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Unheilige Allianz

Die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik werden immer enger. Das ist gefährlich.

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© picture alliance/dieKLEINERT.de

Von Mathias von Hofen

Dass Unternehmen und Verbände versuchen, die Politik zu beeinflussen, um eigene Interessen durchzusetzen, ist Teil einer modernen Marktwirtschaft. Gefährlich wird es jedoch, wenn Lobbyisten zu viel Einfluss auf Entscheidungsprozesse der Politik gewinnen. Und es ist unübersehbar, dass in Deutschland die Zahl der Lobbyisten seit Jahren wächst.

Ein Beispiel dafür ist die Präsenz von Lobbyisten in den Ministerien. Immer öfter wirken Experten aus Unternehmen bei Gesetzesentwürfen mit. So arbeiteten nach Angaben von Lobbypedia, einem lobbykritischen Onlinelexikon, im Bundesverkehrsministerium zeitweise Mitarbeiter von Fraport, dem Flughafen Köln/Bonn und Daimler Chrysler mit. Besonders umtriebig ist die Bankenbranche, deren Vertreter vor allem in den Ministerien für Wirtschaft und Finanzen aktiv waren. Zwar ist durch eine Verwaltungsvorschrift aus dem Jahre 2008 der Zugang von externen Mitarbeitern zu den Ministerien beschränkt worden, doch nach Angaben von Lobbypedia gibt es noch genügend Schlupflöcher. Timo Lange, Politologe und Experte für Lobbyregulierung der Organisation Lobby Control sagte: „Externe können offiziell als Berater engagiert werden – hier würden wir uns klarere Regeln und mehr Transparenz wünschen. Auch befristete Beschäftigungen werden nicht erfasst.“

Ein weiteres Zeichen für die zunehmende Verflechtung von Wirtschaft und Politik ist der Wechsel führender Politiker und Beamter in die Wirtschaft. Das ist zwar nicht neu, doch dieser Trend hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Zwar wurde 2015 eine Verordnung erlassen, dass Politiker und Staatssekretäre frühestens ein Jahr nach dem Ausscheiden aus dem Amt in die Wirtschaft wechseln können. Allerdings gilt dies nur für Lobbytätigkeiten in Bereichen, in denen sie früher tätig waren. „An Transparenz mangelt es in den Ministerien noch an vielen Stellen. So bleibt in der Regel unbekannt, welche Interessenvertreter die Ministerialbeamten zu Gesetzentwürfen konsultiert haben“, so Lange.

In der Vergangenheit gab es viele Wechsel von Politikern in lukrative Lobbyisten- Tätigkeiten. Die Tätigkeit Exkanzlers Schröder bei Gazprom und sein Einstieg beim russischen Energieunternehmen Rosneft erregten ebenso Aufmerksamkeit wie die Beschäftigung des ehemaligen Staatsministers von Klaeden als Daimler-Cheflobbyist und das Engagement des früheren Chefs des Bundeskanzleramts Pofalla bei der Deutschen Bahn.

Dass Kanzlerin Merkel ihren Bundestagswahlkampf vom bisherigen Cheflobbyisten der Firma Opel, Joachim Koschnike, managen ließ, ist in Teilen der Öffentlichkeit ebenfalls kritisiert worden. Koschnike hatte erst im Frühjahr 2017 seine Tätigkeit bei Opel beendet. Und im Verkehrsministerium arbeitet nach Angaben von abgeordnetenwatch.de Nicole Schreiter als persönliche Referentin von CSU-Minister Dobrindt. Schreiter war zuvor als Lobbyistin für das Unternehmen „Autobahn Tank & Rast“ tätig.

Zu den Verbänden mit einer besonders effizienten Lobbyarbeit gehört der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelindustrie. Durch seinen Einfluss konnte laut Verbraucherorganisation Foodwatch die sogenannte Ampel zur Kennzeichnung des Zucker- oder Fettgehalts in Lebensmitteln verhindert werden. Der Lebensmittelverband befürchtete durch die Ampel einen negativen Einfluss auf seinen Umsatz.

Auch der Bundesverband der Investmentbranche war mit seiner Lobbyarbeit erfolgreich. Nach Angaben des ZDF durfte eine Lobbyistin des Verbandes am Gesetzentwurf zum Investmentmodernisierungsgesetz im Bundesfinanzministerium mitarbeiten. Das am Ende beschlossene Gesetz öffnete Hedgefonds in Deutschland die Türen und gewährte der Finanzbranche Steuererleichterungen in Höhe von über 600 Millionen Euro jährlich. Besonders großen Einfluss auf die Politik hat die Automobilindustrie. Durch das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Merkel und Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA, findet der Verband in der Bundesregierung stets Gehör.

Sehr rührig in Sachen Lobbyismusarbeit war lange auch die Vermögensberatung DVAG. Nach Berechnungen des Portals Abgeordnetenwatch war die DVAG im Jahr 2012 der drittgrößte deutsche Parteienspender. Und genau in diesem Jahr beschloss die schwarz-gelbe Koalition den „Pflege-Bahr“, die staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung. Von diesem neuen Geschäftsfeld profitierte die DVAG ebenso wie die Allianz, bei der Gesundheitsminister Bahr Ende 2014, nur zehn Monate nach dem Ausscheiden aus seinem Amt, als Generalbevollmächtigter einstieg.

Um die personellen Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft transparent zu machen, fordern Experten ein verbindliches Lobbyregister, bei dem alle in Berlin tätigen Lobbyisten aufgeführt werden sollen. Bisher gibt es nur ein freiwilliges Register für Verbände.

Doch was in diversen anderen europäischen Ländern längst der Regelfall ist, stößt in der deutschen Politik teilweise auf Skepsis. Grüne und Linke fordern die Einführung eines solchen Registers. Grundsätzlich tut dies auch die SPD, doch hat sie in der vergangenen Legislaturperiode das Thema in der Regierung nicht voranbringen können. Die Union steht einem Lobbyregister und mehr Transparenz ablehnend gegenüber. FDP-Chef Lindner hat sich Ende August ebenfalls dagegen ausgesprochen.

Lobbycontrol sieht die Demokratie in Deutschland durch den wachsenden Lobbyismus gefährdet: „Demokratie droht, zu einer leeren Hülle zu werden, in der zwar den formalen Anforderungen an demokratische Entscheidungen entsprochen wird, die Inhalte jedoch abseits davon durch kleine Elitezirkel geprägt werden.“