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Ärger um Moritzburger Hirsch Rudolf

Der Sohn des enthaupteten weißen Hirschs hatte schon vor seiner Geburt eine Patin. Jetzt gibt es plötzlich einen Neuen.

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© privat

Von Sven Görner

Moritzburg. Wenn Kerstin Bachner „ihren“ Rudolf ruft, kommt er angelaufen. Vielleicht erkennt er die 51-Jährige, die mehrmals im Jahr zu ihm kommt. Gut möglich aber auch, dass der Grund die leckeren Möhren mit saftigem Grün sind, die sie dem jungen Hirsch bei jedem Besuch im Wildgehege Moritzburg mitbringt.

Die beiden kennen sich schon lange. Seit gut dreieinhalb Jahren, seit der Geburt von Rudolf. Die Frau aus Stadt Wehlen ist die Patin des weißen Hirsches. Ihre Bereitschaft, diese zu übernehmen, hatte sie sogar schon erklärt, bevor das Tier am 17. Mai 2014 in Moritzburg geboren wurde.

Umso überraschter war Kerstin Bachner, als sie vor einem geplanten Besuch während der zurückliegenden Feiertage auf die Internetseite des zum Forstbezirk Dresden gehörenden Wildgeheges schaute und dabei feststellen musste, dass plötzlich nicht sie, sondern eine Kommunikationsagentur Weißer Hirsch aus Dresden als Rudolfs Tierpate genannt wurde. „Das hat mich natürlich nicht nur überrascht, sondern ich war auch entsetzt und verärgert“, sagt die Wehlenerin zur SZ. „Schließlich habe ich das Geld für die Patenschaft bis zum 14. September 2018 bezahlt. Das geht auch aus der mir vom Forstbezirk ausgehändigten Urkunde hervor.“ Zudem hatte die Frau dem Wildgehege vor vier Jahren mitgeteilt, dass sie die Patenschaft für den weißen Hirsch auf Lebenszeit übernehmen wolle. Auch der Hinweis von Wildgehegeleiter Rüdiger Juffa, dass der Hirsch in Gefangenschaft ein Alter von über 20 Jahren erreichen könnte, hielt sie von diesem Vorhaben nicht ab.

Denn der inzwischen schon recht stattliche Junghirsch ist etwas Besonderes. Nicht nur, weil er zum selten Weißen Rotwild gehört, dass Sachsens Kurfürsten einst für repräsentative Zwecke hielten und von dem es in Moritzburg bis 1945 Tiere gab.

Der kleine Hirsch ist auch der Sohn des imposanten Zuchthirsches, der in der Silvesternacht 2013 vermutlich zunächst mit einer Armbrust beschossen und dann wahrscheinlich noch lebend brutal enthauptet worden war. Den Kopf mit dem prächtigen Geweih hatten die Täter, die trotz intensiver Suche bisher nicht gefunden werden konnten, mitgenommen.

Kerstin Bachner hatte seinerzeit in der SZ nicht nur vom blutigen Ende des alten Hirsches gelesen, sondern auch von der Möglichkeit, dass es von ihm noch einmal Nachwuchs geben könnte. Spontan hatte sie zugesagt, über diesen die Patenschaft zu übernehmen. Egal, ob es ein männliches oder weibliches Tier wird. „Das es dann ein kleiner Hirsch war, hat mich natürlich besonders gefreut.“ Besteht doch so die Hoffnung, dass die zur Jahrtausendwende in Moritzburg mit seinem Vater wiederbelebte Zucht fortgesetzt werden kann.

Und auch der Name, den der kleine Stammhalter des Weißen Rotwilds von seiner Patin bekam, ist kein Zufall. Denn die Großeltern von Kerstin Bachner hießen Hirsch und ihr Opa Rudolf. Auch darum ist ihr viel an dieser Patenschaft gelegen.

Von der für die Patenschaften zuständigen Mitarbeiterin im Forstbezirk bekam die Wehlenerin auf ihre Anfrage die Antwort, dass man davon ausgegangen sei, dass die Patenschaft in diesem Jahr ausgelaufen sei, weil 200 Euro im September 2016 überwiesen worden waren. So viel kostet im Wildgehege aktuell eine einjährige Patenschaft für ein Wildtier. Zudem sei es üblich Patenschaften immer nur für ein Jahr abzuschließen. Das Problem dabei ist, dass die Mitarbeiterin offenbar nicht über alle Absprachen Bescheid wusste, da sie sich um die Patenschaften im vergangenen Jahr nur vertretungsweise gekümmert hat. Obendrein ist der Wildgehegeleiter seit Längerem erkrankt.

Für zusätzliche Verärgerung sorgte bei Kerstin Bachner die Bemerkung in der E-Mail des Forstbezirks, dass beim Ausstellen ihrer Patenschaftsurkunde wahrscheinlich ein Fehler unterlaufen sei, sie das Wildgehege für den eingetragenen Zeitraum aber weiter kostenfrei besuchen könne. „Meine Patenschaft ist weiterhin gültig. So steht es übrigens auch auf der Tafel mit den Namen der Tierpaten am Eingang des Wildgeheges. Man hätte dort nur mal drauf schauen müssen.“ Im Übrigen bestehe der Sinn einer Patenschaft für sie nicht im kostenfreien Besuch der Einrichtung, sondern vor allem im Kontakt mit dem Tier und zu anderen Paten. „Ich verlange, dass ich auch weiterhin über 2018 hinaus Patin bleibe, so wie es festgelegt wurde.“

Die Angelegenheit liegt nun auf dem Tisch des Forstbezirksleiters, der seit Donnerstag aus dem Urlaub zurück ist. Er sagte gestern: „Hier ist ein Fehler passiert, für den ich um Verständnis bitte. Wir werden mit der Patin eine Lösung finden.“