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Zu laut gefeiert - Kneipe dicht

Anwohner störten sich am Lärm der Kneipe Stilbruch in der Äußeren Neustadt. Die ist nun geschlossen. Den Konflikt gibt es im Viertel oft.

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© Sven Ellger

Von Gabriel Jira und Sarah Grundmann

Immer wenn eine Kneipe schließt, öffnet sich irgendwo eine Flasche Pfeffi. So steht es auf der Facebook-Seite der Kneipe Stilbruch. Auf der Böhmischen Straße hatten sich die Türen Ende Februar endgültig geschlossen – gerade mal ein halbes Jahr, nachdem der neue Betreiber Rafik Ferrag sie übernommen und erweitert hatte. Die Gründe für das Aus sind unklar. Zuletzt hatte der Gastronom allerdings Probleme mit den Nachbarn. Die Bewohner des Hofquartiers zwischen Bautzner und Böhmischer Straße hatten sich über die Lautstärke beschwert. Ausgeh- oder Wohnviertel? In der Neustadt ein häufiger Konflikt.

Das weiß auch Christian Rietschel, Vorsitzender des Eigentümer-Interessenverbands Haus und Grund. So gebe es beispielsweise auf dem Scheune-Vorplatz immer wieder lautstarke Auseinandersetzungen, die die Anwohner nerven. Die Neustädter würden sich vor allem über Biergartenlärm, Hupkonzerte und Betrunkene, die über die Straßen laufen, ärgern. „Jetzt, wenn es wärmer wird, wird die Zahl der Beschwerden wieder steigen“, sagt Rietschel. Die schnellte bereits im vergangenen Jahr dramatisch nach oben.

80 Beschwerden gingen bei der Stadt wegen gastronomischer Betriebe ein. Zuvor waren die Zahlen zwischen 2012 und 2015 kontinuierlich zurückgegangen, lagen zuletzt bei 45. Neustädter Zahlen kann das Presseamt nicht nennen. Geht eine Beschwerde ein, ist das Vorgehen der Stadt immer gleich: Zunächst wird abgeschätzt, ob sie berechtigt ist. Anschließend wird die Baugenehmigung zum Schallschutz überprüft. Gibt es diese und der Betreiber verstößt dagegen, wird er zum Gespräch gebeten. Bei wiederholtem Verstoß kann ein Bußgeld verhängt werden, im Schlimmsten Fall droht sogar die Schließung.

Das hat die Stadt beim Stilbruch zwar nicht veranlasst, der Betreiber hat freiwillig aufgegeben. Ein Gespräch mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes hatte es allerdings gegeben. Die hatten bei einer Kontrolle festgestellt, dass Auflagen aus der Baugenehmigung nicht eingehalten worden sind. Danach wurde es stiller. Genau darin vermutet Christian Chemnitzer die Gründe für das Kultkneipen-Aus.

„Der Betreiber hatte mit seinem Programm auf Tanz gesetzt“, sagt der Verwalter des Hofquartiers, aus dem die Beschwerden kamen. Das sei auch offenbar gut bei den Besuchern angekommen. Zum Leid der Bewohner sei es immer voll gewesen. Chemnitzer vermutet, dass sich der Betrieb nach Umstellung des Konzepts nicht mehr gerechnet habe.

Die Neustadt habe sich mit der Zeit verändert. Sie sei mit den Leuten erwachsen geworden. Auch im Hofquartier würden viele Leute wohnen, die schon als Studenten in das Szeneviertel gezogen seien. Mittlerweile hätten sie Jobs, ein festes Einkommen und Familie. Es gebe aber immer wieder Leute, die der Meinung sind, dass Wohlhabende in der Neustadt nichts zu suchen hätten. Das beweisen auch die Graffiti-Angriffe auf das Hofquartier, bei denen die Bewohner als Yuppies bezeichnet und wirsch zum Gehen aufgefordert wurden. „Diese Leute halten sich für die eigentliche Neustadt. Aber die eigentliche Neustadt sind jetzt die Wohlhabenden“, sagt Chemnitzer. Das müsste akzeptiert werden.

Das sehen viele Neustädter allerdings anders. „Im Szeneviertel wohnen wollen und dann die Szene nicht ertragen können“, kommentiert ein Nutzer den Konflikt zwischen Hofquartier-Anwohnern und Stilbruch-Betreiber auf sz-online und erntet von anderer Seite Zustimmung: „Wer in die Äußere Neustadt zieht, muss mit Kneipenlärm rechnen. Da hilft auch kein Neubau mit Lärmschutzfenstern.“

Heidi Morgenstern lebt seit zehn Jahren im Viertel und musste selber schon mehrfach umziehen, weil es ihr in manchen Wohnungen zu laut war. Ganz verlassen wollte die 35-Jährige die Neustadt aber nie. Wie die sich entwickelt, findet die Anwohnerin schade. „Die Mieten sind enorm gestiegen“, sagt sie. Deswegen gebe es immer weniger Studenten-WGs. „Auch die Geschäfte und Kneipen sind teurer als früher“, sagt Morgenstern. Es bleibe wenig Raum für originelle Läden und Bars. Die würden jetzt nach Löbtau und Pieschen ausweichen. Ob sich dort ähnliche Konflikte entspinnen, bleibt abzuwarten.