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Wie aus Ahorn Mohorn wurde

Mohorn war Bauerndorf, Bergbausiedlung, Gewerbeort und beinahe sogar Kleinstadt – jetzt feiert der Ort sein 750-jähriges Bestehen.

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© Sammlung Möbius

Von Annett Heyse

Mohorn. Wenn Altbürgermeisterin Margit Möbius an das Mohorn ihrer Kindheit und Jugend zurückdenkt, dann erinnert sie sich an viele Geschäfte entlang der Freiberger Straße, auf weniger Verkehr auf der einzigen Durchgangsroute, an die Dampfeisenbahn und den Schulunterricht, der wegen des Platzmangels auf verschiedene Häuser verteilt war. Gut sechzig Jahre her ist das jetzt alles – Margit Möbius ist heute 72 Jahre alt und in den vergangenen Jahren die Geschichtskennerin des Ortes geworden. „Irgendwer musste sich ja um die Ortschronik kümmern“, sagt sie. Allerdings ist sie dabei nicht allein, sondern hat sich ein paar Mitstreiter gesucht, die nun zur 750-Jahr-Feier unter verschiedenen Aspekten die Geschichte von Mohorn zusammengetragen haben.

1899 hatte der Ort einen Schmalspurbahnanschluss bekommen.
1899 hatte der Ort einen Schmalspurbahnanschluss bekommen. © Sammlung Möbius

Und dabei gibt es auch neue Erkenntnisse. Bekannt war bisher eine Ersterwähnung im Jahr 1267 in Zusammenhang mit einer Schenkung. Damals hieß Mohorn noch Ohorn, und lange nahmen Heimatforscher daher an, dass die Siedlung sorbischen Ursprungs sei und der Name „das um den Berg liegende“ bedeutete. Mittlerweile gehen Historiker davon aus, dass Mohorn eine deutsche Siedlung war, angelegt als Waldhufendorf entlang des Talverlaufs. Der Name leitet sich von „Ahorn“ ab, so der Stand der Forschung.

Mohorn war also ein Bauerndorf, dessen Bewohner sich im 14. Jahrhundert auch im Bergbau versuchten. Mehrere Stollen wurden angelegt und nach Silber geschürft. Die erste urkundliche Erwähnung des Bergbaus stammt aus dem Jahr 1459 und bezieht sich auf ein Bergwerk am Ziegenrücken. Im Raum Mohorn mit seiner Nachbarsiedlung Grund soll es insgesamt 42 Grubenanlagen in all den Jahrhunderten gegeben haben. Daran, dass der Bergbau zeitweise eine größere Rolle spielte, erinnert auch ein Relief an einer Fensterlaibung der um 1496 errichteten Mohorner Kirche: Hier sind Schlägel und Eisen abgebildet. Das Bauerndorf wuchs mit dem Bergbau, Handwerker und Handel etablierten sich, im Triebischtal drehten sich die Wasserräder der Mühlen. Die Einwohnerzahl pendelte sich im 16. Jahrhundert auf geschätzt 600 Menschen ein.

Der Dreißigjährige Krieg brachte auch über Mohorn Not und Elend. Männer wurden in die Armee des Kurfürsten eingezogen, durchziehende Truppen plünderten und randalierten, etliche Einwohner verloren dabei ihr Leben. Besonders schlimm war es 1632/33. Damals wurde die Stadt Freiberg belagert, dazu kam eine Pestepidemie, die auch Mohorn nicht verschonte. Mehr als 300 Dörfler starben. Dem Dreißigjährigen Krieg folgten Missernten und Klimaschwankungen, nur langsam erholte sich das Dorf von all den Rückschlägen. Erst nach dem Siebenjährigen Krieg Mitte des 18. Jahrhunderts lag die Bevölkerungszahl wieder bei 600 bis 700 Einwohnern.

Einen richtigen Schub bekam Mohorn im 19. Jahrhundert mit der industriellen Revolution. Nun entwickelten sich neben Handwerk und Handel richtige Gewerbebetriebe, das Bauerndorf wandelte sich, die Bevölkerung nahm rapide zu – schon 1834 wurden mehr als 1 000 Einwohner gezählt. Ein Indiz für Wohlstand und Bevölkerungswachstum war, dass 1859 eine neue, größere Schule gebaut werden musste. 40 Jahre später bekam das Dorf einen Anschluss an das Schmalspurbahnnetz. Mohorn war nun längst kein Bauerndorf mehr, sondern ein erfolgreicher Standort für Gewerbe und Gewerke. Es gab zwei Ziegeleien, eine Molkerei, Stellmacher und Fahrzeugbauer. Die Bauern gründeten um 1900 eine Handelsgenossenschaft mit Bank. 1946 wurden hier 101 Gewerbe- und Handelsbetriebe gezählt, in denen 212 Beschäftigte ihre Geld verdienten. Mohorn war auf bestem Wege, eine Kleinstadt zu werden.

Entlang der Freiberger Straße reihten sich Geschäfte: Drogerie, Schuhwaren, Gemischtwarenläden, Hutmacher, Textilien, Fleischer, Bäcker, Haushaltswaren, Lebensmittelhändler – alles war vertreten. Margit Möbius erinnert sich daran, dass in den Fünfziger- und Sechzigerjahren viele Leute von den umliegenden Dörfern nach Mohorn zum Einkaufen kamen. „Wir fahren ins Städtel, sagten sie damals“, berichtet Möbius.

Aus und vorbei. Heute ist Mohorn ein Ort, durch den zwar eine Bundesstraße führt, aber Geschäfte gibt es hier nur noch wenige. Dafür existieren nach wie vor etliche Handwerksbetriebe. Mohorn ist aber vor allem ein Wohnort, in dem nach der Wende etliche neue Häuser entstanden und im vergangenen Jahrzehnt auch junge Leute zugezogen sind. Margit Möbius selbst, gelernte Buchhändlerin und zwischenzeitlich in der Tierarztpraxis ihres Mannes beschäftigt, hat die Geschicke des Ortes ein Jahrzehnt geleitet. Nach der Wende wurde vor allem in die Infrastruktur investiert, Straßen und Brücken erneuert, Abwasserkanäle verlegt, das Waldbad in Grund komplett umgebaut, ein Wohnbaugebiet angelegt.

An die Ereignisse und Wendepunkte soll nun bei der 750-Jahr-Feier Anfang Juni erinnert werden. Und wer sich noch mehr für Geschichte interessiert, kann die Festschrift kaufen: Darin haben Margit Möbius und ihre Mitstreiter etliche Aspekte und Ereignisse genauer erforscht und daraus gewiss keine lückenlose, aber eine interessante Chronik verfasst.