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Zwei neue Bürgerräte für die Altstadt

Mario Gutowski und Alexander Lehmann wurden am Dienstagabend gewählt. Viele Einwohner waren aber nicht da.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Seit zwei, drei Monaten sind sie inoffiziell schon dabei und bringen sich aktiv ein, doch seit Dienstagabend ist es amtlich: Alexander Lehmann und Mario Gutowski sind gewählte ehrenamtliche Bürgerräte für die Altstadt. Und zwar die ersten überhaupt. Als das gemeinsame Gremium für Altstadt, Nikolaivorstadt und Klingewalde nämlich im November 2015 gewählt wurde, gab es zwar zwei Kandidaten aus Klingewalde und drei aus der Nikolaivorstadt, aber keinen Einzigen aus der Altstadt. So wurden damals die anderen fünf gewählt. Ein Nikolaivorstädter warf schon nach zwei Monaten aus Unzufriedenheit das Handtuch, übrig blieben also vier Räte.

Alexander Lehmann
Alexander Lehmann © Pawel Sosnowski/80studio.net

Mit der Neuwahl gibt es nun aus jedem Stadtteil zwei Räte und damit einen echten Gleichstand. Nur bei den Geschlechtern nicht: Nach wie vor bleiben im Bürgerrat die Männer unter sich. Alexander Lehmann ist 32 Jahre alt, lebt seit dem Jahr 2000 in der Altstadt, hat drei Kinder und arbeitet als Altenpfleger. Ihn stört, dass immer nur gemeckert wird. „Man muss stattdessen auch mal anpacken“, erklärt er seine Motivation, jetzt aktiv zu werden. Mario Gutowski ist 31 Jahre alt, in Leipzig geboren, in Delitzsch aufgewachsen und für sein Studium der Sozialen Arbeit 2009 nach Görlitz gekommen, sofort in die Altstadt. Inzwischen studiert er im Fernstudium Journalismus, aber in Görlitz ist er geblieben, weil er die Stadt so toll findet: „Eine perfekte Mischung aus Dorf und Stadt.“ Dass Görlitz Initiativen wie Bürgerräte startet, begrüßt er sehr: „Das ist wichtig für die Demokratisierung.“ Jetzt will er mit dafür sorgen, dass sich die Anwohner der Altstadt untereinander besser kennenlernen.

In der Nikolaivorstadt klappt das schon sehr gut – einer der Haupterfolge des Bürgerrates. Vor dem ersten Kennenlernfest im September wurden 650 Einladungen verteilt, 124 Leute kamen. „Es war ein wunderschönes Fest und wir haben ganz viel positive Resonanz bekommen“, sagt Bürgerrat Thomas Hain. Alle forderten die Räte auf, auch künftig solche Feste zu organisieren. Und siehe da: Zum „Nachglühen“ am 27. Dezember kamen trotz Kälte 80 Leute – zum Teil ganz andere als im September.

Auch in Klingewalde hat der Bürgerrat schon etwas erreicht: zuerst ein neues Verkehrsschild, später eine Sitzbank und eine finanzielle Zuwendung für ein Erlebniswochenende der Nachwuchs-Feuerwehrleute. „Die Feuerwehr ist der einzige Verein in unserem Ortsteil und wir sind froh, dass wir sie haben“, sagt Bürgerrat Mario Hülsenitz. Immerhin veranstalte sie mit dem Hexen- und dem Weihnachtsbaumbrennen jedes Jahr zwei Ereignisse, bei denen die Einwohner zusammenkommen: „Da wollen wir, dass uns die Feuerwehr noch eine Weile erhalten bleibt“, so Hülsenitz.

In der Altstadt, wo bisher kein Bürgerrat aktiv war, sind auch noch keine Projekte umgesetzt worden. Stattdessen sind aus dem Budget des Rates 1 500 Euro ans Straßentheaterfestival Viathea geflossen. Von dem Geld konnte eine Künstlerin bezahlt werden. Mit den beiden neuen Mitstreitern hoffen die Räte jetzt freilich auf eigene Projekte für die Altstadt. Doch auch sonst ist mangelnde Beteiligung der Einwohner für den Bürgerrat das Hauptproblem. Zur Wahl im Jahr 2015 kamen nur 50 von rund 4 600 Einwohnern der drei Stadtteile. Am Dienstag nahmen gerade mal 15 – plus fünf der sechs Räte – an der Bürgerversammlung teil. Die Stadtverwaltung hatte offenbar auch nicht mit mehr gerechnet – und den kleinen Kinoraum im „Offkino Klappe die Zweite“ als Versammlungsort ausgewählt. „Doch auch über das ganze Jahr hinweg ist die Beteiligung der Einwohner äußerst minimal“, klagt Bürgerrat Uwe Ulmer. Er würde sich viel mehr Anregungen aus der Bürgerschaft wünschen: „Stattdessen haben wir unser Budget im ersten Jahr zum Teil für Dinge ausgegeben, die wir uns selbst ausgedacht haben und angegangen sind.“ Das, so hofft er, solle sich ändern.

Unter den 15 Einwohnern funktionierte das am Dienstagabend schon ganz gut. Die Frage zum weiteren Ausbau der Rothenburger Straße zwischen Schlesischer Straße und Ortseingang Ludwigsdorf konnte die Stadtverwaltung direkt beantworten: Wenn das Geld da ist, wird 2018/19 gebaut. Zahlreiche andere Fragen der Bürger, etwa nach Anwohnerparken am Steinweg, einer Tempo-30-Regelung in Klingewalde oder den Besitzverhältnissen am dortigen Schloss, haben OB Siegfried Deinege und seine Amtsleiter zur Beantwortung mitgenommen. Und wer künftig weitere Fragen, Wünsche oder Anregungen hat: Die Bürgerratssitzungen sind öffentlich: immer am ersten Montag im Monat, 19 Uhr. Die Sitzungsorte variieren und werden auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht.