Merken

Bier mit unglaublicher Wirkung

Offensichtlich betrunken fuhr ein Mann zur Kita, um sein Kind abzuholen. Vor Gericht suchte er nun nach Erklärungen.

Teilen
Folgen
© Symbolbild/dpa

Von Yvonne Popp

Freital/Bannewitz. Schon die große Parklücke vor der Kindertagesstätte in Bannewitz hatte der Angeklagte kaum getroffen. Auch der anschließende Versuch, die Position seines Audi zu korrigieren, war fehlgeschlagen. Das rechte Hinterrad des Fahrzeugs stand nach wie vor auf der Bordsteinkante. Dem 60-Jährigen schien das dann auch herzlich egal zu sein. Er stieg aus, winkte ab und begab sich schwankend zum Eingang des Kindergartens. All das hatte ein junger Mann beobachtet, der am 14. Juli vergangenen Jahres zur selben Zeit wie der Angeklagte seine Kinder aus der Bannewitzer Einrichtung abholen wollte. „Ich hatte den Eindruck, dass der Fahrer des Audis betrunken war“, sagte er am Amtsgericht in Dippoldiswalde. Damals hatte sich der Zeuge, der übrigens Polizeibeamter ist, sehr beeilt, zusammen mit seinen beiden Kindern noch vor dem vermeintlich Betrunkenen wieder zurück am Auto zu sein. Und tatsächlich, der rote Audi stand noch da.

Verfolgung aufgenommen

Nur wenig später kam der Angeklagte mit seiner Tochter zum Parkplatz, stieg in sein Auto und fuhr Richtung Possendorf davon. Der Zeuge hatte zu dem Zeitpunkt bereits seine Kollegen im Lagezentrum der Polizei informiert.

Obwohl er nicht im Dienst war, folgte der Polizist dem roten Audi. Auf der kurzen Fahrt zu einem der Bannewitzer Ortsteile, so erinnerte sich der Zeuge, hatte das Fahrzeug vor ihm mehrfach die Mittellinie überfahren.

Kurz nachdem der Angeklagte sein Wohnhaus erreichte und dort seinen Wagen abgestellt hatte, war auch die Polizeistreife eingetroffen. Den Beamten gegenüber zeigte sich der Deutsche verwundert und behauptete, am Mittag lediglich eine Flasche Radeberger getrunken zu haben. Der noch vor Ort durchgeführte Atemalkoholtest zeigte aber einen Wert, der darauf hinwies, dass der Mann deutlich mehr Alkohol getrunken haben musste. Ein Bluttest ergab später einen Wert von 2,11 Promille.

Vor Gericht räumte der Beschuldigte ein, nicht ganz nüchtern gewesen zu sein, als er zur Kindertagesstätte in Bannewitz gefahren war. Er blieb aber dabei, lediglich ein Bier intus gehabt zu haben. Womöglich hätten ihn die starken Schmerzmittel, die er zu dieser Zeit eingenommen hatte, betrunken wirken lassen. Erst zu Hause, so behauptete der gelernte Gärtner dann, habe er weitere eineinhalb Flaschen Bier und zwei Schnäpse getrunken. Rein rechnerisch ergibt das aber laut Gericht einen Nachtrunk von rund 0,8 Promille.

Sturztrunk zu Hause?

Sowohl die Polizeibeamten als auch die Gutachterin halten das für wenig plausibel. Zu kurz sei die Zeit gewesen, die dem Angeklagten dafür zur Verfügung gestanden hatte. Denn zwischen seiner Ankunft zu Hause und dem Eintreffen der Polizei waren nur wenige Minuten vergangen. Ein regelrechter Sturztrunk hätte da stattgefunden haben müssen, erklärte die forensische Toxikologin vor dem Amtsgericht in Dippoldiswalde.

Dagegen spricht der Befund aus dem Krankenhaus Freital. Der Arzt, der dort auch die Blutentnahme vorgenommen hatte, konnte außer Alkoholgeruch keine nennenswerten Ausfallerscheinungen beim Angeklagten feststellen. Auch bei einem Menschen mit hoher Alkoholgewöhnung hätten diese nach einem Sturztrunk feststellbar sein müssen. Zusätzlich merkte die Gutachterin an, dass, wenn man von einem Nachtrunk der angegebenen Menge ausgeht, immer noch ein Wert von gut 1,3 Promille bleibt. Die Erklärung, wie dieser am Tattag zustande gekommen war, blieb der Angeklagte schuldig.

So hielt das Gericht dann auch den Nachtrunk für eine Schutzbehauptung. „Warum hätten Sie sich denn im Nachgang so betrinken sollen?“, fragte Richterin Daniela Höllrich-Wirth den bisher strafrechtlich völlig unauffälligen Mann. „Sie wussten doch zu dem Zeitpunkt gar nicht, dass Sie bei Ihrer Trunkenheitsfahrt beobachtet worden waren.“

Wegen vorsätzlicher, fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilte sie deshalb den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 2 100 Euro und einem Entzug der Fahrerlaubnis von einem Jahr. Zudem muss er die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen.