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Wenn im Stadtrat eine Stimme fehlt

Die Linke Pia Barkow freut sich auf ihr erstes Kind. Doch ihre Fraktion hat erst mal ein Problem.

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© Frank Grätz

Von Julia Vollmer

Ende des Sommers wird Linken-Stadträtin Pia Barkow das erste Mal Mama. „Vom Stadtrat und den Ausschüssen nehme ich aber nur eine kleine Auszeit, vom Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin ein wenig länger“, erzählt sie. Die 30-Jährige arbeitet als Mitarbeiterin bei der Linken-Landtagsabgeordneten Sarah Buddeberg und sitzt im Vorstand ihrer Partei auf Bundesebene und im Dresdner Stadtvorstand. „Ich freue mich sehr auf die neue spannende Zeit mit Kind und bin allerdings auch gespannt, wie wir das alles unter einen Hut bekommen.“ Doch was passiert eigentlich, wenn ein oder eine Stadträtin mal komplett ausfällt?

37 zu 34 steht es gerade im Stadtrat. Rot-Grün-Rot hat drei Stimmen mehr als die konservative Gegenseite. Schon ein Stadtrat, der sich umentscheidet oder sich enthält, kann eine wichtige Entscheidung kippen. Einen Ersatz für schwangere oder kranke Räte gibt es nicht. Fehlt ein Stadtrat, fehlt auch dessen Stimme bei den Abstimmungen.

Ihr Fraktionschef André Schollbach sieht das gelassen. „Wir haben genug Erfahrung mit werdenden Eltern.“ Die Linke will versuchen, dass Pia Barkow an möglichst vielen Stadtratssitzungen teilnimmt, und will sie dabei unterstützen. Schollbach kann nicht nachvollziehen, warum es dafür keine Regelung gibt.

Pia Barkow kritisiert allerdings, dass die Stadträte beim Thema Kinderbetreuung von der Verwaltung völlig alleingelassen werden. Es gäbe keine Kinderbetreuung zu den Stadtrats- oder Ausschusssitzungen, die meistens bis 22 Uhr und länger dauern. „Wenn man hier keinen Partner hat, der diese Betreuungszeiten übernehmen kann, ist es kaum möglich, das Mandat auszuführen“, warnt sie. Alleinerziehende sind de facto ausgeschlossen. „Ich fühle mich in die 80er-Jahre zurückversetzt. Bei wichtigen Parteiveranstaltungen und vielen Unternehmen ist es üblich, dass eine Kinderbetreuung angeboten wird“, so Barkow.

In den Parlamenten scheine noch nicht angekommen zu sein, dass Eltern vor allem dann eine gute Arbeit machen, wenn sie wissen, dass ihre Kinder gut betreut sind. „Hier überhaupt keine Angebote zu machen, ist schon sehr gestrig“, kritisiert sie. Neben Pia Barkow gibt es noch viele weitere Stadträte mit Kindern.

Es erscheint tatsächlich etwas weltfremd, dass es in der Gemeindeordnung für den Ausfall eines Stadtrates keine Regelung gibt. In der aktuellen Satzung gibt es nur den Passus, dass keine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, wenn ein Volksvertreter länger als drei Monate ausfällt. Auch Stillpausen sind nicht geregelt, obwohl das Mutterschutzgesetz in jedem anderen Job ein Recht darauf festschreibt. Ob eine Stillpause möglich ist, entscheidet „die Sitzungsleitung nach ihrem Ermessen“, so ein Rathaussprecher. Möglich wäre es, die Sitzung dafür zu unterbrechen.