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Wie ein Schornstein verschwindet

Am ehemaligen AWD-Klubhaus in der Gartenstraße wird eines der höchsten Bauwerke der Stadt abgerissen – auf eine ganz einfache Art und Weise.

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© Peter Redlich

Von Peter Redlich

Das erste Foto war schon am Donnerstagmittag im Netz. Logisch, das fällt auf: Hoch über dem alten Gasthof Krone, dem ehemaligen AWD-Klubhaus in der Gartenstraße schwebt ein Kran mit einem silberfarbenen Arbeitskorb dran. Im Korb arbeiten zwei Männer schwer mit einem elektrischen Abbruchhammer. Es geht einem der letzten großen Schornsteine Radebeuls an den Kragen.

Seit Donnerstag passiert das an der Gartenstraße. Oben ist der Abriss noch einfach.
Seit Donnerstag passiert das an der Gartenstraße. Oben ist der Abriss noch einfach. © Arvid Müller
Unten hat der Schornstein – hier Bauleiter Uwe Hähnel – eine Wandstärke von gut 1,20 Meter.
Unten hat der Schornstein – hier Bauleiter Uwe Hähnel – eine Wandstärke von gut 1,20 Meter. © Peter Redlich

Kragen ist in dem Falle sogar der richtige Ausdruck, denn die Männer sind noch ganz oben. Fast. Denn am Nachmittag haben sie bereits vier Meter dem Schornstein in der Höhe genommen. 40 Meter ragt er insgesamt in die Höhe, sagt Bauleiter Uwe Hähnel. Der Ingenieur ist verantwortlich für den Bau am ehemaligen Gasthof Krone. Wohnungen sollen in dem Gebäude, welches einst zu den Madaus-Arzneimittelwerken gehörte und zuletzt Radebeuls große Tanzdiele war, eingerichtet werden.

Der aus unendlich vielen Ziegeln vor reichlich einhundert Jahren in die Höhe gemauerte Schornstein gehörte zu dem hier betriebenen Heizwerk. Nicht nur das Klubhaus der Arzneimittelwerker wurde damit beheizt, auch die in der Gartenstraße umliegenden Wohnhäuser bekamen von der Heizzentrale ihre Wärme. Wahrscheinlich 2003 ist wohl zum letzten Mal eingeheizt worden, vermutet Bauleiter Hähnel. „Beim Abbruch im Klubhaussaal haben wir noch Veranstaltungsplakate vom Jahr 2003 gefunden.“

Seitdem wurde in den letzten Jahren erst das Heizhaus abgerissen. Jetzt ist es auch dessen weithin sichtbares Symbol, welches die Heizgase ableitete.

Die beiden Männer im Arbeitskorb kommen nur mühselig voran. Ab und zu bröckelt etwas Mörtel nach unten. Die Masse der Ziegel, überhaupt der gesamte Bauschutt wird nach innen in die Schornsteinröhre gedrückt und stürzt nach unten, ohne Umstehende zu gefährden. Uwe Hähnel: „Ich denke, dass wir so die Ziegel bis auf 20 Meter Schornsteinhöhe abtragen können.“

Ganz oben ist die Arbeit noch am leichtesten. Der Schornstein verjüngt sich. Bauleiter Hähner liegt unten den Zollstock an: 1,20 Meter dick ist hier die Außenwand. Ganz oben sind es nur noch gut 20 Zentimeter. Klar, dass die Abrissarbeiten dort zügiger vorangehen und runterwärts zunehmend schwerer werden. Sprengen sei für den Bauherrn und die Baufirma nicht in Frage gekommen, sagt Hähnel. Vor allem weil damit gehörige Auflagen verbunden sind. Die Umgebung darf nicht gefährdet werden. Vom Ruß des Schornsteins werden gehörige Erdmassen belastet. Die müssten dann als Sondermüll abtransportiert werden. Das kostet viel zusätzliches Geld.

Deshalb wird es mit der ganz konventionellen Abtragemethode geschehen. Im Radebeuler Bauaufsichtsamt ist dagegen auch nichts einzuwenden. Amtsleiter Ulrich Schröder: „Wenn uns der Bauherr den Abriss angezeigt hat, informieren wir die Abfallwirtschaft, dass mit einer größeren Menge Bauschutt zu rechnen ist.“ Bauleiter Hähnel hat grob überschlagen – es müssten etwa 100 Kubikmeter sein.

Doch bis die am Boden liegen und auf Lkw verladen werden können, werden noch einige Tage vergehen. Die Baumannschaft rechnet mit nächster Woche. Am Nachmittag gehen die beiden Arbeiter im Korb den fünften Meter Ziegelmauerwerk an. Wenn fünf Meter am Tag zu schaffen sind, oder etwas weniger, dann sollte der Schornstein in vier bis fünf Arbeitstagen nur noch 20 Meter hoch sein. Uwe Hähnel: „Ab dieser Höhe werden wir dann den ganz normalen Abrissbagger nehmen und weiter abbrechen wie bei jedem Abrisshaus.“

Der Bauleiter hat von Investor Uwe Herrmann keinen Druck wegen des Abrisses. Zum Jahresende sollen die Wohnungen fertig sein. An die Stelle, wo der Schornstein noch steht, kommen die Fundamente für die Terrassen der neuen Wohnungen, zeigt Hähnel schon mal auf die Stelle, wo jetzt noch das dunkle Loch ins Schornsteininnere führt.