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Zuwachs für den Wald

Kinder pflanzen in Stannewisch Bäume. Nicht nur deshalb ist das Schulheim so beliebt – und lange im Voraus gebucht.

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© André Schulze

Von Constanze Knappe

Stannewisch. Bäume pflanzen oder auch fällen. Stadtkinder sind begeistert, was man im Wald so alles machen kann – wenn sie denn mit der Nase darauf gestoßen werden. Ralf Eichler, Chef des Waldschulheims in Stannewisch, schmunzelt bei dem Gedanken, wie groß die Augen mancher Kinder beim Füttern der Tiere im Wildgehege sind und wie viel Spaß sie bei den Spielen im Wald haben. „Raus geht es zu jeder Jahreszeit, bei schlechtem Wetter nur eben nicht ganz so lange“, erklärt der Förster.

Die Viertklässler aus der Grundschule Horka, die am Mittwoch vor Ostern abreisten, konnten gar nicht genug davon kriegen. Ihre Lehrerin kommt schon seit vielen Jahren mit ihren Klassen ins Waldschulheim. Da sie bald in den Ruhestand geht, hofft Ralf Eichler, dass sie andere Lehrer der Grundschule mit ihrer Begeisterung für die Einrichtung anstecken kann.

Ebenfalls zu den Stammgästen gehört die Fichte-Grundschule Neugersdorf. Deren Viertklässler pflanzten in der Woche davor 25 Bäume, darunter eine Fichte als Baum des Jahres. Die ersten kleinen Fichten kamen vor zehn Jahren in den Boden, im vorigen Jahr wurde eine von ihnen als erster eigener Weihnachtsbaum für die Waldschule gefällt. Auch Grünzeug für die Weihnachtsbastelei gab das her. Seit 1992 pflanzt jeweils eine Klasse im Frühjahr im Rahmen der Sächsischen Waldwochen neue Bäume, darunter Ahorn und Linden, deren Früchte gut für die Wildtiere sind.

Das Waldschulheim in Stannewisch ist eine Schule im Grünen. „Der Unterricht ist Pflicht und besteht aus einer Dreiviertelstunde Theorie und drei Stunden Aufenthalt im Freien. Da wird geforscht und gearbeitet“, sagt Ralf Eichler. Besonders beliebt bei den Kindern ist ein Besuch bei den Rangern in der Wolfsscheune in Rietschen. Und dem Ornithologen Horst Bieberstein merkt man seine 81 Jahre nicht an, wenn er Tierstimmen imitiert und über Tiere und Pflanzen des Waldes spricht.

Das Thema ist Bestandteil des Unterrichts der 4. Klasse wie auch das Leben an und in einem Teich. Aber welche Schule hat schon einen solchen nebenan? Wie Schule früher und das Leben damals überhaupt vor sich gingen, zeigen das Museum Daubitz und die Heimatstube Trebus. Und das viel besser, als man es in der Schule erklären könnte. Etliche Klassen schreiben am Ende der fünf Tage eine Abschlussarbeit, sodass die Lehrer gleich noch Noten in Sachkunde oder Biologie mitnehmen. Sie sorgen für Disziplin, für den Unterricht Ralf Eichler, sein Stellvertreter Carsten Heinz und eine weitere Mitarbeiterin. Alle drei sind zertifizierte Waldpädagogen. Vierte im Team ist „eine eigene Küchenfrau“. Besser geht’s nicht, davon ist Ralf Eichler überzeugt.

Dass er auch den Bus für die Fahrt zur Kulturinsel Einsiedel organisiert und sich die Lehrer um nichts kümmern müssen, dürfte zum Erfolg beigetragen haben. „Organisiere alles, da kommen sie gerne wieder“, hatte ihm seine Mutter als Biologielehrerin einmal empfohlen – und es funktioniert. Mit dem Gesamtpaket punktet das Waldschulheim Stannewisch in Trägerschaft des Staatsbetriebs Sachsenforst jedes Jahr aufs Neue. Bei Schulen der Region sowieso. Aber auch aus Dresden, Leipzig, Riesa und aus Thüringen reisen sie an. 1 000 Schüler übernachteten 2016 in Stannewisch, weitere 1 500 kamen als Tagesgäste zum Beispiel zu den Walderlebnisspielen.

Zur Arbeit von Ralf Eichler und seinem Team gehört jede Menge Spaß, ebenso dass er bei allzu lebhaften Kindern Grenzen setzt. Es schließt ein, auch mal zuzugeben, wenn er eine Frage nicht sofort beantworten könne. Dass er drei Kreuze macht, wenn eine Klasse wieder abreist, das sei ausgesprochen selten. Die letzten beiden Wochen in den Sommerferien sind Kitas vorbehalten. Gleich nach Ostern kommen Vorschulkinder der ASB-Kita Niesky und aus dem Hort in Horka und bleiben jeweils über Nacht. Der Chef des Waldschulheims freut sich darauf. Er sei jedes Mal beeindruckt, was manche in dem Alter wissen. Beim Nahrungskettenspiel kennen sich einige aus, wer da wen frisst. Das wissen nicht alle Grundschüler.

Das Waldschulheim ist so beliebt, dass die Einrichtung auf Monate voraus gebucht ist. Mehr noch: Jeweils am 1. September, ab 0 Uhr, läuft die Anmeldung für zwei Jahre später. 2017 für das Schuljahr 2019/2020. Spätestens 0.02 Uhr flattern erste E-Mails ins Haus. Die Hauptzeit von April bis Oktober ist besonders gefragt. Ralf Eichler fällt es nicht leicht, wenn er jemandem absagen muss. „Aber wenn es voll ist, ist es voll.“