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Zehnkampf im Achteck

Frauen und Männer mixen diverse Künste. Sie steigen am 28. Oktober in der Messe Dresden zum dritten Mal in den Käfig.

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© Ronald Bonß

Von Maik Schwert

Uwe Korn kennt sich aus. In der DDR war er Judoka – ein ziemlich guter sogar. „Bezirksmeister“, sagt der Dresdner. Kurz vor der Wende lernte er Karate. Kurz danach wechselte der jetzt 47-Jährige zum Kickboxen und wurde sogar noch besser: „Sachsen- und deutscher Meister.“ Seit Ende der 1990er-Jahre betreibt er Mixed Martial Arts. MMA gibt es hierzulande erst seit der deutschen Einheit. Drei Kampfkünste beherrschte der selbstständige Bauunternehmer schon. Nun eignete er sich andere an. Boxen, Brazilian Jiu-Jitsu, Grappling, Kung-Fu, Luta Livre, Muay Thai, Ringen, Sambo und Vale Tudo gehören dazu.

Zwei Vergleiche fallen ihm ein: „MMA ist wie Zehnkampf in der Leichtathletik.“ Jeder habe seine Lieblingsstile und Techniken, die er nicht so gut könne. Das führt zu den Ursprüngen dieser Vollkontaktkampfsportart. Einst hieß die Frage: Boxer oder Ringer – wer ist der beste Kämpfer? Sie lässt sich laut Korn nicht so einfach beantworten: „Es gibt nicht die beste Kampfkunst, sondern nur den, der sie am besten mischt.“ Womit er bei seinem zweiten Vergleich ist: „MMA ist auch wie Schach. Die eigenen Fähigkeiten sind die Figuren. Die Kämpfer müssen sie so anwenden, dass sie ihren Gegner matt setzen.“

Gastgeber bereiten Trio vor

Korn arbeitet inzwischen als Trainer im MMA-Team Dresden und bereitet derzeit mit seinen Kollegen Lars Grundkowska, Hendrik Nitzsche und Sebastian Steinmann ein Trio im Verein Takedown in der Kleiststraße auf We love MMA am 28. Oktober in der Messe vor. Die Veranstaltungsreihe gastiert zum dritten Mal in der Halle 1. Die beiden bisherigen Auflagen waren annähernd ausverkauft: „Das sind schon Gänsehautaugenblicke, in so einer Arena vor etwa 2 000 Besuchern aufzutreten – egal, ob als Kämpfer oder Trainer. Da bin ich häufig aufgeregter als meine Schützlinge.“

Korn kennt auch die Klischees. Jahrelang genoss MMA in der Öffentlichkeit einen zweifelhaften Ruf: „Für Asoziale, stand häufig in der Klatschpresse.“ Von 2009 bis 2014 gab es ein Fernsehverbot. Bis heute tun sich TV-Anstalten schwer, MMA zu senden. Korn klärt auf und baut Vorurteile ab: „Sie stimmen nicht. Weder geht es brutal zu, noch darum, den anderen bloß umzuhauen. Dafür haben wir zu viel Respekt vor dem Gegner. Jeder weiß, wie es einem dabei ergeht.“ Schlimme Blessuren gebe es kaum. MMA sei eine der fairsten Sportarten, bei der zwei Menschen nur mit Händen und Füßen gegeneinander kämpfen.

Das beste Argument, dass das Bild von der unzähmbaren Kampfmaschine nicht stimmen dürfte, ist Korn. Er entpuppt sich als Feingeist, liest gerade ein Buch des Ökonomen Jeremy Rifkin aus den USA. Wenn Korn von seiner Karriere als Kämpfer und Trainer erzählt, strahlt er jungenhaft: „MMA trainiert den Körper wie kaum eine andere Sportart.“ Das treibt ihn an, und die Kombination aus diversen Künsten macht für Korn die Faszination aus: „Es geht darum, an seine physischen Grenzen zu kommen und seinen inneren Schweinehund zu überwinden. Dadurch gewinnen wir eine Selbstdisziplin, die sich auf das ganze Leben überträgt.“

Auch die Kämpfer, die er trainiert, beweisen, dass an den Klischees nichts dran ist. Es sind Ärzte, Handwerker, Kindergärtner, Kraftfahrzeugmeister, Pharmavertreter, Studenten oder Unternehmer, und keine Leibwächter oder Türsteher vor Nachtklubs. „Sie stammen aus allen sozialen Schichten“, sagt Korn – und den Altersgruppen von 18 bis 50 Jahre. „Wir sind wie eine große Familie.“ Als Trainer trägt er die Verantwortung – besonders, dass sie ihr Können nicht privat oder auf der Straße anwenden und Streit anzetteln. Doch Poser, Quertreiber und Schläger gibt es nicht.

Es gibt viele Regeln und Verbote

Wer auffällt, den schließt Korn aus. Außerdem gibt es das Achteck sowie viele Regeln und Verbote. Der Käfig ist aus Sicherheitsgründen notwendig. Dadurch können die Kämpfer nicht herausfallen – anders als Boxer im Ring. Außerdem ermöglicht das Oktagon, sich beispielsweise am Boden aus einem Griff zu befreien, indem man am Rand entlangläuft. Dessen Mindestmaße: sechs Meter Durchmesser, 1,8 Meter hoch, Boden und Polster jeweils drei Zentimeter dick. Amateure sind an den gefährlichen Stellen mit Polstern geschützt. Berühren mindestens drei Punkte des Körpers den Boden, darf der Gegner weder Fuß- noch Knietechniken zum Kopf ausführen.

Die Liste der Tabus ist lang. Sie beinhaltet gut 30 Handlungen, beispielsweise abwärts gerichtete Schläge mit der Spitze des Ellenbogens, anspucken, beißen, Fersentritte in die Nieren, Griffe oder Hebel an den kleinen Gelenken, Haare ziehen, kneifen, Kopfstöße, kratzen, Schläge zum Hals, Stiche mit den Fingern in Augen, Mund, Nasen, Ohren, Tiefschläge, Treffer am Hinterkopf oder an der Wirbelsäule und würgen. All das senkt die Verletzungsgefahr. „Natürlich bleibt ein Risiko – so wie in jeder anderen Sportart“, sagt Korn. Dafür gibt es auch beim MMA die Kampfrichter und Ringärzte. Sie greifen im Ernstfall ein.