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Wolf geht in Ebersbach spazieren

Richard Schulze wartet zwar noch auf die Entschädigung für sein getötetes Schaf. Aber die Entscheidung ist gefallen.

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© Kristin Richter

Von Catharina Karlshaus

Ebersbach. Inzwischen ist es ein offenes Geheimnis: Der Wolf hat Ebersbach noch nicht den Rücken gekehrt. Seitdem er – oder ein anderer seiner Artgenossen – Ende November vergangenen Jahres ein Schaf auf einer Weide unmittelbar hinter der Hauptstraße gerissen hat, haben ihn verschiedene Einwohner gesehen. Fotos, die auch der Sächsischen Zeitung vorliegen, zeigen den vermeintlichen Wolf in der Dunkelheit auf einer Wiese in Richtung Rödern stehen. Ein anderes Mal wurde der Vierbeiner mit einer Handykamera festgehalten. Das Tier läuft darin mit beachtlicher Geschwindigkeit einen Feldweg entlang – das Auto mit den filmenden Insassen hat auf der holprigen Strecke sichtlich Mühe, hinterherzukommen. „Das ist natürlich wirklich ein Ding! Der Wolf ist da. Mitten unter uns in Ebersbach“, sagt Richard Schulze und schüttelt den Kopf.

Einige haben schon Fotos vom vermeintlichen Wolf gemacht.
Einige haben schon Fotos vom vermeintlichen Wolf gemacht. © privat

Ein junger Mann, der gewissermaßen aus nächster Nähe mit dem Vorhandensein des Raubtieres konfrontiert wurde. In der Nacht vom 27. zum 28. November war auf der Wiese hinter dem elterlichen Dreiseitenhof eines seiner tragenden Schafe gerissen worden.

Das Bild, welches sich dem 25-Jährigen am Morgen geboten hat, trägt eine hungrige Handschrift: Auf dem angrenzenden Feld liegen verstreut Fellreste, Pansen, die Leber, Eingeweide und schließlich das tote Schaf selbst – beziehungsweise all das, was noch von ihm übriggeblieben ist. Vor dem niedergetretenen Elektrozaun, der die ehemals sieben Tiere eigentlich schützen sollte, stehen dicht gedrängt jetzt nur noch sechs. Verängstigt sind sie, während sich der Landwirt um Fassung bemüht. Die herbeigerufenen Experten des Landratsamtes Meißen bestätigen schließlich am frühen Nachmittag, was Familie Schulze schon geahnt hat. Auch wenn noch kein abschließendes Urteil gefällt wird. Derjenige, welcher hier Fell, Innereien und den abgenagten Körper nebst abgetrennten Kopf zurückgelassen hat, könne durchaus der Wolf sein. Nicht zu vergessen, die Spuren in der regenfeuchte Erde. Mit acht Zentimetern weißt das sogenannte Trittsiegel geradezu Gardemaße für die Vorderpfote eines Wolfes auf.

Nicht zuletzt deshalb hat Richard Schulze einen Antrag auf Entschädigung für sein Schaf beim Landratsamt Meißen gestellt. Laut sächsischer Regelung haben Halter von Schafen, Ziegen und Gatterwild nur Anspruch auf Schadensausgleich, wenn bei einem Wolfsriss der vorgeschriebene Mindestschutz vorhanden war. Als Mindestschutz gelten mindestens 90 Zentimeter hohe Elektrozäune – Stromnetze oder Litzenzäune mit mindestens fünf Litzen oder 1,20 Meter hohe, feste Koppeln aus Maschendraht, Knotengeflecht oder ähnlichem Material mit festem Bodenabschluss. Auch wenn Richard Schulze bisher noch kein Geld auf seinem Konto für das zu Tode gekommene Schaf verbuchen konnte, ist die Untersuchung mittlerweile abgeschlossen. Wie Sophia Liehn vom Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ am Mittwoch auf SZ-Anfrage sagte, sei in Ebersbach der Riss durch einen Wolf nicht auszuschließen. Während im Falle von drei toten Mufflons im Wildgehege Moritzburg am selben Tag noch kein Ergebnis vorliege – es fehle der notwendige Untersuchungsbericht des Landratsamtes Meißen – könne man Ebersbach zu den Akten legen. Richard Schulze habe Anspruch auf eine Entschädigung.

Eine Information, die der Schafhalter freudig, aber sachlich zur Kenntnis nimmt. Stimmungsmache gegen den Wolf ist trotz seiner Erfahrung nicht seine Sache. „Er ist nun einmal da und damit müssen alle umgehen. Wer es gut findet, soll das doch tun. Und wenn wir Tierhalter unsere Ängste haben, muss man das auch akzeptieren.“