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Versöhnung auf dem Friedhof

Jugendliche pflegen deutsche Soldatengräber in Meißen. Einige stammen aus ehemals von Deutschland besetzten Ländern.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Meißen. Der Regen macht ihnen nichts aus. Emsig bearbeiten die jungen Leute mit Sandpapier angejahrte Holzkreuze auf dem Meißner Neuen Johannesfriedhof. Hier in der Anlage „Gartenlage“ wurden in den Jahren von 1939 bis 1945 insgesamt 287 Kriegsopfer begraben. Vor allem Soldaten der Deutschen Wehrmacht, Mitglieder des Volkssturmes, Polen, die vermutlich für Deutschland kämpften, und auch vier Zivilisten. Für 76 Soldaten wurden Holzkreuze aufgestellt. Die bringen 24 junge Leute aus Russland, Weißrussland, der Türkei, Moldawien, Italien, Deutschland, Bulgarien, der Ukraine, Polen und Ungarn auf Vordermann. Die Kreuze werden nicht nur abgeschliffen und dreimal mit Holzschutz gestrichen, sie bekommen auch ein Kupferdach. Doch das ist nicht alles. Auch für die restlichen 211 Begrabenen werden jetzt derartige Holzkreuze ausgestellt. Die aus Eiche gefertigten Kreuze liegen schon bereit. „Damit behandeln wir alle diejenigen, die hier beerdigt sind, gleich“, sagt Jörg Schaldach vom Meißner Krematorium.

Möglich macht das ein Projekt der Kriegsgräberfürsorge. Beim internationale Workcamp des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Sachsen, das in diesem Jahr in Meißen stattfindet, leisten die Jugendlichen praktische Arbeit und pflegen Kriegsgräber. Darüber hinaus erkunden sie Sachsen und die Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Zehn Tage lang werden die Jugendlichen auf dem Meißner Friedhof arbeiten, aber nicht nur das. Auch Ausflüge nach Lidice, Prag und Dresden stehen auf dem Programm. Am Freitag geht es ins Dokumentations- und Informationszentrum Torgau. Hier setzen sie sich mit der Wehrmachtjustiz in Torgau und deren Rolle als Instrument der Einschüchterung und Verfolgung im Zweiten Weltkrieg auseinander. Aber auch aktuelle Themen stehen auf dem Programm: Die Gruppe besucht die Justizvollzugsanstalt Torgau - früher Wehrmachtsgefängnis, sowjetisches Speziallager und DDR-Haftanstalt - und informiert sich über den Strafvollzug in Deutschland.

„Meißen war ja bis kurz vor Ende des Krieges weitgehend verschont worden. Deshalb war eine ordentliche Beerdigung der Kriegsopfer möglich. Es gibt genaue Lagepläne, wer wo begraben ist“, sagt der engagierte Friedhofsverwalter Michael Käthner. Für den 24-jährigen Camp-Leiter Jan Elßner aus Radebeul ist es nicht der erste Einsatz. Vor zwei Jahren fand das internationale Workcamp auf dem Ehrenhain in Zeithain statt, im Vorjahr in Chemnitz. 40 derartige Camps organisiert die Kriegsgräberfürsorge jedes Jahr. Jugendliche aus ganz Europa können sich bewerben. „Amtssprache ist Englisch, aber auch Deutsch. Wer beides nicht kann, mit dem verständigen wir uns mit Händen und Füßen“, sagt Elßner .

Kriegsopfer sind in Meißen auf allen sieben Friedhöfen beerdigt, sagt Jörg Schaldach. Hier auf dem Neuen Johannesfriedhof finden sich auch Gräber von sowjetischen Soldaten. Auch 13 Serben, Kriegsgefangene aus dem Ersten Weltkrieg, sind hier beigesetzt. Auch an sie erinnern Holzkreuze, während die Gräber der etwa 100 Sowjetsoldaten mit Granitplatten abgedeckt sind. Insgesamt sind auf den Friedhöfen der Stadt 905 Kriegstote beigesetzt. „In den Staaten der früheren Sowjetunion werden jetzt Gedenkstätten für die gefallenen deutschen Soldaten errichtet. Es ist somit eine Pflicht der Stadt Meißen, die sowjetischen Ehrenmale zu erhalten, um die Aussöhnung der Völker einen weiteren Schritt voranzubringen“, sagt Jörg Schaldach.