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Wenn das Klamottentaxi kommt…

… liefert eine junge Dresdnerin Mode direkt ins Wohnzimmer. Hat sie eine Chance gegen den Online-Handel?

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© René Meinig

Von Nora Domschke

Dresden. Dass es Mütter mitunter schwer haben, nach der Elternzeit ins Berufsleben zurückzukommen, ist kein Geheimnis. Auch Sara Wiedemann war lange auf der Suche nach dem passenden Job, der Spaß macht und trotzdem Zeit für die Familie lässt. Nun ist sie in Dresden mit ihrem Klamottentaxi unterwegs. Mit Kleidern, T-Shirts, Hosen, Blusen und Schmuck fährt die junge Frau zu ihren Kunden nach Hause, berät und verkauft direkt vor Ort.

Ein Trend, der offenbar immer beliebter wird – bis Jahresende sind alle Wochenenden im Terminkalender von Sara Wiedemann ausgebucht. Eine Erfolgsgeschichte, die die heute 29-Jährige viel Kraft gekostet hat. „Meine berufliche Katastrophe begann mit dem Ende der Elternzeit“, sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau, die damals bei einer Supermarktkette arbeitete. Im Sommer 2012 kommt ihre Tochter zur Welt. Weil ihr Mann genug verdient, dafür aber oft spät abends nach Hause kommt, bleibt Sara Wiedemann zwei Jahre zu Hause, kümmert sich um das gemeinsame Wunschkind. Dann freut sie sich wieder auf ihre Arbeit. „Ich wollte unbedingt in meinen Job zurück.“ Für Kita-Öffnungszeiten und Kinderkrankheiten hat ihr Arbeitgeber allerdings nur wenig Verständnis. „Da gibt es keine speziellen Schichten für Mütter. Auf das Familienleben mit Kleinkind wird keine Rücksicht genommen.“

Man einigt sich trotzdem irgendwie, sie bekommt einen Aufhebungsvertrag, muss sich arbeitslos melden. Dann beginnt eine Zeit, in der sie täglich über Bewerbungen sitzt, am Ende sind es fast 250 Schreiben. Letztlich bleibt die Erkenntnis: „Im Einzelhandel hast du als Mutter keine Chance.“

Doch Sara Wiedemann gibt nicht auf. Im Dezember 2014 stößt sie im Internet auf den österreichischen Schmuckhandel Luna. Sie wagt den Sprung in die Selbstständigkeit, meldet ein Gewerbe an, wird mobile Juwelierin. Mit einem Startpaket im Wert von 20 000 Euro, das sie gestellt bekommt, zieht die junge Mutter im Januar 2015 zum ersten Mal los. Am Anfang veranstaltet sie vier Verkaufspartys im Monat – der Verdienst gleicht mehr dem eines Nebenjobs. Doch Sara Wiedemann ist aktiv, wirbt auf ihrem Facebook-Profil, fährt im Umkreis von 250 Kilometern in die Dörfer.

In diesem Jahr erweitert sie ihr Angebot um Kleidungsstücke. Unter dem Namen Klamottentaxi vertreibt ein Startup-Unternehmen aus Euskirchen seit Januar Markenbekleidung direkt in deutschen Wohnzimmern. Ältere Menschen nutzen Saras Angebot, weil sie selbst nicht in die großen Einkaufszentren fahren wollen. Jüngere Frauen laden Freundinnen ein und machen sich gemeinsam einen netten Abend. Mittlerweile fährt Sara Wiedemann monatlich auf zehn bis 20 Termine. Meistens sind bei den Mädelsrunden zwischen fünf und acht Frauen da. Manchmal seien es auch nur drei, selten auch mal 20. Das Konzept kommt offenbar gut an – im Schnitt zahlt jeder 100 Euro an einem Abend.

Sara Wiedemann hat dafür gleich mehrere Gründe ausgemacht. „Öffnungszeiten spielen keine Rolle, es gibt keinen Stress, alle sind entspannt.“ Das sei ein Vorteil gegenüber dem Einzelhandel in Geschäften. Ein weiterer Pluspunkt: die Anprobe, das Fühlen des Stoffes, der Tipp der Freundin, ob das Kleid auch gut aussieht. „Das wiederum ist ein klarer Vorteil gegenüber Bestellungen im Internet.“ Bezahlt werden die Klamotten mit Bargeld oder per EC-Karte. Einen kleinen Haken hat die Sache allerdings: Es handelt sich um Einzelstücke, die nur in einer Größe zu haben sind. Und Sara weiß selbst nicht, was in dem Paket ist, das sie zugeschickt bekommt. Bei der Bestellung kann sie nur angeben, welche Größen sie benötigt. Der Mix bleibt eine Überraschung. Dafür kosten die Markensachen zum Teil bis zu 70 Prozent weniger. Einen Trend in Sachen Direktvertrieb von Kleidung kann Lars Fiehler von der Industrie- und Handelskammer Dresden aber noch nicht erkennen. „Solange die Bedingungen im Online-Handel mit kostenlosen Retouren so bleiben, wird sich da nicht viel verändern.“ Konkrete Zahlen zum Direktvertrieb seien kaum zu ermitteln, weil sich ein Selbstständiger nur mit dem Einzelhandel Textilien beim Gewerbeamt anmeldet. Ob das im Laden stattfindet oder auf einer Verkaufsparty, ist allerdings nicht bekannt.

Deutschlandweit gibt es täglich mehr als 3 300 solcher Veranstaltungen. Diese Zahl gibt der Bundesverband Direktvertrieb Deutschland an, der 1967 unter anderem von Vorwerk und Tupperware gegründet wurde. Allerdings bezieht sich das nur auf die Mitglieder-Firmen – Luna gehört dazu, Klamottentaxi nicht.

Sara Wiedemann jedenfalls hat ihren Platz im Berufsleben gefunden, sagt sie. Im August wird sie nach Jahren des Verzichts mal wieder zwei Wochen Urlaub machen – mit ihrer Familie und dem Gefühl, selbst etwas beigetragen zu haben. Viel Zeit zum Durchatmen bleibt nicht: Schon im September beginnt für das Klamottentaxi das Weihnachtsgeschäft.