Von Gabriela Lachnit
Ebersbach-Neugersdorf. Es ist mit Abstand das größte Exponat der Sammlung, die das Heimatmuseum Ebersbach-Neugersdorf vorweisen kann: ein Modell des Ulmer Münsters. Die Ausmaße sind gewaltig, auch wenn es das reale Vorbild in Ulm nur im Maßstab 1:60 wiedergibt. Das Modell misst 2,70 Meter in der Höhe, ist 2,40 Meter lang und einen Meter breit. Es ist ein Werk des Neugersdorfer Hobbybastlers Wilhelm Hübner. In seinem Berufsleben war er Glasschleifer in Ebersbach und Neugersdorf und für seine äußerst genauen, filigranen Arbeiten sehr anerkannt. 1993 ist er im Alter von 83 Jahren gestorben.
Von 1934 bis 1965 verbaute er in rund 20000 Arbeitsstunden mehr als 4000 Einzelteile. Mit Ausnahme von drei Jahren, als Hübner im Zweiten Weltkrieg dienen musste, baute er mit Eifer an dem Modell. Daran kann sich auch Paul Hanus aus Bernstadt erinnern. Er ist der Schwager von Wilhelm Hübner. Er erzählt: „Mein Schwager hatte seine Liebe zur Bastelei schon früh entdeckt.“ Schon als Schuljunge habe er viele Laubsägearbeiten angefertigt. Auch größere Sachen waren dabei, berichtet Paul Hanus. 1934 begann er dann mit dem Ulmer Münster. Seine ältere Schwester habe ihn dazu animiert. Der kinderlose Wilhelm Hübner, seine Frau und seine Schwester lebten damals in der Nähe des Wasserturms in Neugersdorf in einer kleinen Wohnung. Eine Stube unterm Dach war das Bastelzimmer. Dort entstand auch das Modell. Als diese Stube jedoch als ein Kinderzimmer von einer anderen Familie im Haus benötigt wurde, musste Hübner seine Bastelarbeit aus Platzmangel verkaufen. Das Museum Zittau hat es angekauft. Zuvor war das gute Stück auf Ausstellungen zu sehen, darunter zweimal in Bautzen zu Weihnachtsausstellungen, die damals von 8000 beziehungsweise 17000 Menschen besucht worden sind, erinnert sich Paul Hanus. Später hat Zittau das Modell der Stadt Neugersdorf verkauft oder geschenkt, so genau weiß das niemand. Über den Verkauf des Münster-Modells durch Hübner nach Zittau gibt es keinerlei Unterlagen, auch keinen Kaufvertrag. Ansonsten hätten sich die Erben von Wilhelm Hübner bemüht, das Modell zurückzubekommen, weil er es zwangsweise verkauft hatte, da er die Dachkammer räumen musste, sagt Hanus heute.
Er hat in den vergangenen Jahren mehrfach versucht, für das Münster-Modell eine neue Bleibe zu finden. Seit 2005 weiß er, dass die Stadt Neugersdorf bereit ist, das Modell als Dauerleihgabe herauszugeben. Die Bürgermeisterin hatte dem Bernstädter damals auf eine Anfrage so geantwortet. Hanus ist bei der Suche nach einem Ausstellungsplatz nicht fündig geworden. Auch in Ulm hat er niemanden gefunden, der sich für das Modell interessiert.
Mögliche Orte für das Modell
„Eine derart künstlerische Bastelleistung sollte nicht in Vergessenheit geraten und der Öffentlichkeit dauerhaft präsentiert werden“, sagt Arne Uecker, Amtsleiter Finanzen in der Stadtverwaltung Ebersbach-Neugersdorf. Ihm untersteht auch das Heimatmuseum in der Oberlandstadt. In den Ausstellungsbereichen der Stadt bestehe wegen der Größe des Modells keine Möglichkeit zur Präsentation, sagte der Finanz-Chef. Und so fristet das Modell in einem städtischen Depot sein Dasein. Dort muss es aber bald raus. Wenn das Museum in wenigen Jahren an den Hofeweg 41 umzieht, müsste auch das Modell mit umziehen. Die Stadt möchte lieber zuvor einen Standort finden, an dem das Exponat dauerhaft ausgestellt werden kann.
Im Jahr 2010 sollte das Exponat im Heimatmuseum auf dem Schlechteberg schon einmal öffentlich gezeigt werden. Thomas May, der Museumsleiter, erinnert sich lebhaft daran: „Obwohl das Modell bereits in zwei Teile zerlegt war, ist es nicht gelungen, sie über die Treppe des Museums in den Ausstellungsraum zu bringen. Sie passten einfach nicht durch das Treppenhaus.“
Jetzt sucht die Stadt einen würdigen Ausstellungsplatz. „Wir würden das Ulmer Münster noch immer gern als Leihgabe einer öffentlichen Einrichtung, einer Kirche oder einem Museum überlassen“, betont Arne Uecker. Die SZ hörte sich einmal in der Spreequellstadt um und fragte bei Einrichtungen an, die öffentlich zugänglich sind, ob sie an der Ausstellung des Modells interessiert sind.
Kontaktdaten: Stadtverwaltung Ebersbach-Neugersdorf, Reichsstraße 1, 02730 Ebersbach-Neugersdorf, 035867630, [email protected]