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Der Harfenbaumeister

Nur zwei Harfenspezialisten gibt es in ganz Sachsen. Einer ist Wolf-Dietrich Poralla aus Radebeul. Er arbeitet für die Festspiele in Bayreuth und die Metropolitan Opera New York.

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© Norbert Millauer

Von Beate Erler

Er glaubt sogar, dass die Harfen ihn vor zwei Jahren wieder gesundgemacht haben. Zumindest die Arbeit an ihnen. Da war Wolf-Dietrich Poralla sehr krank, konnte kaum ein Stück gehen und bekam nur schwer Luft. Als es ihm etwas besser ging, fuhr seine Frau ihn wieder in seine Werkstatt. „Zu Beginn habe ich nur zehn Minuten gearbeitet und dann eine halbe Stunde Pause gemacht“, sagt er heute. Dann habe ihn die Ablenkung durch seine Arbeit, die er liebt, gesundgemacht.

Deshalb steht der 76-Jährige auch heute noch in seiner Werkstatt auf der Pestalozzistraße in Radebeul oder reist bis nach Chicago auf der Suche nach passenden Instrumenten. Außerdem muss sich ja jemand um den Erhalt der alten Harfen kümmern, denn in ganz Deutschland gibt es nur etwa 40 Werkstätten, die etwas mit Harfenbau, Handel und Restaurierung zu tun haben. Noch seltener sind Harfenbauer mit einem Meisterbetrieb. Wolf-Dietrich Poralla hat seinen seit 1978 in Radebeul.

Es ist ein kleines Häuschen, früher sein Schuppen, von dem aus die Instrumente an große Häuser und Spitzenmusiker in die ganze Welt gehen. Poralla steht neben einer Konzertharfe aus Chicago der Firma Lyon & Healy und tritt die mittlere der drei Pedalen. Auf der Mechanik bewegen sich einige der vergoldeten Rädchen. „Da stecken insgesamt 2 400 Teile drin“, sagt er. Kaum zu glauben, denn die Mechanik macht auf den ersten Blick nur einen kleinen Teil des großen Instruments aus. Um ihn herum stehen zurzeit noch sieben Konzertharfen der Firmen, die er restauriert und verkauft: neben Lyon & Healy aus Chicago, Salvi aus Italien und Aoyama aus Japan.

Sein Terminkalender ist bis Ende des Jahres voll, gerade ist er in Italien gewesen, nächste Woche kommt wieder ein Transport aus den USA und Italien im Hauptlager in Bonn an. Poralla wird die Instrumente selbst abholen.

Jetzt im August fährt er mit seiner Frau im Wohnmobil nach Schweden zu einer Harfenistin, die auf ihr restauriertes Instrument wartet.

Dass er einmal etwas mit Musik und Instrumenten machen wird, ist bei seinem Elternhaus irgendwie vorbestimmt. Die Mutter war erste Harfenistin in der Staatskapelle Dresden und Dozentin an der Dresdner Musikhochschule Carl Maria von Weber. Von ihr hängt ein Gemälde in seiner Werkstatt, das sie an der Harfe spielend zeigt. Der Vater war ebenfalls in der Staatskapelle Schlagzeuger. Als Kind bekam Poralla fünf Jahre Klavier- und drei Jahre Harfenunterricht. Dennoch interessierte ihn der Bau und die Technik der Instrumente mehr, als sie zu spielen.

Da es für den Beruf des Harfenbauers keine staatlich anerkannte Ausbildung gab und gibt, lernte Poralla in seiner Grundausbildung den Schlaginstrumentenbau. Ein artverwandter Beruf, denn auch Klanghölzer kommen dort zum Einsatz. In Berlin und Saarbrücken erlernte er an der Oberschule und im Praktikum den Beruf des Harfenbauers. Trotzdem arbeitete er erst viele Jahre, auch als Betriebsleiter, bei der bekannten Dresdner Apparatebau, die Schlaginstrumente wie Pauken und Trommeln herstellte.

Fast 40 Jahre ist er nun, vor allem als Restaurator der alten Instrumente, selbstständig und weltweit bekannt. „Uralte Harfen kann man so auf den neuesten Stand bringen“, sagt Poralla. Die Älteste, die er je restauriert hat, stammt aus dem Jahr 1889 und gehört heute einer schwedischen Solistin.

Poralla übernimmt vor allem die Endarbeiten. Er baut die Harfen wieder auf, nimmt Anpassungen vor und stellt die Kupplung der Pedale ein. Er kümmert sich aber auch um Lackierung, Bemalung und Vergoldung der Instrumente.

Zu seinen Kunden gehören zum Beispiel das Richard-Wagner-Festspielhaus in Bayreuth und die Metropolitan Opera in New York. Etwa 200 Harfen hat er pro Jahr irgendwie in den Händen. Nicht alle Arbeiten sind aber so aufwendig, dass sie ein halbes Jahr dauern.

Am schönsten an seinem Beruf ist für ihn, wenn er Musiker über Jahre mit seiner Arbeit begleiten und unterstützen kann. So kennt er einige seiner Kunden seit ihren Kindertagen. So wie die schwedische Harfenistin, der er jetzt ihre restaurierte Harfe persönlich übergeben will. „Wenn eine sehr gute Harfenistin nur ein mittelmäßiges Instrument hat, wird sie auch nie über die Mittelklasse hinauskommen“, sagt Poralla. Somit trägt er mit seiner Arbeit auch zum Erfolg seiner Kunden in aller Welt bei.