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Von Hotels fehlt heute jede Spur

Die SZ erinnert an Orte, die in Zittau jeder kannte und noch heute kennt. Heute: Die Geschäfte der Bahnhofstraße.

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Von Heike Schwalbe

Zittau. Eine einst kleine Vorstadtstraße, entwickelte sie sich im Laufe der Zeit zu einer der schönsten Zittauer Straßen, die vom Haberkornplatz direkt zum Bahnhof führt. Sie war die direkte und schnellste Verbindung vom Zentrum nach Löbau und Bautzen. Gesäumt war sie anfangs von kleinen niedrigen Vorstadthäusern mit Gärten, doch nur wenige blieben stehen. 1848 wurde sie bedeutend verbreitert. Anfangs heiß sie noch Bautzner Steinweg, erst Ende 1861 erhielt sie ihren jetzigen Namen, der nur während der DDR-Zeit in Straße der Einheit geändert wurde. Eine Pflasterung erfolgte viel später, heute ist alles asphaltiert.

Wo man einst das Hotel „Weintraube“ vom Norden aus erblickte, finden sich heute Räume des Zittauer Ärztehauses.
Wo man einst das Hotel „Weintraube“ vom Norden aus erblickte, finden sich heute Räume des Zittauer Ärztehauses. © Matthias Weber
Vor 100 Jahren verkehrten noch Straßenbahnen. Heute kreuzt hier der Stadtring die Bahnhofstraße. Ebenfalls zu erkennen: Das Waentig-Haus. (erstes Haus rechts)
Vor 100 Jahren verkehrten noch Straßenbahnen. Heute kreuzt hier der Stadtring die Bahnhofstraße. Ebenfalls zu erkennen: Das Waentig-Haus. (erstes Haus rechts) © privat

Nachdem der Bautzner Torturm 1869 abgerissen wurde, entstanden an dieser Straße die hohen repräsentativen Häuser, in die bald Banken, Versicherungsbüros, Anwaltskanzleien, Arztpraxen, Hotels, Speditionen und Geschäfte einzogen. Mit der Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten Straßenbahn, deren weiße Linie 1904 am Bahnhof startete und über die Bahnhofstraße führte, verschwanden auch Pferdewagen, Kutschen und Karren, die einst das Straßenbild prägten. 1919 wurde dann der Straßenbahnbetrieb eingestellt, bald darauf verkehrten hier Busse.

Am Anfang der Bahnhofstraße liegt der Haberkornplatz mit dem Postgebäude von 1883 und dem Haberkornbrunnen von 1901 – auch Mundwasserstelle genannt –, der dem einstigen Bürgermeister ein Denkmal setzte. Ebenso zum Haberkornplatz gehört das Waentighaus, das 1853 als Wohn- und Geschäftshaus von Heinrich Ferdinand Waentig erbaut wurde. Hier vorbei führt der Grüne Ring.

Das Eckgebäude zum Töpferberg trägt die Nummer 1 der Bahnhofstraße. Es wurde 1893 als Hotel „Reichshof“ durch Gustav Reinhold Franke erbaut. Dafür musste ein einstöckiger Gasthof weichen. Es schließen sich prachtvolle Bauten mit Geschäftsräumen an. Bald folgt ein noch älteres kleines Haus, in dem früher eine Fleischerei war. Daneben befindet sich eine Villa mit Türmchen,welche zu DDR-Zeiten das Klubhaus der Textilarbeiter war. Hier fanden zahlreiche Veranstaltungen, Konzerte und Lesungen statt. Im Grundstück daneben steht eine weitere Villa mit schönem Park, davor befindet sich eine Bushaltestelle. Früher war hier ein Baubetrieb, heute ist es Sitz des Demokratischen Frauenbundes.

Beim Gang auf der anderen Straßenseite trifft man zuerst auf ein leerstehendes Haus. In diesem befand sich bis zu ihrem Umzug auf die Neustadt die Kreisredaktion der „Sächsischen Zeitung“, wo zu DDR-Zeiten die Kreisseite, die dienstags bis sonnabends erschien, entstand. Daneben folgt ein Friseurgeschäft und das Haus 6, wo einst die „Zittauer Morgen-Zeitung“ geschaffen wurde. 1935 bestand hier bereits eine Molkerei. Bemerkenswert ist das Deckengemälde über der Durchfahrt zum Hof. In einem weiteren leerstehenden Haus war die „Christian-Weise-Bibliothek“ mit ihrem großen Lesesaal untergebracht, bevor sie ins Salzhaus zog. Im Haus Nummer 18 wohnte einst der Bürgermeister Haberkorn. Es folgen einige Prachtbauten sowie Vorstadthäuser, wo es früher Büroartikel oder Backwaren gab, heute findet man hier unter anderem „Bild und Ton“ und ein Umzugsunternehmen.

Gegenüber steht eine weitere Villa, zu DDR-Zeiten der Sitz der Volkssolidarität. Daneben befindet sich das Gelände der 1845 gegründeten „Zittauer Societätsbrauerei“ mit Villa, vielen Nebengebäuden und den tiefen Braukellern, die 1991 geschlossen wurden „Das edle Zittauer“ prangte früher auf vielen Etiketten. Schräg gegenüber ließ 1897 Fritz Rothe das Hotel „Goldene Weintraube“ mit einem markanten Dacheckgiebel erbauen. Auch der Verlag der „Zittauer Morgen-Zeitung“ befand sich in diesem Gebäude. Doch schon 1938 informierte das Adressbuch nur noch über Verwaltungen, eine Gastwirtschaft und eine Sparkasse, die sich hier befanden. In den fünfziger Jahren hielt die Poliklinik Einzug und auch heute ist hier weiterhin ein Ärztehaus mit Apotheke zu finden. Daneben sieht man den Löwenbrunnen. Dessen barocke Löwenplastik (geschaffen von Anders und Jäch 1719) befand sich bis 1828 am Vorbau des Webertores und erhielt hier oben am Wasserbehälter seinen neuen Platz.

Links tragen die Häuser den Robur-Schriftzug, denn hier war einst der Hauptsitz des Betriebes. Seit 1921 saß hier die Verwaltung der Phänomen-Werke. Es folgt eine einst beliebte Konditorei mit Café, die später zum „Bahnhofsstübl“ wurde. Heute sind in deren Schaufenster Robur-Reliquien zu bestaunen.

An der Ecke der leicht abschüssigen Eisenbahnstraße stand von 1877 bis 2006 „Hütters Hotel“, zuletzt wurde es von den Robur-Werken genutzt.

Am Bahnhofsvorplatz, heute Platz des 17. Juni, steht das auch heute noch prachtvolle, 1859 erbaute, Bahnhofsgebäude. Davor befindet sich der Busbahnhof und seitlich davon der Zugang zum Schmalspurbahnhof. Deren Bahnen fahren seit 1890 hinauf ins Gebirge, der östliche Schienenweg nach Reichenau wurde dagegen 1945 eingestellt. Am Hang gegenüber den Schmalspurtrassen stehen drei prächtige Villen, die ebenfalls zu dieser Straße gehören, erbaut zwischen 1870 und 1905.

Nicht zuletzt wegen vieler Geschäfte, Praxen und Büros gehört die Bahnhofstraße, trotz einigem Leerstand, zu den attraktivsten Straßen Zittaus. Betriebe, Banken und Hotels gibt es hier allerdings keine mehr und es ist schade, dass Bahnreisende heute von einem verwahrlosten Abrissgrundstück begrüßt werden…