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„Der tödliche Unfall hätte nicht sein müssen“

Auf der B 169 in Stauchitz verunglückten zwei Frauen. Der Bürgermeister hält die Strecke schon lange für gefährlich.

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© Sebastian Schultz

Stauchitz. Kein Thema bewegt derzeit die Stauchitzer so sehr wie der tödliche Unfall vom vergangenen Mittwoch. Dabei war auf der B 169 zwischen Plotitz und Seerhausen ein Golf in den Gegenverkehr geraten und mit einem Passat kollidiert. Zwei Insassen des Passats – eine 75-Jährige und eine 82-Jährige – kamen ums Leben, die beiden Autofahrer schwer verletzt ins Krankenhaus. Die SZ sprach dazu mit dem Bürgermeister von Stauchitz, Frank Seifert (parteilos).

Herr Seifert, das Unglück mit den toten Seniorinnen war nicht der erste Unfall auf der B 169 in Stauchitz. Wie sicher ist die Trasse durch Ihre Dörfer?

Man muss wissen, dass bei uns sechs Ortschaften direkt von der B 169 betroffen sind. Unsere Feuerwehr war dort seit 2010 zu 15 Verkehrsunfällen mit 13 Verletzten und mittlerweile drei Toten im Einsatz. Dazu kamen sechs Einsätze wegen Diesel- oder Ölspuren und vier weitere, weil Fahrzeuge Ladung verloren hatten. Dabei sind aber Vorfälle noch gar nicht berücksichtigt, bei denen die Feuerwehr nicht alarmiert wurde: Die Zahlen der Polizei stehen uns nicht zur Verfügung.

Der Unfall jetzt war also mit Abstand das schlimmste Ereignis ...

Absolut. Vor allem, weil es dieses Mal zwei Bürger aus unserem Dorf getroffen hat! Die Damen haben in Stauchitz gewohnt, litten jahrelang unter dem Verkehr und Lärm an der B 169 – und hatten immer gehofft, dass es eine Lösung für die Anwohner gibt.

Sie meinen den Weiterbau der B 169 zur Autobahn, deren neue Trasse hinter Ihren Dörfern vorbei führen soll ...

Genau. Ich bin in der Bürgerinitiative für die B 169 aktiv, seit ich Bürgermeister bin. Meistens wird dabei über wirtschaftliche Aspekte geredet. Aber mir ist die Sicherheit der Bürger am Allerwichtigsten! Wichtiger als Arbeitsplätze – und wichtiger als Naturschutzbelange. Man hat aber den Eindruck, dass bei dem Verfahren die Sicherheit der Anwohner keine Priorität hat.

Das Unglück ist nach bisherigen Ermittlungen passiert, weil ein Autofahrer auf kurviger Strecke in den Gegenverkehr geriet. Sie meinen, auf einer Trasse mit Leitplanken wie auf der B 169 Seerhausen-Riesa wäre er nicht passiert?

Ja. Der tödliche Unfall hätte nicht sein müssen. Auch noch aus einem anderen Grund.

Nämlich?

Die beiden Damen hatten sich nach Riesa fahren lassen, um dort unter anderem bei der Sparkasse Geld abzuheben. Die Filiale bei uns in Stauchitz war erst zum Jahreswechsel geschlossen worden.

Nun kann man der Sparkasse nicht die Verantwortung für den Unfall geben ...

Nein. Aber die Sparkassen-Schließung ist wieder ein Beispiel dafür, wie die Infrastruktur auf dem Land zusammengestrichen wird. Das geht vor allem auf Kosten der älteren Leute – die dann eben zusätzliche Wege auf sich nehmen müssen und dabei Gefahren ausgesetzt werden.

Wo sehen Sie denn auf der B 169 besondere Gefahrenstellen?

Das geht schon an der Kreuzung mit der B 6 in Seerhausen los. Dann kommen die Kurven in Plotitz und Stösitz und schließlich die Bahnunterführung in Stauchitz, wo Lkw regelmäßig zurückstoßen müssen, um nicht aneinander hängen zu bleiben. Wir freuen uns ja darüber, dass es Industrie im Raum Riesa gibt – aber für den zunehmenden Lkw-Verkehr ist die B 169 durch unsere Dörfer einfach nicht gemacht.

Jetzt ist der für Sie entscheidende Bauabschnitt aber doch wieder im Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans gelandet. Ist das kein Trost?

Nicht wirklich. Ich sehe den Ausbau nicht vorankommen. Und das geht ganz klar auf Kosten unserer Anwohner: Die leiden unter der Schadstoffbelastung und könnten jedes Jahr ihre Fassaden neu streichen. Schallschutzfenster oder Lärmschutzwände gibt es ebenfalls nicht – weil die Trasse als Bestand zählt. Kein Wunder, dass meist nur noch die Alten in den Häusern an der B 169 aushalten. Junge Familien ziehen lieber woanders hin. Schon deshalb, um ihre Kinder zu schützen.

Gespräch: Christoph Scharf