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Betäubt und vergewaltigt

Ein Rettungssanitäter hat sich auf perfide Weise an Frauen vergangen, trotzdem kommt er mit Bewährung davon.

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© Christian Essler

Von Stefan Schramm

Ein gepflegter und gutaussehender junger Mann, ruhig, sachlich. Der typische Vergewaltiger, sofern es so jemanden überhaupt gibt, saß in den vergangenen Wochen jedenfalls nicht auf der Anklagebank im Bautzener Landgericht. Und die Tat war auch nicht die klassische KO-Tropfen-Nummer, wie sie sich ab und an schon in Diskotheken abgespielt haben mag, obgleich beruhigende Medikamente zum Verschleiern von Sexpraktiken eine Rolle spielten.

Das sagte die Vorsitzende Richterin Carmen Becker am Montag in der Begründung des Urteils der Großen Strafkammer. Und das fiel relativ mild aus. Zwei Jahre Haftstrafe auf Bewährung erhielt Matthias R. wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung in zwei nachgewiesenen Fällen.

Angeklagt waren ursprünglich acht Fälle. Die Staatsanwaltschaft legte dem Bautzener Rettungssanitäter zum Prozessbeginn am 25. Februar zur Last, eine Arbeitskollegin fünfmal und eine andere Frau dreimal vergewaltigt zu haben. Bei Letzterer handele es sich um die ehemalige Lebensgefährtin des 30-Jährigen, von der er sich im Oktober 2013 getrennt hatte. Dennoch hatten Beide danach noch mehrfach einvernehmlich Sex. Offenbar wollte sie die feste Beziehung zu ihm wieder aufnehmen und er wusste dies für sich auszunutzen. Die Taten spielten sich in der Zeit vom Februar bis zum Juli 2014 ab.

Der Mann soll sein Opfer zu sexuellen Handlungen und zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben, nachdem er der Frau unbemerkt und ohne ihre Zustimmung ein Medikament namens Midazolam verabreicht haben. Im Rettungsdienst dient es als Bestandteil der Narkose, intensivmedizinisch wird es auch als Beruhigungsmittel verabreicht. Es ist verschreibungspflichtig und kann das Bewusstsein und das Erinnerungsvermögen außer Kraft setzen.

Genau das wollte der Mann der Kammer zufolge auch bezwecken: Sein Opfer sollte die sexuellen Handlungen zulassen und gegen den eigenen Willen sogar selbst durchführen. Bei der ersten nun als erwiesen angesehenen Tat im Februar 2014 in seiner Wohnung nahe der Bautzener Friedensbrücke habe Matthias R. der Frau das Medikament in ein Wodka-Feige-Mixgetränk geschüttet, bei der zweiten Tat an gleicher Stelle in einen Cola-Whisky-Mix. Zwar habe sie einen ungewöhnlich bitteren Geschmack wahrgenommen, die gefährlichen Cocktails aber ausgetrunken. Als sie schließlich bewusstlos war, sei Matthias R. über sie hergefallen, um seine sexuellen Neigungen auszuleben. Die seien von seiner starken Dominanz beim Geschlechtsverkehr geprägt gewesen, ließ die Richterin durchblicken. „Je hilfloser die Frau, desto besser für ihn“, fasste Carmen Becker am Montag zusammen.

Der Angeklagte hatte schon am ersten Verhandlungstag umfangreiche Einblicke in sein von vielen Frauenkontakten bestimmtes Sexualleben gegeben. Unter anderem hatte er auch erklärt, zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt im Februar seinem Opfer keine Verletzungen beigebracht zu haben, während es betäubt gewesen sei. Die Kratzspuren und Hämatome im Brustbereich der Frau hätten viel mehr von einem einvernehmlichen sexuellen Kontakt gestammt, den Beide ein paar Tage zuvor gehabt hätten. Eine Sachverständige grenzte den Entstehungszeitraum der Verletzungen jedoch auf die Tatzeit ein. Die Schilderungen des Opfers über seinen Zustand nach der Verabreichung des Medikaments stimmten zudem mit der Wirkung von Midazolam überein, das sich überdies in Haarproben der Frau nachweisen ließ.

Auf seiner damaligen Arbeitsstelle, der Bautzener Rettungswache des Deutschen Roten Kreuzes, das ihn mittlerweile entlassen hat, hatte Matthias R. Zugang zu dem Medikament. Eine mögliche dritte Tat gegenüber seiner Ex-Freundin ließ sich nicht nachweisen, da sich in diesem Fall auch Alkohol- und Drogenkonsum auf ihren Bewusstseinszustand ausgewirkt haben dürften. Freigesprochen wurde Matthias R. zudem in fünf weiteren angeklagten Vergewaltigungen nach gleichem Muster, denen er sich laut Anklage im Sommer 2014 gegenüber seiner Arbeitskollegin schuldig gemacht haben soll. Auch dort waren Alkohol und Haschisch im Spiel. Aus Videos, die Matthias R. von diesen sexuellen Kontakten gedreht haben soll, gehe zudem ein eigenbestimmtes Handeln der Frau hervor.

Zu seinen Gunsten berücksichtigte das Gericht strafmildernd, dass er nicht vorbestraft ist und seit September 2014 in Untersuchungshaft saß. Unmittelbar zuvor war die Sache aufgeflogen, als er – von seiner Ex-Freundin mit den Vorwürfen konfrontiert – die Taten in der Anwesenheit mehrerer Zeugen einräumte. Die Staatsanwaltschaft hatte für die Vergewaltigungen sieben Jahre Haft gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert.