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Wohnzimmer-Atmosphäre am Boulevard

Anke Reinländer musste mit ihrer Tagespflege von Oschatz nach Riesa umziehen. Bereut hat sie das nicht.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Wer die Tagespflege Seniorengarten betritt, der fühlt sich erst einmal an Großmutters Wohnzimmer erinnert: Massive antike Möbel stehen dort, alte Sessel, ein Grammofon. Allesamt Stücke, die Inhaberin Anke Reinländer selbst über die Möbelbörse besorgt hat. Jedes von ihnen ist im Grunde ein Einzelstück, sagt die Pflegedienst-Chefin und lächelt. Das Herz des Seniorengartens ist ein großer Aufenthaltsraum, der fast schon Saalgröße hat. Vom Plattenspieler dudelt Musik von Peter Alexander, verteilt an mehrere Tische sitzen mehr als ein Dutzend Senioren, spielen Karten- und Brettspiele. Ein älterer Herr hat es sich im Nebenraum auf einem der vielen Sessel bequem gemacht.

Sitz der Tagespflege an der Hauptstraße in Riesa.
Sitz der Tagespflege an der Hauptstraße in Riesa. © Sebastian Schultz

Seit Anfang des Jahres betreibt Anke Reinländer die Tagespflege an der Hauptstraße. Den alten Standort in Oschatz musste sie verlassen. Der Brandschutz sei nicht mehr auf dem neuesten Stand gewesen. Im Februar 2016 habe sie die Reißleine gezogen und den Entschluss zum Umzug gefasst. Eine Entscheidung, die sie nicht bereut hat. „Für uns bedeutet der neue Standort weniger Fahrtzeit von Nickritz aus, wo der ambulante Pflegedienst sitzt.“ Außerdem sei die Lage an der Hauptstraße günstig: „Das Krankenhaus ist nahe, man hat die Einkaufsstraße vor der Tür – bis zur Eisdiele ist es zum Beispiel nicht weit. Das heißt, hier kann ich mit den Gästen auch einmal raus gehen.“

Ehe Anke Reinländer aber mit ihrer Tagespflege einziehen konnte, wurde das erste Obergeschoss des Gebäudes umfangreich umgebaut. „Ursprünglich waren es eine Wohnung und Büros. Ich wollte aber mehr Platz.“ Also ließ sie eine Wand durchbrechen, schuf so das riesige „Wohnzimmer“. Dazu kamen noch Rauchmelder, Brandschutztreppen und -türen. „Die Genehmigung für die Umbauten kamen erst im September“ sagt Reinländer. „Und für den Dezember hatten wir zum Tag der offenen Tür eingeladen. Das war sportlich!“ Tatsächlich waren am Ende alle Gewerke gleichzeitig auf der Baustelle, erzählt sie. Eine stressige Zeit, doch der Termin ließ sich einhalten. Seitdem prangt nun das gelbe Logo des Unternehmens an der Fassade. „Gelb war schon immer meine Farbe“, erzählt Reinländer. Auch die Autos ihres Pflegedienstes strahlen gelb. „Wir fallen auf.“

Bis zu 23 Tagesgäste können sich im Seniorengarten wochentags von 7 bis 16 Uhr betreuen lassen. Direkt am Eingang hängen kleine Steckbriefe der „Stammgäste“, die regelmäßig den Tag im Seniorengarten verbringen. Der Bedarf ist groß, sagt Anke Reinländer. „Das Problem ist das Personal, denn daran fehlt es.“ Im Grunde hätte sie sofort Arbeit für qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, sagt sie. Es gehöre eben auch einiges dazu, sich um ältere Menschen zu kümmern. „Das sind ja alles gestandene Menschen, die etwas in ihrem Leben geleistet haben.“

Einfach Dienst nach Vorschrift, das wäre nichts für Reinländer, die seit 1999 mit ihrem Pflegedienst selbstständig ist. „Im Grunde ist das durch meinen Vater zustande gekommen“, verrät sie. „Der hatte in Radeberg eine Fahrschule und hat mir dazu geraten, es auch mit der Selbstständigkeit zu versuchen.“ Heute beschäftigt sie 33 Mitarbeiter, betreibt neben dem ambulanten Pflegedienst und der Tagespflege auch eine Senioren-Wohngemeinschaft. Rund 160 Patienten werden im Monat durch ihre Mitarbeiter betreut. Wie sich all das entwickelt hat, das sei 1999 noch nicht abzusehen gewesen. „Ich wollte eigentlich immer so sechs, sieben Mitarbeiter“, sagt Anke Reinländer und lächelt.

Allerdings hatte sie den Vorteil, viele Ärzte aus dem Klinikum zu kennen. Dort hatte sie acht Jahre lang auf der Intensivstation als Krankenschwester gearbeitet. Die Erfahrung aus dieser Zeit sei noch heute nützlich, sagt sie. „Es gibt hier in der Region zu wenig Pflegedienste, die intensivmedizinische Patienten versorgen.“ Wenn jemand nach einer Operation beispielsweise über eine Trachealkanüle im Hals atmen muss, dann werde sie oft von den Ärzten kontaktiert. „Wenn wir keinen Platz mehr haben, dann ist sehr häufig Weinböhla die nächstgelegene Alternative.“ Denn für viele andere Pflegedienste sei bei Intensivpatienten das Risiko zu groß.

Einige kleine Schönheits-Operationen stehen am Seniorengarten noch an. „Im Hinterhof der Tagespflege sollen zum Beispiel noch einige Bänke aufgestellt werden.“ Größere Bauprojekte möchte Anke Reinländer erst einmal nicht angehen, jedenfalls nicht als Bauherrin. Etwas anderes ist dagegen schon in Planung. „In die ehemalige DAK an der Hauptstraße soll eine weitere Senioren-WG kommen, die wir dann als Dienstleister betreiben.“