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Zum Abreagieren in den Garten

Als grüne Direktkandidatin hat es Ines Kummer im Landkreis nicht leicht. Ihre Umweltpolitik kommt oft zu kurz.

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© Dirk Zschiedrich

Von Nancy Riegel

Freital. Oben Tomaten und eine einsame Wassermelone, unten ein buntes Potpourri aus Blumen. Ein kleines Bassin dazwischen, mit 3-D-Effekt, für das besondere Erlebnis beim Abtauchen. Der Kleingarten in Freital passt zu Ines Kummer. „Authentisch und ein wenig chaotisch“, sagt sie selbst – von sich jedenfalls. Wer in ihren Garten eingeladen wird, kann die Parallelen aber kaum übersehen. Auch wenn die 54-Jährige mit ihren blondierten Haaren, der modischen Kleidung und den getuschten Wimpern auch nicht wie die typische „Hippie-Grüne“ aussieht.

Selbergemachte Marmelade „mit Stückeln“ bekommt man bei einem Besuch in Ines Kummers Garten aufgetischt.
Selbergemachte Marmelade „mit Stückeln“ bekommt man bei einem Besuch in Ines Kummers Garten aufgetischt. © SZ/Nancy Riegel
Im Umweltzentrum Freital ist sie öfter zu Gast. Heute hat sie die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (l.) mitgebracht.
Im Umweltzentrum Freital ist sie öfter zu Gast. Heute hat sie die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (l.) mitgebracht. © SZ/Nancy Riegel

Ines Kummer will aber genau für diese Partei in den Bundestag einziehen. Als eine von acht Direktkandidaten im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hofft sie im September auf viele Kreuze neben ihrem Namen. Trotz Wahlkampf beginnt der Tag heute entspannt, mit Kaffee und selbst gemachter Marmelade. Es ist ein wenig ruhiger geworden um die Politikerin. Sie stört es nicht. Seit 2008 ist sie Vorsitzende des Grünen-Kreisverbandes und sitzt seit 2014 im Freitaler Stadtrat. Dieses Mandat brachte ihr Artikel in vielen Medien ein, zeigte ihr Gesicht im Fernsehen und sorgte so für Anfeindungen auf offener Straße. Als Widerständlerin gegen rechte Gewalt und Hetze geriet sie ins Fadenkreuz der Naziszene. Dass ihre Familie einen Jugendlichen aus Ghana bei sich aufnahm, schürte das Feuer zusätzlich.

Ihr 20-jähriger Pflegesohn Sammi ist mittlerweile weggezogen. Die eigenen Kinder von Ines Kummer sind erwachsen, es gibt auch schon mehrere Enkelkinder. „Ich finde es schade, dass der Fokus meiner Politik in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren nur auf den Flüchtlingen lag“, sagt sie. Schon seit 1998 ist sie bei den Grünen, Umweltschutz sei ihr „unheimlich wichtig“. Da passt ja das Kleingärtnern gut dazu, würde man meinen. Doch erst seit anderthalb Jahren bewirtschaften sie und ihr Mann hier die Beete. „Dabei kann man richtig gut Frust ablassen“, sagt sie und muss lachen. Es ist für sie aber auch ein Rückzugsort.

„Im Bundestag vermisse ich…“

Wenn über Freital, Heidenau und Pirna schlecht geredet wird, ist das nicht immer der geschärfte und differenzierte Blick auf die betreffende Kommune. In Pirna zum Beispiel hat sich in den letzten Jahren politisch eine Menge bewegt. Erst kürzlich fand der sechste Christopher Street Day statt und am Rathaus wehten Regenbogenfahnen. Wir müssen uns deshalb wieder mehr auf die positiven Ereignisse fokussieren. Da gibt es auch aus Freital und Heidenau einiges zu berichten. Allerdings sollte die negative, berechtigte Kritik Anlass sein, offensiv und gemeinsam für ein anderes gesellschaftliches Klima in den Kommunen zu agieren.

Die Entwicklung in der Region macht mich nicht glücklich, weil immer noch viel zu wenig für Klima- und Umweltschutz getan wird.

Im Bundestag vermisse ich vielleicht noch ein paar mehr Frauen. Mit einem Anteil von 36,5 Prozent sind wir da noch unterrepräsentiert.

Mit Angela Merkel würde ich über Menschenrechte, echten Klimaschutz und die EU diskutieren.

Wenn ich meinen Herausforderern einen Rat geben könnte, wäre das eher ein Wunsch. Nämlich, dass wir uns respektvoll und auf Augenhöhe begegnen.

Wenn ich beruflich etwas anderes machen würde, wäre ich Handwerkerin, auf jeden Fall etwas, wo Kreativität und Handarbeit gefragt sind.

Ich fühle mich am wohlsten, wenn es meiner Familie und mir gut geht. Auch meine Freunde sind für mich absolut wichtig.

Ein Vorbild für mich ist meine Großmutter Oma Emmi. Sie war eine starke, geradlinige Frau und liebevolle Großmutter. Viele ihrer Lebensweisheiten und Ratschläge beherzige ich heute noch. Sie hat großen Anteil an der Ausprägung meiner Wertvorstellungen.

Manchmal träume ich, mit dem Zug um die Welt zu fahren.

Am meisten ärgert mich, oder besser gesagt, ärgern mich mit Dünkeln behaftete oder arrogante Menschen.

Meinen Urlaub verbringe ich am liebsten mit Menschen, die mir wichtig sind, da spielt der Ort gar nicht mal eine so große Rolle.

Mein Lieblingsort im Wahlkreis ist der Permahof in Hohburkersdorf.

Am 24. September, dem Tag der Bundestagswahl, werde ich frühstücken, wählen gehen, zwischendrin immer mal Nachrichten hören, bei schönem Wetter sind wir im Garten. Auf jeden Fall werde ich den Tag mit meiner Familie verbringen. Und was am Abend passiert, weiß ich heute noch nicht.

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Zur Person

Ines Kummer wurde am 30. Dezember 1962 in Freital geboren. Dort wuchs sie auch auf und ging zur Schule. In der gleichen Stadt wohnen ihre drei Kinder. Sie und ihr Mann haben zwei Töchter und einen Sohn, die zusammen fünf Enkel in die Familie gebracht haben. Der 20-jährige Pflegesohn aus Ghana lebt mittlerweile in Nordrhein-Westfalen.

Ingesamt neunmal zog Ines Kummer innerhalb von Freital um. Seit neun Jahren lebt sie in Potschappel.

Ihre Eltern verstarben beide früh. Ihre Mutter war zunächst Kranführerin, später Verwaltungsmitarbeiterin. Ihr Vater war Elektriker.

Ihren Beruf wechselte sie mehrfach. Sie ist gelernte BMSR-Technikerin, war später als kaufmännische Angestellte und in Fitnessstudios tätig. Später schulte sie zur Fachinformatikerin um. Seit 14 Jahren arbeitet sie für Bundes- und Landtagsabgeordnete in Büros.

Zu den Grünen kam sie 1998. Sie kandidierte 2001 als OB in Freital. Seit 2001 war sie Sprecherin der Grünen im Weißeritzkreis, seit 2008 ist sie es im neuen Großlandkreis. (SZ/nr)

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Damit die Stadt, ihre Stadt Freital, auch für nachfolgende Generationen lebenswert ist, ist die Politikerin im Wahlkampf auch zu Gast im Umweltzentrum. Hier kennt man sich. Zur Begrüßung gibt es Umarmungen, danach Naschereien und Kaffee. Ines Kummer hat Gurken aus ihrem Garten mitgebracht. Und sie wird von Monika Lazar begleitet, der Grünen-Bundestagsabgeordneten aus Leipzig. „Was international beschlossen wird, muss auf kommunaler Ebene umgesetzt werden“, sagt Kummer und bezieht sich auf die Agenda 2030. Diese wurde von den Vereinten Nationen verfasst und enthält internationale Ziele für eine nachhaltige Entwicklung.

Eines dieser Ziele hat das Umweltzentrum als Grundlage für das Projekt „Enkeltaugliches Freital“ genutzt. Ines Kummer hört zu, und es gibt vieles, worüber sich die Teilnehmer der Gesprächsrunde ärgern. Dass immer mehr Grünflächen in der Stadt verschwinden, dass Radfahrer gefährlich leben, dass kaum noch Nistkästen gebaut werden. Die Direktkandidatin verspricht Hilfe, schlägt Baumspenden vor, will bei dem Einholen von Fördermitteln helfen. Wichtig sei, dass alle in der Stadt an einem Strang ziehen und dass sich die Ortsteile nicht mehr länger als eigenständige Dörfer sehen. Darüber sind sich alle einig.

Hoffnung stirbt zuletzt

Später am Tag geht es für die 54-Jährige noch weiter ins Familienzentrum Regenbogen und zur Johannishöhe nach Tharandt. Das Umweltbildungshaus feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Solche Besuche bei Initiativen sind ihr am liebsten. Aber sie möchte auch andere Wege gehen, um Stimmen zu gewinnen. „Ich will ganz altmodisch den Wahlkampf an der Tür ausprobieren“, kündigt sie an und bekommt prompt eine Warnung von Monika Lazar: „Aber geh’ bloß nicht alleine!“ Sie, die seit 2004 im Bundestag sitzt, kennt Anfeindungen zur Genüge.

Ines Kummer lässt sich nicht abschrecken und zählt auf, wo sie neue Wähler gewinnen will. Freitals Stadtteil Pesterwitz ist dabei, Pirnas Altstadt, und der Sonnenstein. „Hier wohnen viele Flüchtlinge, und wenn die irgendwann mal wählen dürfen, sollen es die Grünen sein“, so ihre Logik. Im Hauptberuf arbeitet Ines Kummer in Pirna, als Ansprechpartner für Bürger im Büro der Landtagsabgeordneten Katja Meier.

Zur Arbeit nimmt sie immer die S-Bahn. Einen Auto-Führerschein hat sie sowieso nicht. Fürs Moped besaß sie mal einen, aber nicht lange, erzählt sie und muss bei der Geschichte lachen, die davon handelt, wie sie dem damaligen Abschnittsbevollmächtigten die Vorfahrt nahm. „Nicht so schlimm, ich komme fast überall mit dem Rad, zu Fuß oder den Öffentlichen hin.“ Was für sie nicht bedeutet, mit dem Ist-Zustand zufrieden zu sein. Als Kommunalpolitikerin ruft sie dazu auf, bei der Stadtplanung nicht nur an die Autofahrer zu denken, sondern auch an Fußgänger und Nutztiere wie die Bienen. Doch was kann man schon mit zwei Handvoll Sitzen in Stadt- und Gemeinderäten im Landkreis groß anfangen?

Im gleichen Atemzug könnte man Ines Kummer fragen, woher sie die Motivation für die Direktkandidatur nimmt. Ein Blick auf die Wahlergebnisse der letzten Jahre jedenfalls taugt nicht als Motivationsspritze, noch nicht einmal fünf Prozent konnten ihre beiden grünen Vorgänger erzielen. Ines Kummer sagt: „Gerade jetzt ist Demokratie so wichtig, wie schon seit Langem nicht mehr. Ich glaube an eine spannende Wahl.“ Optimistisch ist sie. Ob ihr das einen Zweitwohnsitz in Berlin einbringt, zeigt sich zur Wahl.