Merken

„Wir sind keine Kriminellen“

Die Stadt Neustadt will neue Windräder am Wachberg verhindern. Eine vertane Chance, sagen die Investoren.

Teilen
Folgen
© Ronald Bonß

Neustadt. Umweltverschmutzung, Klimawandel und Erderwärmung sind Phänomene, die eigentlich niemand gutheißt. Auch die Neustädter nicht. Grünen Strom, produziert durch neue Windkraftanlagen am Wachberg, lehnt die Stadtspitze aber trotzdem ab. Das wird sie mittels einer Stellungnahme im nächsten Stadtrat verkünden, die sie an den Regionalen Planungsverband Oberes Elbtal übergeben will. Die, die hingegen nur darauf warten, dass die Genehmigung für die 200 Meter hohen Mühlen bei Rückersdorf erteilt wird, sind die Investoren, das Unternehmen Windstromer mit Sitz in Bockwitz bei Riesa. Die Firma plante, errichtete und betreibt derzeit unter anderem Anlagen bei Reichenbach, Colditz, Nossen und Schkeuditz. Rückersdorf wäre der östlichste Standort der Firma. Mit Geschäftsführer Ulrich Gumpert und Projektkoordination Dagmar Bergert sprach die SZ über den Widerstand, der ihnen in Neustadt entgegenschlägt.

Die beiden Windräder am Wachberg bei Rückersdorf.
Die beiden Windräder am Wachberg bei Rückersdorf. © Dirk Zschiedrich

Frau Bergert, Herr Gumpert, in Neustadt wird nach Jahren der Stille wieder Widerstand gegen Windräder laut – und sie als Investoren stehen im Fokus.

Gumpert: Das Wort „Investoren“ klingt so, als wären wir die Heuschrecken, die kommen und die Gegend leerfressen. So ist es nicht. Wir sind seit 1996 in Rückersdorf vor Ort, als die Planungen für unsere beiden Windräder begannen. Seitdem versuchen wir, mit der Kommune zusammenzuarbeiten. Aber der Widerstand ist noch immer groß, vor allem seitens der Bürgerinitiative.

Haben Sie in den letzten Jahren versucht, mit den Mitgliedern von „Wir für Rückersdorf“ zu sprechen?

Gumpert: Ja, aber das lehnt man kategorisch ab. Man wirft uns vor, wir wären „Kriminelle“. Das stimmt nicht! Die Mitglieder der Initiative können sich einfach nur schwer vorstellen, dass die Energiewende etwas Positives bringt. Es gibt zwar eine große, stumme Masse, die die Windräder nicht ablehnt. Aber Windkraftbefürworter müssen oftmals Angst vor einer „Hexenjagd“ haben – ja, so kann man es sagen. Dabei sind wir mit vielen Rückersdorfern im engen Kontakt, nicht nur mit denen, die uns Flächen verkauft haben, und mit einigen inzwischen sogar per Du.

Die Grundstücke, auf denen die neuen Anlagen stehen sollen, haben Sie also schon gekauft?

Gumpert: Ja, schon 1996 haben wir begonnen, uns Flächen am Wachberg zu sichern.

Bergert: Die letzten kamen vor ein paar Jahren dazu, als in der ersten Fassung des Regionalplans Rückersdorf erneut als Vorranggebiet genannt wurde.

Laut Regionalplan dürften Sie vier neue, 200 Meter hohe Mühlen hinstellen. Es wird gemunkelt, dass sie aber deutlich mehr bauen wollen.

Gumpert: Mehr als vier passen gar nicht hin, wegen der Mindestabstände. Die einzige Möglichkeit wäre, die beiden jetzigen Räder abzubauen und stattdessen ein großes Rad hinzustellen. Aber es steht noch nicht fest, ob wir die Kleineren zurückbauen, das müsste man genau berechnen.

Haben Sie mit der Stadt Neustadt über Ihre Pläne gesprochen?

Gumpert: Wir hatten die Stadt gebeten, uns noch vorm kommenden Stadtrat am 24. Januar einen Termin beim Bürgermeister zu geben – keine Chance. Erst danach wurde uns ein Termin angeboten.

Bergert: Man hat uns außerdem verweigert, dass wir Einblick in die Vogelschutz-Studien nehmen, die die Stadt jährlich erstellen lässt.

Welche Argumente pro Windkraft würden Sie anbringen? Also wie könnten die Rückersdorfer von den Anlagen profitieren?

Gumpert: Es gibt die Möglichkeit, als Stadt, als Verein oder als Privatperson in die Anlagen zu investieren und damit am Gewinn beteiligt zu werden, also eine Mitunternehmerschaft. Für die Neustädter wäre es eine vertane Chance, würden die Windräder ohne ihre Beteiligung gebaut werden. Außerdem könnte man Verträge mit bestimmten Stromversorgern aushandeln, dass die, die nah dran wohnen, weniger für den Strom bezahlen.

Bergert: Nicht zu vergessen die Gewerbesteuer, die wir Neustadt zahlen. Das sind jetzt etwa 20 000 Euro im Jahr. Da die neuen Mühlen mindestens zehnmal mehr Ertrag erzielen würden, wäre die Gewerbesteuer damit noch einmal deutlich höher.

Ein Argument gegen die Anlagen ist das Vorkommen von Rotmilanen und Fledermäusen, was auch in Gutachten bestätigt wurde.

Gumpert: Wir wollen keine „Kranich-Hechsler“ dorthin stellen! Es stehen schon zwei unserer Räder am Wachberg. Wir müssten doch ständig tote Vögel und Fledermäuse einsammeln, wenn die Gefahr wirklich so groß wäre. Man sollte ein mögliches Vogelschlagrisiko nie unbeachtet lassen, aber es besteht definitiv keine Populationsgefährdung.

Glauben Sie, dass die Stellungnahme dazu führen wird, dass der Wachberg keine Vorrangfläche mehr ist?

Gumpert: Wir hoffen natürlich, dass dieses chancenreiche Projekt nicht kippt. Der Wachberg ist ein guter Standort: Der Wind bläst dort gleichmäßig, sodass man eine hohe Leistung erzielen kann.

Und wenn es doch kippt?

Gumpert: Dann hätten wir viel Geld in den Sand gesetzt und eine große Chance für aktiven, wirtschaftlich sinnvollen Umweltschutz wäre vertan. Und dann kommt ein anderer Investor, der nicht wie wir schon seit 20 Jahren in Rückersdorf aktiv ist.

Das Interview führte Nancy Riegel.