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Begehrte Zweitakter

Diebe haben es im Landkreis Görlitz häufig auf DDR-Mopeds abgesehen. Ein Grund sind die steigenden Preise für die Gefährte.

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© Nikolai Schmidt

Von Matthias Klaus und Anja Beutler

Landkreis. Der Patient ist schon auf dem Behandlungstisch platziert. Die Seitendeckel sind abmontiert, der Akku abgeklemmt, dem ersten Eingriff mit Schraubenzieher und Schraubenschlüssel steht nichts im Wege. „Es gibt eben immer was zu tun“, sagt Andreas Bruß und lässt den Blick über die Innereien des roten Simson-Mopeds vor ihm schweifen. Seit 25 Jahren betreibt der Görlitzer seine Werkstatt an der Spremberger Straße. Andreas Bruß hat sich auf Zweiräder spezialisiert, mit und ohne Motor, verkauft, repariert, bietet Service an. Vor allem mit Simson-Fahrzeugen hat er immer wieder zu tun. „Ob S50, S51, Schwalbe – die Mopeds liegen seit Jahren wieder im Trend“, sagt Andreas Bruß.

Seine Kunden kommen dabei aus allen Altersgruppen. Von 15 bis 80, erzählt Andreas Bruß. Aber vor allem die jüngere Klientel hat das Mopedfahren offensichtlich wieder für sich entdeckt. Der Führerschein mit 15 Jahren und ein Gefährt, das immerhin eine Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometer draufhat und nur ein Versicherungsschild benötigt, das reizt augenscheinlich. Aber die DDR-Gefährte reizen eben nicht nur Mopedfreunde, sondern auch Langfinger. Immer wieder meldet die Polizei den Diebstahl von S51 & Co. Die Täter gehen dabei nicht zimperlich vor. Im Juli beispielsweise drangen Diebe in eine Tiefgarage an der Arndtstraße ein. Sie beschädigten dabei das Rolltor und stahlen ein S51 – obwohl es mehrfach gesichert war. Ebenfalls im Juli brachen Langfinger in acht Garagen in Reichenbach an der Schulstraße ein, stahlen unter anderem zwei S51. Auch ausgemachte Simson-Liebhaberstücke sind nicht sicher. Im September wurden aus dem Untergeschoss eines Mehrfamilienhauses an der Heilige-Grab-Straße zwei SR2 entwendet.

Laut Polizei werden Mopeds unter 125Kubikzentimeter Hubraum in den Kreisen Görlitz und Bautzen besonders gern gestohlen. Eine Verschärfung der Lage in jüngster Zeit kann Thomas Knaup, Sprecher der Polizeidirektion Görlitz, angesichts der Zahlen aber nicht erkennen. 2015 wurden 48 Mopeds im Landkreis Görlitz entwendet, im vergangenen Jahr 41. In diesem Jahr zeichnet sich ab, dass die Zahlen wohl wieder auf dem Niveau der Vorjahre liegen. Thomas Knaup rät, dass die Zweiradbesitzer doch in ein möglichst gutes Schloss investieren sollten. Zudem sollte das Gefährt immer an einem festen Gegenstand, wie einem Laternenmast, Baum oder Geländer befestigt werden. Dabei, so betont Thomas Knaup, ist mit Blick auf die Verteilung der Tatorte im Kreis davon auszugehen, dass es sich nicht nur um Täter aus den östlichen Nachbarländern handelt. Allerdings geht die Polizei davon aus, dass sich Tätergruppen zunehmend auf den Diebstahl von Mopeds spezialisiert haben, ob zum Weiterverkauf oder zum Ausschlachten als Ersatzteillager. Da die Preise für gebrauchte Maschinen, ob restauriert oder auch nicht, rasant gestiegen sind, werden die Mopeds wohl auch in Zukunft im Visier von Dieben sein.

„Die Preisentwicklung ist schon eine verrückte Sache“, sagt Andreas Bruß. Nach der Wende seien ihm Mopeds geschenkt worden. „Manche boten mir sogar Geld, nur damit ich ein Fahrzeug abnehme“, erinnert er sich. Heute kostet bei ihm ein fahrtüchtiges S50, S 51 um die 1000 Euro. Bei Internethändlern werden diese Preise locker übertroffen. Wer dort ein perfekt aufgebautes altes neues DDR-Moped kaufen will, kann bis zu 3000 Euro loswerden.

Die Ersatzteillage ist dabei nicht problematisch, sagt Andreas Bruß. Er ordert bei einem Großhändler in Suhl. „Die originalen Altbestände sind natürlich weg“, sagt Andreas Bruß. Heute werden „originale“ Ersatzteile in Fernost produziert. Sie sind vom Ursprungsteil nicht zu unterscheiden, jedenfalls äußerlich gibt man sich Mühe im Detail. Andreas Bruß packt einen nagelneuen Zündschalter aus: „Gucken Sie mal!“ Tatsächlich, auf der metallenen Grundplatte ist „DDR“ eingraviert. Halten denn diese Neuteile so lange wie das Original? Andreas Bruß zuckt mit den Schultern. „Das wird sich zeigen“, sagt er pragmatisch.

Dann macht sich der Experte wieder ans Werk, der rote Simson-Patient wartet. Der Job wurde ihm wohl in die Wiege gelegt wurde: Sein Opa war ab 1923 als Zündapp-Schneider bekannt, der Vater führte das Geschäft weiter. Zu DDR-Zeiten wurde es zur PGH, es folgte ein Autohaus und nach der Wende übernahm Andreas Bruß. Ohne Autohaus, dafür mit Leidenschaft zum Zweirad.Auf ein Wort