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Zweimal bellen heißt Ja

Dass Jupp Heynckes den FC Bayern retten darf, hat auch sein Schäferhund entschieden. Die Rückhol-Aktion erweist sich als absoluter Volltreffer.

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© Andreas Fechner/laif

Von Elisabeth Schlammerl

Schäferhunde sind lernwillig, heißt es. Aber es ist doch fraglich, ob Cando, derzeit einer der berühmtesten Schäferhunde Deutschlands, begriffen hat, was da Anfang Oktober passiert ist. Plötzlich gab es keine langen Spaziergänge mehr mit Herrchen im Schwalmtal, Herrchen war überhaupt nicht mehr da, bis zur Weihnachtspause kam es nur einmal ganz kurz vorbei.

Der Einschnitt war groß, als Jupp Heynckes im Herbst sein Rentner-Dasein aufgab, um den FC Bayern zu retten. Nicht nur für den neuen alten Trainer, sondern auch für die Daheimgebliebenen, die Familie und die Tiere, wovon es auf dem Bauernhof genügend gibt. Frau Iris hatte natürlich ein Mitspracherecht, ob sich Heynckes überreden lassen soll zum Comeback, Cando angeblich auch. Unvorsichtigerweise hat der gleich zweimal gebellt, als Bayern-Präsident Uli Hoeneß und der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge vorgesprochen haben nach jenem desaströsen Abend in Paris. Jedenfalls hat Heynckes die Entscheidungsfindung so beschrieben.

Heynckes hat seine Idylle im Schwalmtal nicht gerne aufgegeben. „Ich war“, sagte er, „sehr zufrieden mit meinem Leben“, dem Leben als Trainer außer Dienst. Aufzuhören am Höhepunkt nach dem Triple-Gewinn mit dem FC Bayern 2013, mit einem Erfolg also, der kaum zu wiederholen ist, erst recht nicht zu toppen, war eine kluge Entscheidung. Nicht alle Trainer erwischen den perfekten Abschied, Heynckes schon. Und dann kehrte er zurück, aus Freundschaft zu Uli Hoeneß, aus Verbundenheit zu jenem Verein, dem er sehr viel zu verdanken habe, wie er sagt.

Das Trainer-Comeback des Jahres begleiteten sorgenvolle Fragen: Hat Heynckes in seiner gut vierjährigen Pause die Entwicklung des Fußballs überhaupt verfolgt? Ist er physisch und mental mit seinen 72 Jahren noch fit genug für den kräfteraubenden Job? Und muss er nicht Angst um seinen guten Ruf haben? Immerhin schien der FC Bayern abgehängt von den Besten Europas, wie dieses 0:3 beim FC Paris St. Germain gezeigt hatte, die Niederlage, die zur Entlassung von Carlo Ancelotti geführt hatte. Einen Teil dieser Fragen, vor allem die zu seinem körperlichen Zustand, beantwortete Heynckes gleich selbst bei seiner Präsentation. Er sei jeden Morgen geschwommen, habe regelmäßig den eigenen Fitnessraum besucht und sei viel mit Cando spazieren gegangen. „Das Alter“, sagte er mit der Gelassenheit des Alters, „ist nur eine Zahl.“ Er habe einen Ruhepuls von 60, „und mein Geist macht mit“.

Die anderen Fragen beantworteten sich im Laufe der kommenden Wochen. Heynckes hatte sich in seinem Ruhestand nicht nur seiner Familie und seinen Tieren gewidmet, sondern ist stets dem Fußball verbunden geblieben. Nicht öffentlich als Experte oder Kolumnist oder Stadionbesucher, sondern er hat ihn daheim am Fernseher „aufmerksam verfolgt“, wie er betonte. „Auch wenn ich ein bisschen rausgewesen bin, weiß ich, wie Fußball funktioniert und wo man ansetzen muss.“ Er war auf der Höhe der Zeit, das zeigte sich schnell.

Heynckes hatte und hat nicht den Anspruch, den Fußball neu zu erfinden, auch beim FC Bayern erwartet dies niemand. Er ist kein Taktikfreak wie Pep Guardiola oder ein Systemtrainer wie Hoffenheims Julian Nagelsmann. Die Bayern-Mannschaft ist in die Jahre gekommen, aber sie hat noch immer Qualität. Es ging deshalb um Details. Er hat die Defensive stabilisiert, indem er Javier Martinez wieder ins defensive Mittelfeld versetzte und auf das Positionsspiel achtete, Trainingsumfang sowie -intensität wurden erhöht, weshalb die Spieler, wie Sportdirektor Hasan Salihamidzic bald fand, „wieder einen Fitnesszustand haben, der richtig gut ist“.

Und Heynckes trifft offenbar stets den richtigen Ton im Umgang mit den Spielern. Menschlich, mit Empathie, nach außen tiefenentspannt, aber intern klar und – wenn es sein muss – hart in der Sache. Disziplinlosigkeiten duldet er nicht, und als er Arturo Vidal im Oktober in einer körperlich schlechten Verfassung antraf und der Chilene kaum etwas unternahm, um das Defizit zu beheben, machte Heynckes dem 30-Jährigen deutlich, dass andere Spieler Vorrang hätten, wenn sich nichts ändere. Vidal verstand das Signal. „Jupp findet für jeden das richtige Wort“, sagt Salihamidzic.

Der neue alte Trainer hat es geschafft, die Spieler, die ihm Carlo Ancelotti in offenbar nicht bestem Zustand überlassen hatte, besser zu machen. Sven Ulreich legte seine Unsicherheiten des frühen Herbstes ab, sicher auch deshalb, weil ihn Heynckes extern und intern stützt. Der Torhüter und Vertreter von Manuel Neuer entwickelte sich deshalb in der Hinrunde zum Rückhalt für die Mannschaft. Der talentierte Kingsley Coman lernte dank Heynckes, mit mehr Ruhe die Bälle von außen vor das Tor zu flanken. Und als im Pokalspiel gegen Borussia Dortmund vor Weihnachten Franck Ribéry nach einer Stunde ausgewechselt wurde, wirkte der Franzose nicht unbedingt begeistert.

Im Mai ist Schluss, voraussichtlich

Es gab ja gute Gründe für die Entscheidung, Ribéry hatte gerade eine längere Verletzung hinter sich, da sind Muskeln besonders anfällig. Der Trainer hat dies dem Spieler womöglich erklärt, aber viel wichtiger war die Geste am Spielfeldrand. Heynckes hat ihn einfach in den Arm genommen. „Er hat es geschafft, den Spielern eine Top-Einstellung zu vermitteln, und die Spieler geben es ihm zurück“, sagt Salihamidzic.

Die Verpflichtung von Heynckes war vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Bayern-Verantwortlichen sich nicht einig waren bei der Beurteilung von Thomas Tuchel. Der frühere Dortmund-Coach war der einzig verfügbare Trainer Ende September, der den hohen Fußball-Ansprüchen der Bayern genügt hätte. Die Rückholaktion von Heynckes war ein Volltreffer. Deshalb würde Hoeneß den alten Kumpel gerne noch ein wenig länger halten, aber der ist bisher standhaft geblieben.

Das Rentnerdasein, beharrt Heynckes, ist nur vorübergehend außer Kraft gesetzt, bis höchstens Ende Mai. Cando soll nicht noch länger auf die regelmäßigen Spaziergänge mit Herrchen warten müssen.

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