Merken

Verzug am Flutschutzwall

Ein Staudamm im Seidewitztal könnte im Flutfall wirksam das Flüsschen im Zaum halten. Ob er gebaut wird, ist aber fraglich.

Teilen
Folgen
© Archivfoto: Frank Baldauf

Von Thomas Möckel

Pirna. Kommt ein Hochwasser auf Pirna zu, ist die Stadt gleich von mehreren Seiten bedroht. Da ist zum einen die sonst gemächlich dahinfließende Elbe, die sich im Flutfall in einen reißenden Strom verwandelt und die rechts- und linkselbische Stadtteile gleichermaßen unter Wasser setzt. Die schnelle Gefahr aber, sagt Birgit Lange, Chefin der Landestalsperrenverwaltung (LTV), komme aus dem Gebirge.

So könnte der Staudamm nebst dem Rückhaltebecken im Seidewitztal nahe Liebstadt einmal aussehen. Im Vordergrund ist die Brücke der Autobahn 17 zu sehen, die das Tal überspannt.
So könnte der Staudamm nebst dem Rückhaltebecken im Seidewitztal nahe Liebstadt einmal aussehen. Im Vordergrund ist die Brücke der Autobahn 17 zu sehen, die das Tal überspannt. © Visualisierung: LTV

Die Seidewitz und die Gottleuba gelten als Risiko, bringen sie doch immens viel Wasser nach Pirna, wenn es im Osterzgebirge heftig regnet. Vor allem an der Seidewitz gibt es noch keinen wirksamen Hochwasserschutz. Das effektivste Mittel sieht die LTV in einer Staumauer nebst Rückhaltebecken im Seidewitztal bei Pirna-Zuschendorf. Die Mauer könnte das Flüsschen aufhalten, wenn es außer Rand und Band gerät, und kontrolliert abfließen lassen. Zahlreiche Gebiete in Pirna, von Zuschendorf über Zehista bis in die Innenstadt,
wären geschützt. Noch weiß aber keiner, ob das Becken jemals gebaut werden kann.

Die LTV hat schon im Jahr 2011 beantragt, den Staudamm im Seidewitztal zu errichten. Bis heute gibt es allerdings keine Klarheit, ob er genehmigt wird. In dem langwierigen Verfahren standen dem Rückhaltbecken zwei gravierende Hindernisse im Weg. Der bisher geltende Regionalplan räumte dem Naturschutz im betroffenen Gebiet oberste Priorität ein. Aufgrund seiner besonderen Wald- und Kalkrasen-Biotope mit vielen seltenen Pflanzen und Tieren war das Tal 1997 zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Es ist Teil des europäischen Biotopverbundes „Natura 2000“. Der Hochwasserschutz war dort bislang nur nachrangig.

Der Naturschutz-Vorrang könnte in diesem Herbst aufgegeben werden – wenn der neue Regionalplan so beschlossen wird, wie er derzeit formuliert ist: Laut LTV-Chefin Birgit Lange würde dann in dem Areal des Seidewitztals der Flutschutz vor dem Naturschutz rangieren. Damit wäre die erste Hürde für den Dammbau genommen.

Doch es gibt noch zwei weitere Punkte. Zum einen ist nach wie vor ungeklärt, was aus der Talstraße nach Liebstadt wird, sollte der Damm gebaut werden. Liebstadt will einen Wegfall der wichtigen Verbindung nicht hinnehmen. Zum anderen käme die LTV nach eigenen Angaben auch bei geändertem Regionalplan nicht um ein naturschutzrechtliches Genehmigungsverfahren herum – wegen des europäischen Schutzstatus des Gebietes. Und dieses Verfahren hat es in sich. Denn die Talsperrenbehörde muss ausloten, ob es eine Alternative zum Rückhaltebecken gibt. „Wir waren ganz überrascht, dass jetzt noch einmal solche Forderungen auf uns zukommen“, sagt Birgit Lange. Es werfe das gesamte Verfahren zeitlich weiter zurück. Ob die Varianten tatsächlich Sinn machen, sei aus ihrer Sicht fraglich.

Hauptsächlich bringt die LTV eine sogenannte Flutmulde ins Spiel, die wie folgt aussehen könnte: Im Bereich Kohlbergstraße/Zehistaer Straße würde ein zweiter Ablauf für die Seidewitz gebaut – ein künstlicher Kanal, der nach Auskunft der LTV-Chefin entlang der alten Bahnlinie in Richtung Elbe verlaufen könnte. Diese Idee wirft gleich mehrere Probleme auf: Der Bau der Flutmulde wäre sehr aufwendig, schon planerisch, weil das Baufeld nicht komplett frei ist. Die Flutrinne, drei Meter breit und vier Meter tief, würde sich wie ein Fremdkörper durch Pirna ziehen, völlig ungenutzt – außer im Hochwasserfall. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Überlauf zu einer Müllhalde wird. Zudem wären alle Anlieger der Seidewitz, die südlich der Kohlbergstraße wohnen, im Flutfall weiterhin ungeschützt.

Aus Sicht der LTV ist dieses Flutmulden-Projekt keine wirkliche Alternative. Denn die Behörde ist weiter bestrebt, das Wasser schon vor Pirna aufzuhalten. Wolle man das erreichen, sagt Birgit Lange, helfe generell nur das Hochwasserrückhaltebecken im Seidewitztal.