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Wie Graffiti die Platte aufwerten

Der Stadtteil Gorbitz soll ein neues Image bekommen. Junge Künstler können dabei helfen. Aber nur an einigen Stellen.

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© René Meinig

Von Claudia Rausch

Dresden. Es ist bunt, aufregend und wird oft als künstlerische Provokation angesehen. An der 135. Grundschule am Amalie-Dietrich-Platz erfreut das neue Graffiti an der Fassade vor allem die Kinder auf dem Pausenhof. Wild toben sie vor dem Motiv. Das kindgerechte farbenfrohe Bild soll die Identifikation von Kindern, Eltern und Lehrern mit der Schule und das Ansehen der Einrichtung verbessern. Und könnte außerdem Gorbitz ein neues Image geben.

Diese Idee haben auch andere Akteure im Stadtteil, der vom Plattenbau der 1980er-Jahre dominiert ist. Die Treberhilfe plant zusammen mit dem Verein Spike ein Gemeinschaftsprojekt. Spike ist freier Träger der Jugendhilfe und unterstützt stadtweit soziale Projekte. Am Bereich Merianplatz sollen Jugendliche ein neues Wandbild gestalten. Die Stadt unterstützt das Projekt. 4 000 Euro aus dem Haushalt sollen helfen. Der Ortsbeirat Cotta hat dem Vorschlag bereits zugestimmt.

In dem Projekt bilden professionelle Sprayer die Kinder und Jugendlichen aus. In Workshops erklären sie schrittweise ihr Handwerk. Diese Künstler sind ein Lehrer und ein Mediengestalter, die ihre Leidenschaft gern an die junge Generation weitergeben. Der konkrete Entwurf für den Merianplatz wird dann gemeinsam und demokratisch erarbeitet. Eines steht aber fest: Sexistische, rassistische oder politische Inhalte sind verboten, sagt Ellen Demnitz-Schmidt, Leiterin im Spike. Vor allem gehe es um den künstlerisch-kreativen Prozess, bei dem Jung und Alt zusammenarbeiten.

Dabei ist es nicht immer einfach, an die jungen Sprayer heranzukommen. Das weiß auch Streetworker Stephan Passow. Meist sind sie anonym und in der Dunkelheit unterwegs. Oft hinterlassen sie unschöne Kunst – nämlich solche, die fremdes Eigentum verunstaltet. Passow kennt die Jugendlichen in Gorbitz. Gerade in so einem Projekt hilft seine Interaktion mit den jungen Menschen, die sich gerne ausprobieren wollen. „Die Gestaltung solch einer Fläche hat eine hohe pädagogische Bedeutung. Die Jugendlichen identifizieren sich mit ihrem Stadtteil und gestalten legal ihre eigene Lebenswelt“, sagt er.

Der Merianplatz passt gut zu dieser Idee. In diesem Jahr wurde er aufwendig umgebaut und verschönert. Nun fehlt Farbe. Die Fläche wurde ausgewählt, weil sie Teil eines großen, bisher unvollendeten Projektes in Gorbitz ist. Im Straßennetzplan ist der Platz die einzige Haltestelle zwischen dem Betriebshof Gorbitz und dem Amalie-Dietrich-Platz, der noch kein eigenes Farbkonzept hat. Die Farbgestaltung der anderen Plätze kam bisher sehr gut bei den Gorbitzern an, sagt Ellen Demnitz-Schmidt.

Auch an anderen Stellen schmücken bunte Graffiti den Stadtteil. So in den Gorbitzer Tunneln. Das sind drei Tunnel, die nach Farbthemen gestaltet wurden. So gibt es einen Comictunnel, einen „Fluch-der-Karibik“-Tunnel und einen grünen Tunnel. Die Ton-in-Ton-Motive sollen beruhigend wirken, sagt Ellen Demnitz-Schmidt. Und sie sind beliebte Fotomotive. So das Bild eines riesigen Wals im „Fluch der Karibik“- Tunnel an der Haltestelle Schlehenstraße.

Viele Vermieter in Gorbitz bezahlen auch für die Gestaltung ihrer Hauswände, sagt Stephan Passow. Bevor sie die Wand jedes Mal von illegalem Graffiti befreien und säubern müssen, investieren sie lieber direkt in eine kunstvolle Gestaltung. Die Künstler von Spike sind schon länger im Stadtteil aktiv. Ihre ersten Bilder zieren Bahnbögen und Verteilerkästen. Die Motive sind figürlich und dienten vor allem als Werbung für die Deutsche Bahn oder die Dresdner Verkehrsbetriebe. Das neue Bild am Merianplatz soll künstlerischer und abstrakter werden.

Auch von politischer Seite bekommt das Projekt Zuspruch. Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) kennt den Stadtteil gut. Ihr Wahlkreisbüro ist gleich in der Nähe. „Initiativen wie die der Treberhilfe helfen, einen persönlich-künstlerischen Ausdruck des Stadtteils zu entwerfen“, sagt sie. Und nennt noch einen weiteren Vorteil der Aktion. Mit der Begeisterung für Graffiti könne auch der Vandalismus bekämpft werden. „Die Öffnung des öffentlichen Raumes für diese Kunstform junger Menschen verhindert, dass Gekritzel aus Frust Fassaden und Bänke verschandelt“, sagt sie. Das ist bereits jetzt in der Kriminalstatistik zu spüren. Die Zahl der Graffiti Straftaten ist seit 2014 pro Jahr um über zehn Prozent zurückgegangen. Dabei ist Gorbitz schon lange kein Schwerpunkt mehr, wenn es um illegale Schmierereien geht. Die Graffiti in Stadtteilen haben nun eine positive Wirkung. Sie sind bunt, anregend und interessante Werbung.