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Wer baute die Straßensperre?

Vorbild des „Monument“ vor der Dresdner Frauenkirche war eine Barrikade in Syrien. Es gibt Hinweise, dass militante Salafisten sie errichteten, keine Zivilisten. Das bestätigte ein Augenzeuge gegenüber der SZ.

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© Reuters/Amar Abdullah

Oliver Reinhard

Das Kunstwerk aus drei aufgerichteten Bussen vor Dresdens Frauenkirche ist ein Mahnmal für zivile Opfer militärischer Gewalt. Inspirationsquelle für den Künstler Manaf Halbouni war eine ebensolche Barrikade in Aleppo. Laut den Informationen des Kunsthauses Dresden zum Werk handelte es sich dabei um eine Straßensperre, „die Zivilisten während der Kampfhandlungen in der Stadt errichteten, um das Leben von Menschen zu schützen“.

Schwere Kämpfe gegen Assad-Truppen haben in diesem Viertel seinerzeit noch nicht stattgefunden; keines der Gebäude weist Einschusslöcher oder große Schäden auf. Hier zu sehen sind die Busse von der anderen Seite.
Schwere Kämpfe gegen Assad-Truppen haben in diesem Viertel seinerzeit noch nicht stattgefunden; keines der Gebäude weist Einschusslöcher oder große Schäden auf. Hier zu sehen sind die Busse von der anderen Seite. © Reuters/Amar Abdullah

Nun sind Hinweise aufgetaucht, dass diese Darstellung womöglich nicht korrekt ist: Es existiert ein Foto der Barrikade in Aleppo, aufgenommen vom Reuters-Fotografen Amar Abdullah unmittelbar nach deren Errichtung im März 2015. Darauf ist als Krönung der Sperre die Flagge einer islamistischen Rebellengruppe zu sehen, der Ahrar ash-Sham. Diese wird vom Verfassungsschutz der Bundesrepublik als „Terroristische Vereinigung“ eingestuft. Laut Stiftung Wissenschaft und Politik gehört sie „zum islamistisch-salafistischen Spektrum des Aufstands. Sie wollen das Asad-Regime stürzen und durch einen islamischen Staat ersetzen, der auf dem islamischen Recht der Scharia beruhen soll.“

Ein Fotografenkollege von Amar Abdullah, der Syrer Karam Almasri, war während der Errichtung der Barrikaden anwesend. Er bestätigt gegenüber der Sächsischen Zeitung: „Ja, die Busse wurden von Ahrar ash-Sham aufgestellt.“ Laut seinen Beobachtungen hätten die Rebellenkämpfer „Seile, Winden und eine Menge Männer benutzt, um die Busse aufzurichten und den Scharfschützen des Regimes die Sicht zu versperren.“ Allerdings „haben die Ahrar ash-Sham die Fahrzeuge aufgestellt zum Schutz für Zivilisten, nicht zu ihrem eigenen Schutz“. Die Behauptungen gewisser deutscher Ideologen wie der Ein-Prozent-Bewegung, nach der die Barrikade eine „strategische Sperre“ der Terrormiliz sei, sind laut dem Augenzeugen Almasri nichts als „obskure Märchen.“

Tatsächlich zeigen seine Aufnahmen ebenso wie die von Amar Abdullah einen noch völlig intakten Straßenzug, in dem Anfang 2015 offensichtlich noch keine schweren Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen stattfanden. Es ist zumindest ein Indiz dafür, dass die Sperre wirklich als Schutz für Zivilisten vor einzelnen Scharfschützen in den umgebenden Gebäuden gedacht gewesen sein könnte.

Den Schöpfer des „Monument“ vor der Frauenkirche treffen die Hinweise völlig überraschend. „Ich habe viele Fotos von den Barrikaden in Aleppo gesehen, auf keinem einzigen war diese Fahne abgebildet“, sagt Manaf Halbouni entsetzt. Tatsächlich kursieren zahllose Aufnahmen der Busse. Nur auf dem von Abdullah erkennt man die Flagge, auf einem anderen den nackten Flaggenstock, auf den übrigen nichts davon. Vieles spricht dafür, dass die Fahne nur kurze Zeit auf den Bussen wehte – und mindestens in der Zeitung The Guardian durch den dort gewählten Bildschnitt nicht zu sehen war.

„Ich werde jetzt natürlich noch einmal intensiv recherchieren, was es mit dieser Fahne auf sich hat“, erklärt Manaf Halbouni. „Schon allein, weil ich jede Gewalt und jeden Terrorismus grundsätzlich ablehne und noch nicht einmal mit den Rebellen in Syrien sympathisiere.“ Sollte sich herausstellen, dass die Busse tatsächlich von Ahrar ash-Sham errichtet worden seien, „werden unsere Informationen zum Kunstwerk selbstverständlich sofort überarbeitet.“

Es sei nicht die Absicht des Monuments, „auf die komplexe Situation der unterschiedlichen Parteien dieses Krieges Bezug zu nehmen“, erklärt Christiane Mennicke-Schwarz, Leiterin des Kunsthauses Dresden. Das Werk zeige nur einen Ausschnitt aus dieser „menschenunwürdigen Situation“ und sei „ein Mahnmal gegen Krieg und Gewalt in jeglicher Form – auch gegen die Gewalt von Terroristen.“

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes entstand der Eindruck, dass der britische Guardian die Fahne bewusst wegretuschiert habe. Dies ist nicht der Fall. Auf dem dort gezeigten Bildausschnitt war die Fahne lediglich nicht zu sehen.