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Wildschweine auf dem Vormarsch

Die Borstentiere richten Schäden in der Landwirtschaft an. Kann die „Pille“ eine Lösung sein?

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© dpa

Von Constanze Junghanß

Andreas Raschke vom Hegering Friedersdorf bringt es gleich zu Anfang auf den Punkt: „Es gibt immer mehr Wildschweine“, sagt er. Und zwar so viele, dass die Jäger gar nicht mehr mit der Reglementierung hinterher kämen. Mittlerweile würden die Zahlen explodieren. Gründe dafür: Einerseits gebe es manchmal sogar zweimal pro Jahr Nachwuchs. Andererseits wären die Jungbachen, die im Februar und März geboren wurden, schon wieder geschlechtsreif. Das Resultat sind dann kleine gestreifte Frischlinge mitten im Sommer. „Wir selbst erlebten das in diesem Jahr bei der Rapsernte“, erzählt Andreas Raschke.

Das Überangebot an Nahrung auf den Feldern sei Hauptgrund für die wachsende Population. Mais in erster Linie. Und Raschke sagt, wenn Landwirte sogenannte Bejagungsstreifen im Mais frei lassen würden, kämen die Jäger an Bachen und Keiler besser heran. Doch nicht alle Bauern setzen das um. Dabei wies Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) darauf hin, dass seit diesem Jahr unbürokratische Regelungen zur Anlage solcher Schneisen in den Maisfeldern gelten. Dazu kommt: Nicht jeder Landwirt baut nur Mais an.

Beim Landwirtschaftsbetrieb Vetter in Mengelsdorf gingen die Wildschweine in die Kartoffeln. Sehr zum Ärger von Sabine Vetter. Zwar werden dann die Jäger informiert, aber das alleine hilft nichts. Ist der Jäger da, wären die bis zu 90 Kilogramm schweren Kolosse nicht selten über alle Berge verschwunden. Nur die mit den Rüsseln umgewühlten Stellen im Acker bleiben zurück. Um Abhilfe zu schaffen, hat der Landwirtschaftsbetrieb Pfähle gesteckt und Zäune gezogen. Ein zusätzlicher Aufwand, der trotzdem keinen hundertprozentigen Schutz bietet. Im Löbensmüher Erbsenfeld von Vetters hausten die Tiere so extrem, dass die erste Aussaat umsonst war. Ein zweites Mal mussten Vetters nachsäen. Dafür hat der Wolf die Muffel entweder gefressen oder vertrieben. Die Mufflons hätten, so Vetter, sogar noch mehr Schaden als die Wildschweine angerichtet. Am Borstentier vergreife sich Isegrim dagegen kaum. Das bestätigt Andreas Raschke. Nur gelegentlich steht Wildschweinfleisch auf dem Speiseplan vom Wolf. Nur wenn der Graubefellte eine günstige Gelegenheit bekomme, schnappt er zu. Ansonsten sind ihm die wilden Schweine wohl zu groß. Die Reglementierung der Überpopulation bleibe an den Jägern hängen.

„Geschossen haben wir schon sehr viele in diesem Jahr“, sagt Andreas Raschke. Die genaue Auswertung der Jagdsaison erfolgt erst 2018. Denn das Jagdjahr geht jeweils bis zum März. Aktuelle Zahlen gibt es also noch nicht von den Hegeringen.

Für das letzte Jagdjahr 2016/2017 liegen die Zahlen für den gesamten Landkreis Görlitz aber vor. Mit 4 280 erlegten Wildschweinen stellen die Jäger im Landkreis Görlitz keinen neuen Spitzenwert auf. In der vorangegangenen Jagdsaison waren es 4 607 Schwarzkittel, die geschossen wurden. Im gesamten sächsischen Vergleich sieht das anders aus: Die Jäger brachten im abgelaufenen Jagdjahr von April bis März 33 258 Wildschweine zur Strecke. Dreimal so viel, wie noch vor 25 Jahren und damit ein zahlenmäßiger Rekord.

Die Population des Schwarzwildes nehme im südlichen Kreis genau so rasant zu, wie anderswo in Sachsen, schätzt Detlef Eckert, Vorsitzender des Jagdverbandes Oberlausitz. Die Gefahr von Tollwut und Schweinepest sei dann groß. Laut Robert-Koch-Institut trat der letzte Tollwutfall in Deutschland im Februar 2006 bei einem Fuchs im Raum Mainz auf. Impfköder wurden bis 2008 ausgelegt. „Nach internationalen Kriterien sind weitere Impfaktionen in Deutschland somit nicht mehr erforderlich“, heißt es vonseiten des Instituts.

Ein anderer Erreger ist dagegen auf dem Vormarsch. Die Amerikanische Schweinepest trat in Tschechien auf. „Nur 300 Kilometer von uns entfernt“, sagt Andreas Raschke. Es sei nicht auszuschließen, dass sich diese Erkrankung weiter verbreitet und damit auch die Görlitzer Region erreicht. Zwar gilt die Amerikanische Schweinepest als nicht gefährlich für den Menschen. Doch wer in dem Fall die Kadaver aus dem Wald holt und wie diese zu entsorgen sind, sei noch unklar. Weiteres Problem: Die Krankheit ist auch auf Hausschweine übertragbar. So oder so sei die Überpopulation der Wildschweine allein von Jägern nicht mehr zu meistern. Andreas Raschke wünscht sich neue Methoden, die aber zunächst das Gesetz passieren müssten. „Geburtenregelung“ ist dafür das Zauberwort. Mit einer Art „Pille“ für Wildschweine könnte deren Vermehrung eingedämmt werden. Im Südharz wurde eine solche Lösung vor einem Jahr schon diskutiert. Darüber berichtete eine regionale Zeitung. Auch in Bayern war das bereits Thema. Der „Pille“ erteilten die Verantwortlichen der Kreisgruppen und des Jagdverbandes aber 2014 eine klare Absage. (mit SZ/gl)