Merken

„Wir machen den Beschiss mit“

Eltern und Lehrer kritisieren den massiven Unterrichtsausfall. Doch die Oberschule Hartha fällt aus dem Rahmen.

Teilen
Folgen
© Klaus-Dieter Brühl

Von Tina Soltysiak

Döbeln. Unterrichtsausfall freut Schüler prinzipiell. Häuft er sich, frustriert er die Kinder und Jugendlichen aber auch. Schließlich gehen die nicht gehaltenen Stunden zulasten ihrer Ausbildung. Das weiß Mittelsachsens Elternratsvorsitzender Peter Lorenz: „Mittlerweile ist es schon normal, dass durchschnittlich drei bis fünf Prozent der Stunden im Schulhalbjahr ausfallen.“ Als gravierendstes Beispiel nennt er das Johann-Mathesius-Gymnasium Rochlitz. „Dort sind ein halbes Jahr lang die wichtigsten Unterrichtsfächer ausgefallen.“ Dazu zählen unter anderem Deutsch und Mathematik.

Und auch im Lessing-Gymnasium Döbeln ist die Lage nach wie vor angespannt (DA berichtete). Im Altkreis steht jedoch auch die Schule mit dem geringsten Unterrichtsausfall in ganz Mittelsachsen: die Oberschule in Hartha. Woran das liegt? „Vielleicht haben wir einfach nur Glück, denn wir haben kaum Krankheitsfälle“, so Schulleiterin Kerstin Wilde. Sie führt das auf das gute Arbeitsklima in ihrer Schule zurück. Zu Ausfällen käme es meist nur dann, wenn sie Kollegen für Fortbildungen freistellt.

Prüfungszeit bindet viel Personal

Die Gründe für den Ausfall regulärer Stunden sind vielfältig: erkrankte Lehrer, Projekttage, Klassenfahrten, Lehrerstreik oder auch die Zeit der Abschlussprüfungen. Für Letztgenannte sind Lehrer für Aufsichten beziehungsweise die Abnahme der mündlichen Prüfungen eingeteilt.

Schulen melden den Unterrichtsausfall regelmäßig an die Behörden, sprich die Bildungsagentur Chemnitz. Im ersten Halbjahr 2015/16 waren im Agenturbezirk drei Prozent der Stunden außerplanmäßig ausgefallen – gegenüber dem Vergleichszeitraum 2014/15 ein leichter Anstieg. Im zweiten Halbjahr hatte sich die Situation noch einmal zugespritzt. Wie hoch die Ausfallquote im Landkreis oder gar an den einzelnen Schulen ist, wird nicht aufgeschlüsselt. Die Bildungseinrichtungen selbst halten sich mit Aussagen ebenfalls bedeckt. Hinter vorgehaltener Hand wird von hausgemachten Problemen gesprochen. Schließlich werde versucht, die Ausfälle irgendwie zu vermeiden beziehungsweise zu kompensieren, um im Sinne der Schüler zu handeln. Michael Jung, Regionalvertreter Chemnitz des Sächsischen Lehrerverbandes, hatte kürzlich gegenüber dem DA gesagt: „Am Ausfall sind wir selbst Schuld, denn wir machen den Beschiss mit.“

Lehrer nur stundenweise beschäftigt

Es gibt weniger Lehrer, gleichzeitig steigt die Schülerzahl. Auch das trägt zum Stundenausfall bei. Statistisch gesehen kamen im Jahr 2014/15 auf einen Lehrer 13 Schüler. Das geht aus dem Bericht „Statistisch betrachtet – Schulen in Sachsen 2016“ des Statistischen Landesamtes hervor. Ein weiteres Problem: Bei der Stundenplanung müssen die Beschäftigungsverhältnisse und die damit verbundene Zahl der zu unterrichtenden Wochenstunden berücksichtigt werden. Dem Bericht der Statistiker zufolge arbeitet gut die Hälfte der mittelsächsischen Lehrer Vollzeit. Rund ein Viertel der Lehrer sei jedoch nur stundenweise beschäftigt. Hinzu kommt die Altersstruktur. Im Landkreis liegt das Durchschnittsalter der Lehrer zwischen 49 und 51 Jahre. Das sei auch an der Harthaer Oberschule so, sagt Kerstin Wilde: „Ich habe drei Kollegen, die demnächst in Rente gehen. Der Großteil unserer Lehrer ist zwischen 50 und 60 Jahre alt.“

Unterrichtsausfall und fehlende Lehrkräfte seien Dauerthemen im Landeselternrat, so Peter Lorenz, der der Vorsitzende dieses Gremiums ist. Yvonne Fritsche, Vorsitzende des Kreiselternrates Bautzen, sagte kürzlich gegenüber der SZ: „Wir sehen es auch kritisch, dass das Kultusministerium jetzt an Gymnasien und Fachoberschulen die Stundentafeln kürzt und erklärt, man wolle damit die Schüler entlasten. Wir glauben eher, dass damit Lehrerstunden gespart werden sollen.“ Sie kündigte an, über den Landeselternrat Aktionen starten zu wollen. „Wir müssen Druck auf die Landesregierung machen“, sagt sie. „Der Lehrermangel ist ein politisches Problem, das auf politischer Ebene gelöst werden muss.“ (mit SZ/ju)