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Zittauer Innovationen

Bei Fraunhofer entsteht eine Windanlage im 3D-Druck. Mit solchen Entwicklungen kann das Institut weiter wachsen.

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© B. Gärtner

Von Jan Lange

Zusammen mit Studenten schrauben Professor Sebastian Scholz und sein Team an einer Windenergieanlage zur Stromversorgung von Haushalten. Schritt für Schritt wird aus den einzelnen Teilen eine ganze Anlage. Und bei der handelt es sich um eine besondere Entwicklung: Erstmals entsteht eine solche Kleinwindkraftanlage fast vollständig im 3D-Druck. Selbst die Nabe und Kugellager werden über dieses Verfahren hergestellt. Nur die Flügel sind nicht gedruckt, sondern aus naturfaserverstärktem Kunststoff hergestellt. „Das steigert die Festigkeit und macht die Rotorblätter besonders leicht“, erklärt Scholz. Er ist Gruppenleiter des Fraunhofer Kunststoffzentrums Oberlausitz in Zittau, das seit einem Jahr in dem Neubau am Stadtring direkt neben der Hochschule ansässig ist. Mit 3D-Druck und Leichtbau sind die Fraunhofer Mitarbeiter vertraut. Es sind die Schwerpunkte des Zittauer Forschungsinstituts, das 2011 seine Arbeit in der Mandaustadt aufgenommen hat.

...  in Zittau eine Windkraftanlage gebaut.
... in Zittau eine Windkraftanlage gebaut. © privat

Dass nun eine Kleinwindkraftanlage mit 800 Watt maximaler Leistung im 3D-Druckverfahren entsteht, ist Teil eines grenzüberschreitenden EU-Projektes der Hochschule Zittau/Görlitz mit der TU Liberec. Seit eineinhalb Jahren kooperieren die Bildungseinrichtungen miteinander, um die Kunststoffausbildung auf beiden Seiten zu verbessern. Um mehrere Hundert Prozent sei die Qualität der Lehre dank diesem Projekt gestiegen, findet Professor Scholz.

Die Zittauer profitieren vom Know-how der Liberecer, die über einen der ältesten Kunststofftechniklehrstühle Europas verfügen. Die Liberecer haben langjährige Erfahrungen bei den Spritzgussverfahren. Natürlich haben auch die Tschechen etwas von der Zusammenarbeit: Sie gewinnen Erkenntnisse im Leichtbau und im 3-D-Druck. „Jeder bringt sozusagen seine Vorzüge in das Projekt ein“, sagt Scholz. Von der Kooperation profitieren somit vor allem die Studenten. Gerade bei solchen Workshops wie der Herstellung einer Kleinwindkraftanlage im 3-D-Druck. Hier erleben die Studenten den kompletten Entwicklungsprozess vom ersten Bleistiftstrich bis hin zur fertigen Anlage.

Gut ausgebildete Nachwuchskräfte in der Kunststofftechnik werden dringend gesucht. Denn diese Branche ist heute schon die zweitstärkste in der Oberlausitz und gewinnt an Bedeutung, so Professor Scholz. Zusammen mit Böhmen gilt die Oberlausitz sogar als das Kunststoffzentrum Europas. Allein auf deutscher Seite gibt es hier fast 100 Betriebe in der Kunststofftechnik. Hinzu kommen etwa 170 Betriebe dieser Branche im Landkreis Liberec.

Genau darauf setzt auch Fraunhofer. Bisher mit Erfolg. Es konnten bis jetzt so viele Projekte akquiriert werden, dass sich das Kunststoffzentrum ab 2018 selbst finanzieren kann. Ganz am Anfang gab es eine Anschubfinanzierung vom Freistaat, die Ende 2015, also noch vor dem Umzug in den Neubau ausgelaufen ist. Eine weitere finanzielle Unterstützung gibt es von der Fraunhofer-Gesellschaft. Doch auch diese läuft Ende des Jahres aus. Ab Januar muss das Fraunhofer Kunststoffzentrum Oberlausitz komplett auf eigenen Füßen stehen. Und das tut es, wie Sebastian Scholz verkünden kann. Die 15 Mitarbeiter des Instituts können weiterbeschäftigt werden. Es ist sogar die Einstellung drei weiterer Wissenschaftler zu Beginn des nächsten Jahres geplant. Die Ursachen für das Wachstum trotz auslaufender Anschubfinanzierung sieht Scholz in den zahlreichen neuen Industriepartnerschaften, in den hervorragenden Forschungsmöglichkeiten im neuen Technikum und auch in seinem leistungsstarken Team.

Fraunhofer will auch künftig weiter wachsen. Doch so einfach ist das nicht möglich. Denn schon jetzt sind alle Arbeitsplätze belegt und einige Büros sogar überbesetzt. „Es ist zwar ein schönes Gebäude, aber leider zu klein“, so der Leiter des Kunststoffzentrums. Der Fraunhofer-Präsident, Professor Neugebauer, hatte bereits zur Einweihung des Neubaus vor einem Jahr erklärt, dass eine Erweiterung erforderlich sei. Der Anbau soll mit Geldern der Fraunhofer-Gesellschaft und des Wissenschaftsministeriums finanziert werden. Der designierte sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte sich dafür eingesetzt. Eine Entscheidung des Freistaates wird es wohl aber erst im Sommer 2018 geben, weist Scholz hin. Erst danach werde auch Fraunhofer über seine finanzielle Beteiligung beschließen.

Das mit EU-Mitteln geförderte Projekt der hiesigen Hochschule mit der TU Liberec trägt ebenfalls seinen Teil bei, dass die Forschergruppe am Zittauer Kunststoffzentrum weiter wachsen konnte. Es läuft noch bis Mitte 2019. Bereits heute findet im Rahmen dieses Projektes eine weitere Veranstaltung statt: Unternehmen der Kunststoffbranche aus Deutschland und Tschechien können sich vor Studenten beider Hochschulen vorstellen. So sollen sich beide Seiten kennenlernen und vernetzen. Das geschehe momentan noch zu wenig, findet Sebastian Scholz.