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Attackiert von einem Dreijährigen

Der Junge fährt einem Mann mit dem Laufrad in die Hacken. Der Radeburger stellt ihn zur Rede. Die Eltern üben Selbstjustiz.

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© Symbolbild/Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Meißen. Für solche Eltern gibt es einen Begriff: Helikoptereltern. Sie gehen förmlich in die Luft, wenn irgendetwas mit ihren Kindern ist, ihnen tatsächliches oder vermeintliches Unrecht geschieht. Doch das 35 und 33 Jahre alte Ehepaar aus Radeburg belässt es nicht beim In-die-Luft-gehen. Beide üben Selbstjustiz und schlagen zu. Nun sitzen die Frau wegen gefährlicher Körperverletzung und der Mann wegen Körperverletzung und Beleidigung vor dem Meißner Amtsgericht. Die Frau soll einen 53-jährigen Radeburger mit ihrem Motorradhelm geschlagen haben, sodass dieser blutete. Ihr Ehemann soll ihm dann noch einen Schlag ins Gesicht verpasst und ihn beleidigt haben.

Vorausgegangen war ein Vorfall mit ihrem dreijährigen Sohn. Der spielte an einem Sonntagnachmittag mit seinen beiden zwölf Jahre alten Geschwistern, fuhr dabei dem Radeburger mit seinem Laufrad in die Hacken. Der Mann reagierte nicht, ging auf die andere Straßenseite und wollte in sein Grundstück. Da sei ihm der Junge hinterher- und erneut absichtlich in die Hacken gefahren. Er habe ihn daraufhin am Kragen gepackt und gesagt, dafür könne er sich eigentlich entschuldigen, worauf das Kind laut zu schreien anfing.

Die Brüder riefen daraufhin die Mutter an, die mit dem Moped angefahren kam. Sie soll abgestiegen sein, den Helm abgesetzt und sofort auf den Mann eingeprügelt haben. Später kam auch noch ihr Mann hinzu. Er soll den Geschädigten provoziert haben mit Worten „Schlag doch zu. Da bist zu feige, vergreifst dich bloß an kleinen Kindern.“ Doch der Mann schlägt nicht zu, vergräbt die Hände in den Hosentaschen, „damit nicht etwas ganz Schlimmes passiert“, wie der Straßenbauer vor Gericht sagt. Dafür schlägt der Vater des Jungen zu.

Die Eltern sehen sich nicht als Täter, sondern als Opfer. Ihr Sohn sei von dem Mann gewürgt worden, bis er keine Luft mehr bekommen habe, sagt die Mutter. Als sie ankam, habe ihr Sohn gezittert vor Angst, sei kreidebleich gewesen und habe noch Würgemale am Hals gehabt. Außer der Mutter hat das aber niemand gesehen, auch ein Polizist nicht. „Der Junge war mopsfidel, spielte mit seinen Brüdern, als wir ankamen“, sagt er.

Die Eltern des Dreijährigen sind keine unbeschriebenen Blätter. Die Mutter wurde schon viermal verurteilt, unter anderem wegen Vortäuschens einer Straftat, Drogenbesitzes, Diebstahls und Beleidigung. Noch ein paar Nummern schärfer ist der Vater. Der fasste fünf Strafen ab, unter anderem eine Haftstrafe von fünf Jahren und neun Monaten wegen räuberischer Erpressung, Drogenhandels, unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Waffe.

Staatsanwältin Claudia Jentzsch sieht weder eine Notwehr- noch eine Nothilfesituation. „Sie haben Rache genommen, Selbstjustiz geübt. So etwas sieht unser Gesetz nicht vor“, sagt sie und fordert für die Frau eine Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung, für den Mann eine Geldstrafe von 1 800 Euro.

Die Verteidiger hatten wegen der Körperverletzungen Freispruch gefordert. Nicht ihre Mandanten, sondern der Geschädigte habe sich strafbar gemacht. „Er kommt davon, obwohl er ein dreijähriges Kind angegriffen und vor Gericht die Unwahrheit gesagt hat“, so der Verteidiger Professor Endrik Wilhelm. Richterin Ute Wehner folgt dieser Argumentation nicht. Sie verurteilt die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung im minderschweren Fall zu einer Geldstrafe von 1 800 Euro. Der Mann muss wegen Körperverletzung eine Geldstrafe von 600 Euro zahlen.