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Vom Phaeton in den E-Golf

Der Dresdner Oberbürgermeister rollt im Strom-Dienstflitzer. Der Umstieg fiel ihm nicht schwer. Seinem Fahrer vielleicht schon.

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© Ronald Bonß

Von Nora Miethke

Die letzte Fahrt im Phaeton V8 als Dienstwagen ging am 7. Juni zur Gläsernen Manufaktur von Volkswagen (VW). Dort wechselte Dirk Hilbert das Auto. Getreu dem Motto, ein Oberbürgermeister fährt das Auto, das in der eigenen Stadt gebaut wird, rollte er wenige Minuten später in einem Elektro-Golf wieder vom Manufaktur-Hof. Denn Ende März stellte VW die Fertigung des Phaetons in Dresden ein. Seit April wird dort der E-Golf montiert. Momentan sind es nur 35 Fahrzeuge am Tag. Aber im kommenden Jahr soll sich die Produktion verdoppeln.

Schmerzhaft sei der Umstieg für ihn von der Luxuslimousine auf den Mittelklassewagen nicht gewesen, betont Hilbert ein halbes Jahr später. „In der Stadt und im Regionalverkehr fährt sich der E-Golf als Dienstwagen sehr gut. Meinen Reiz sehe ich jedoch darin, das Auto bis an seine Grenzen zu testen“, sagt der OB und schmunzelt. Also ließ er sich von seinem Fahrer André Birnbaum im Dienst-E-Golf zum Diesel-Gipfel nach Berlin oder zu Terminen nach Leipzig und Prag chauffieren. Denn erst auf solch längeren Fahrten kommen die Schwachstellen zum Vorschein.

Wie die Verfügbarkeit von Ladestationen oder die fehlende Standardisierung von Steckdosen. Zum Diesel-Gipfel kam Hilbert buchstäblich mit dem letzten Tropfen „Strom“ vorm Kanzleramt an. Alle Ladesäulen im Umkreis waren belegt. Dagegen dürfen in Prag aus Gründen des Denkmalschutzes gar keine Ladesäulen im öffentlichen Raum stehen. Hilberts Fahrer erkundigte sich extra vorab, ob es am Hotel eine Ladesäule gibt. Gab es, doch vor Ort stellte sich heraus, die funktionierte nur mit Kraftstrom, und ausgerechnet der passende Adapter fehlte in der kleinen Adapter-Sammlung in Hilberts Kofferraum. „Gott sei Dank übernachteten wir. So konnte der E-Golf an eine normale Steckdose. Am nächsten Morgen war der Akku wieder zu zwei Dritteln voll“, erzählt André Birnbaum. Er hat inzwischen seine Tricks, um mehr Reichweite zu schaffen. Heizung und Klimaanlage bleiben aus, und über die Autobahn nach Berlin geht es nur mit Maximalgeschwindigkeit 95 Kilometer pro Stunde. „Das ich von einem LKW überholt werde, das gab es nicht einmal zu Trabant-Zeiten“, beklagte sich Birnbaum nach der ersten Dienstfahrt scherzhaft bei seinem Chef. Er plant jetzt jede Route intensiver.

Dazu gehört auch, die günstigen E-Tankstellen ausfindig zu machen. Denn die dritte Schwachstelle sind die uneinheitlichen Bezahlsysteme und überhaupt die Preisgestaltung. „Zwischen unentgeltlich Strom laden und bis zu 25 Euro für eine Batterieladung, die 250 Kilometer hielt, haben wir schon alles gezahlt. Die Preisspanne ist gigantisch“, so Hilbert.

Seine Erfahrungen schildert der Dresdner OB auch regelmäßig den Partnern von VW. Dirk Hilbert und VW-Sachsen-Chef Siegfried Fiebig haben eine Kooperation vereinbart, in der sich beide Seiten verpflichten, Dresden gemeinsam zu einer Modellstadt für die Mobilität der Zukunft zu machen. Mit der Kooperation laufe es „super“, so Hilbert. Er warte nur ungeduldig auf ein richtiges E-Auto mit mehr Reichweite, mehr Platz im Innenraum und besserer Konnektivität. „Damit wir nicht länger im Winter frieren und im Sommer schwitzen müssen, um die Batterie zu schonen“, sagt er und klopft dabei seinem Fahrer von hinten auf die Schulter.

„Ich habe mich sehr gefreut, dass wir über unsere Kooperation die Basis mit dafür geschaffen haben, dass VW entschieden hat, zunächst alle Elektromodelle in Sachsen zu bauen“, äußert der Stadtchef einen gewissen Stolz. Der weltgrößte Autobauer wird das Werk in Zwickau zum reinen E-Mobilitätswerk umbauen. Dort sollen ab 2019 neben dem neuen VW-Modell I.D. auch die E-Modelle von Audi und Seat vom Band laufen. Dafür wird die Marke VW rund eine Milliarde Euro in Zwickau investieren. Diesen Plan segnete der Aufsichtsrat im November ab.

„Wir sind zwei große Tanker – ein Weltkonzern und eine große Stadtverwaltung – die sich gegenseitig voreinander hertreiben, und so kommen wir schneller und innovativer voran“, sagt Hilbert. Der Start-up-Inkubator in der VW-Manufaktur ist eingerichtet, und die ersten Gründerteams brüten schon über Mobilitäts-Geschäftsideen. Die ersten Strom-Flitzer für den städtischen Fuhrpark wurden übergeben, und im September startete der erste intermodale Mobilitätspunkt am Bahnhof Neustadt.

Dabei bleibt es nicht. Die Stadt Dresden und VW arbeiten auch an gemeinsamen Projekten für das vernetzte, autonome Fahren. In einem Jahr, hofft der OB, werden die ersten Autos schon auf der geplanten Teststrecke unterwegs sein können. „Aber da muss natürlich immer noch ein Mensch hinter dem Lenkrad sitzen und kontrollieren“, beruhigt Hilbert seinen Fahrer.