späht mit dem Fernglas durch die milchigen Scheiben des Warteraums. Drüben lädt die Fähre „Kaiserkrone“ Passagiere auf. Nichts Verdächtiges, sagt der Polizist, typisch für einen frühen Vormittag. „Die schlafen wohl alle noch.“

Der Bahnsteig füllt sich. Mit dabei ein Mittvierziger mit Dynamo-Mütze. Dynamo ist gut, sagen die Polizisten. Vielleicht hat er ein paar Kracher für die Fankurve eingekauft. „Guten Tag, die Bundespolizei, Personenkontrolle …“ Der Mann mit der Mütze, Olaf Siebeneicher aus Weinböhla, übergibt bereitwillig seinen Ausweis, macht den Rucksack auf. Vier Stangen Zigaretten hat er eingekauft. In Ordnung. Tschechenböller? Er winkt ab. Ist nicht sein Ding, sagt er. „Ist ja nicht umsonst verboten.“

Dann kommt Max, Bomberjacke, Doc-Martens-Schuhe, mit zwei Kumpels angeschlendert. Die drei Dresdner wirken extrovertiert und auf Erlebnis aus. La-Bomba-Kandidaten? „Guten Tag, die Bundespolizei …“ Die Jungs räumen ihre Taschen aus. Keine Böller drin. Auf Nachfrage, was da noch in seiner Jacke steckt, zieht Max einen schwarzen, etwa zwanzig Zentimeter langen Metallzylinder hervor. Polizist Kleinert greift danach und – Zack! – ist der Zylinder einen Meter lang – ein Teleskopschlagstock, drüben gekauft, für zehn Euro. So weit, so legal. Doch das Herumtragen dieser Waffe in der Öffentlichkeit ist verboten. Eine Ordnungswidrigkeit. Da hilft es nichts, dass Max beteuert, keine aggressive Ader zu besitzen, dass er niemanden mit dem Stock verhauen wollte. Das Ordnungsamt wird ihm einen Bußgeldbescheid schicken. Den Knüppel ist er los.

Weiter geht es. Hin und her pendeln die Beamten auf der Schiene – Schöna, Bad Schandau, Bad Schandau, Schöna. Sie mustern Gesichter, durchsuchen Taschen, geben Ausweisdaten durch. Alles sauber. Und dann dieses Pärchen aus Leipzig, Anfang, Mitte vierzig, im Oberdeck der S-Bahn. Was sie gekauft haben? Na, Schnaps und Zigaretten – was man halt so kauft, sagt die Frau. „Und das ist fürs Kind“, sagt sie noch, und holt eine Plastetüte hervor.

In der Tüte sind zwanzig mit Totenkopf verzierte Dum-Bums und vierzig polnische Böller ohne verständliche Aufschrift. Die soll der 16-jährige Sohn für Silvester kriegen. Sie fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass sie damit eine Straftat begangen hat. Und ihr Begleiter, der den Reporter für einen Spitzel hält, genauso: „Scheiß Böller!“, flucht er. „Nur Ärger!“ Teurer Ärger. Die Geldstrafe wird wohl mehrere Hundert Euro betragen. Obendrauf kommen die Entsorgungskosten. In einem Spezial-Ofen, tief in der Lausitz, werden Dum-Bum und Konsorten gefahrlos verglühen.