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Weniger ist mehr

Cocktails müssen nicht unbedingt flüssig sein und Gin ist einer der beliebtesten Zutaten, sagt Jens Lukas, Gründer der Bar-Academy „Sweet & Sour“ aus Dresden.

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© Ronald Bonß

Von Ines Mallek-Klein

Die Eiswürfel scheppern voller Vorfreude ins Glas. Gleich werden sie ein ausgiebiges Bad nehmen, in bestem Gin und gut gekühltem Tonic. Einige Spritzer frisch gepressten Limettensaftes runden den Klassiker ab. Der Gin darf auf keiner Barkarte fehlen, sagt Jens Lukas. Auch wenn dem Dresdner Barkeeper das ursprüngliche Rezept längst zu langweilig geworden ist. Er ersetzt die Limette wahlweise durch Melone oder Trauben, und er weiß, seine Gäste wissen seine Experimentierfreude zu schätzen.

Auch wenn Dresden eigentlich nur ein großes Dorf ist, in der nationalen Liga der Barszene spielt die Elbmetropole ganz weit vorne mit. Daran ist Jens Lukas nicht ganz unschuldig. Er hat mit Sweet & Sour vor Jahren eine Bar-Academie eröffnet, in der wissbegierige Cocktailgenießer genauso willkommen sind wie erfahrene Barkeeper, die Neues ausprobieren wollen. „Ich möchte mein Wissen weitergeben und vor allem für ein höheres Qualitätsbewusstsein werben – bei den Cocktailmachern und bei den Cocktailgenießern“, sagt der 40-jährige Academiechef.

Solange es Läden gibt, die mit 555 verschiedenen Cocktails auf ihrer Karte werben, ist der Kampf um die Geschmacksnerven noch nicht entschieden. Aber das Bewusstsein der Kunden wandelt sich. Die Frage nach den Zutaten, ihrer Herkunft und ihrer Verarbeitung wird immer öfter gestellt. Gleichzeitig sind die Gäste auch bereit, etwas mehr Geld auszugeben. 15 Euro sind es mindestens, wenn Jens Lukas zur Eiswürfelzange greift und die Shaker durch die Luft wirbelt. Viel Geld für viel Geschmack.

Tipps vom Profi

1. Arbeiten Sie bei Ihren Cocktails Zuhause immer mit gut gekühltem Eis, am besten direkt aus dem Frost. Zu viel Schmelzwasser verwässert das Aroma und damit den Genuss.

2. Gin erlebt seit einiger Zeit ein echtes Revival. Er sollte in keiner Hausbar fehlen, allerdings lohnt es sich hier, etwas mehr Geld auszugeben und verschieden aromatisierte Varianten zu testen. Das Angebot ist riesig, vor allem durch die vielen kleinen Destillerien, die in den letzten Jahren entstanden sind. Sie arbeiten mit Hibiskusblüten, Wacholderbeeren oder Wasserminze.

3. Basis eines guten Cocktails ist ein ausgewogenes Verhältnis von Süße und Säure. Verwenden Sie deshalb bei der Zubereitung immer frisch gepressten Saft von Zitronen oder Limetten. Er ist fruchtig frisch, aber nicht bitter, wie die meisten abgefüllten Säfte.

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Das Rezept für den Sommer 2017

I’m Herb

1 Limette, 4cl DOM Benedictine, 14cl Thomas Henry Spicy Ginger

Limette schneiden und im Glas ausdrücken, DOM Benedictine & Spicy Ginger hinzugeben und auf Eiswürfeln rühren. Mit je einem Zweig Thymian und Rosmarin dekorieren.

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Dabei ist der zweifache Familienvater keiner, der alle Wünsche jederzeit erfüllt. „Einen Erdbeer-Daiquiri gibt es bei mir nur von Ende April bis Ende Juni“, sagt der Unternehmer. Er arbeitet mit den Früchten der Saison, und wem die nicht schmecken, der kann auf Papayas oder Ananas ausweichen. Eine Alternative gibt es immer, sagt der Barkeeper, der die Dresdner Eislöwen unterstützt und seit einigen Monaten auch die Cocktailbar im VIP-Bereich des Dynamo-Stadions betreut. Eine eigene Bar aber hat Jens Lukas bis heute nicht.

Man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren, so sein Credo. Das gelte für die unternehmerischen Entscheidungen genauso wie für die Auswahl der Rezepte.

Jens Lukas ist in Brandenburg aufgewachsen, hat in der Kneipe seines Onkels schon als Kind hinter der Theke gestanden. Nach der Schule dann die Ausbildung zum Hotelfachmann. Er putzte Zimmer, bezog Betten, schnippelte Gemüse und ordnete die Buchhaltung. Die Lehre vermittelt vieles, was man im Bewirtungs- und Beherbergungsgewerbe wissen muss. Das Thema Bar wird aber nur am Rande behandelt. Nach der Lehre kam der erste Job, Jens Lukas landete in einem schicken Viersterne-Haus im Spreewald. Es gab eine Bar, aber keine Karte, dafür gut gekühltes Bier und ein paar Nüsschen. „Das wollte ich ändern“, erinnerte sich Jens Lukas. Er versuchte sich an den ersten Cocktails, gestaltete eine Karte und koordinierte den Wareneinkauf. Die Klassiker rührte und schüttelte Jens Lukas gekonnt aus dem Handgelenk. Er wurde neugierig, besuchte andere Bars in Deutschland, sammelte Tricks und Rezepte. „Die geben die Barkeeper gerne“, sagt Lukas, wohlwissend, dass nicht alleine die Menge der Zutaten über den Geschmack eines Cocktails entscheiden. „Da kann man viel falsch, aber auch viel richtig machen“, sagt der Profi. Es war seine Frau, die ihn schließlich nach Dresden holte. Hier war Jens Lukas viele Jahre der Chef der „Sonderbar“ in der Dresdner Neustadt. Ein Boss als Freelancer, diese Konstellation ist in der Branche nicht ungewöhnlich. Irgendwann will Lukas auch mal eine eigene Bar haben, als Altersvorsorge, wie er sagt. Aber das wirtschaftliche Risiko in der Gastronomie ist enorm. Etwas einfacher ist es im Cateringbereich, wo sich die Zahl der Gäste und der gewünschten Speisen vorher kalkulieren lassen. Deshalb gehört zu Sweet & Sour auch ein eigenständiger Cateringbereich. „Ich wurde früher bei Events, Firmenfeiern oder Hochzeiten oft als Barkeeper dazugebucht, irgendwann habe ich dann das komplette Catering mit übernommen.“

Jens Lukas ist dabei keiner, der glaubt, in allem selbst perfekt zu sein. Er hat sich Partner gesucht, und die sind offensichtlich so perfekt, dass sich einige Firmen oder Hochzeitspaare mittlerweile von ihm das komplette Event ausgestalten lassen.

Den Gin hat er bei den Partys immer mit dabei. Er avanciert ohnehin in den letzten Jahren zu einem Kultgetränk. Europaweit entstanden viele kleine Destillerien, die mit ungewöhnlichen Aromen arbeiten. Es lohnt sich, etwas mehr Geld zu investieren und verschiedene Sorten auszuprobieren, sagt Jens Lukas.

Apropos, ausprobieren. Cocktails müssen nicht immer flüssig sein. Nach Spanien und Frankreich hat der Cuisine Style nun auch Deutschland und Dresden erreicht. Die Männer und Frauen hinter dem Tresen experimentieren immer mehr mit den Aggregatzuständen ihrer Zutaten. Tricks und Kniffe dazu werden der Molekularküche entliehen. Und manchmal kommt auch Omas Himbeermarmelade zum Einsatz. „Die ist den Früchten nämlich deutlich näher als der Likör“, erzählt Jens Lukas.

Die Antwort auf die Frage nach seinem Lieblings-Cocktail muss der Fachmann allerdings schuldig bleiben. Es gäbe einfach zu viele Drinks, die er mag. Was er bestellt, hängt von der Stimmung ab, und die zu eruieren, kann dauern. Den „Swimming Pool“, den allerdings mag Jens Lukas überhaupt nicht. Er würde ihm keinem Gast ausreden, aber ein Versuch, Alternativen im curacao-blauen Look anzubieten, das wäre es ihm wert.

Die Internetseite Sweet & Sour ist reserviert, viele Informationen findet man hier allerdings nicht. Auch Flyer gibt es bei Jens Lukas keine. Er setzt auf die Mund-zu-Mund-Propaganda, und die beschert ihm von März bis Oktober viele Aufträge. Lukas bezeichnet sich selbst als Nachtmensch. Da sind Arbeitszeiten bis in die frühen Morgenstunden kein Problem. Und wenn doch, dann hilft ein Kellnerkaffee mit reichlich Koffein.