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Ungewisse Zukunft für Sportnachwuchs

Viele junge Leistungssportler lernen an der 10. Grundschule. Das Erfolgsmodell ist nun in Gefahr.

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© Christian Juppe

Von Juliane Richter

Larissa beherrscht den Spagat perfekt. Nicht nur in der Turnhalle, sondern auch zwischen Leistungssport und Schule. Vier- bis fünfmal die Woche hat sie Turntraining, meist direkt im Anschluss an den Unterricht. Ein eigens organisierter Bus fährt sie, genauso wie die anderen Turner, den Eislöwennachwuchs, Eiskunstläufer und Wasserspringer, von der 10. Grundschule am Großen Garten zur DSC-Trainingshalle in der Friedrichstadt. Larissas Mutter Candy Grunert, zugleich Elternratsmitglied, ist von dem System überzeugt. „Nur so können die Kinder beides schaffen. Berufstätige Eltern können ihr Kind ja nicht mittags zum Training fahren.“

Ein sportliches Profil gibt es offiziell für Grundschulen nicht. Die 10. Grundschule ist jedoch seit Jahrzehnten inoffiziell genau dafür bekannt. Von den zwei Klassen eines Jahrgangs setzt sich meist eine aus dem stadtweit wohnenden Leistungssport-Nachwuchs zusammen, die andere – wie üblich – aus Kindern der Umgebung. Doch das System gerät nun ins Wanken. Grund dafür ist die steigende Kinderzahl in dem Grundschulbezirk Altstadt 1, zu dem auch noch die 16., 102., und 113. Grundschule gehören. Neue Wohnungen entstehen oder sind geplant, wie zum Beispiel in der Lingnerstadt. Die Schülerzahlprognose zeigt plötzlich steil nach oben.

Die Innenstadtverdichtung zeichnet sich seit Jahren ab und wird von der Stadtverwaltung befördert. Die daraus folgende Platznot in den vorhandenen Schulen wurde dagegen lange nicht bedacht. Der neue Schulnetzplan, beschlossen im Januar im Stadtrat, soll nun entgegenwirken. Die Verwaltung hatte darin auch vorgesehen, dass die 10. Grundschule mit der nur etwa 500 Meter entfernten Schule für Erziehungshilfe „Erich Kästner“ die Gebäude tauscht. Damit hätte die 10. Grundschule im deutlich größeren Haus dann vier Klassen pro Jahrgang bilden können.

Der Stadtrat hat dem Plan widersprochen, weil die Schule für Erziehungshilfe nicht umziehen möchte. Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dana Frohwieser, sagt dazu: „Wir spielen nicht die Bedürfnisse der Kinder gegeneinander aus. Außerdem hätte der Gebäudetausch schon 2019/20 nicht mehr ausgereicht, um das Sportprofil zu sichern.“ In den Schulnetzplan wurde stattdessen geschrieben, dass eine neue Grundschule im Bereich der Lingnerstadt gebaut werden soll. Bis die in Betrieb gehen kann, dauert es laut Falk Schmidtgen, Chef des Schulverwaltungsamtes, aber mindestens sechs Jahre.

Ein zweiter Punkt ist, dass die Verwaltung bis Ende April prüfen soll, ob im Sportschulzentrum am Messering eine Grundschule für jene Kinder mit sportlicher Begabung eingerichtet werden kann. Genügend Räume scheinen vorhanden. Laut Schmidtgen ist der Verwaltungsweg jedoch so lang, dass selbst bei positiver Prüfung zum neuen Schuljahr kein Umzug mehr stattfinden kann. „Schon für den Sommer 2019 wäre eine Realisierung schwierig“, sagt er. Der Elternrat der 10. Grundschule und vor allem auch die Sportvereine befürchten, dass die kleinen Leistungssportler das Nachsehen haben, weil die im Grundschulbezirk wohnenden Kinder natürlich den Vorzug erhalten.

Die reibungslose Zusammenarbeit zwischen Schule und Verein könnte unterbrochen werden. „Aber ob man das nach ein paar Jahren Pause so alles wieder in Gang bringen kann?“, zweifelt DSC-Turntrainerin Ina Feurig. Seit 2000 trainiert sie die Jüngsten. Die meisten Kinder hätten an der 10. Grundschule gelernt. „Es gab nur ein paar wenige Ausnahmen, in denen Kinder andere Schulen besucht haben. Sie hatten sehr enthusiastische Eltern oder eine Oma, die das Kind jeden Tag mittags in die Halle gebracht haben“, sagt sie. Für die Eltern bietet die Kooperation mit der 10. Grundschule das „Rundumsorglospaket“, wie Vater Conny Jacob sagt. Dessen achtjähriger Sohn Patrick gehört zum Eislöwennachwuchs. Für wichtige Wettkämpfe wird er problemlos freigestellt, bei Hausaufgaben und Tests wird ebenso Rücksicht genommen. Außerdem gibt es eine Hausaufgabenbetreuung in der Halle. Gleiches gilt für die anderen Nachwuchssportler.

Kommendes Schuljahr wird vermutlich noch wie gewohnt ablaufen. Insgesamt 56 Erstklässler haben sich an der 10. Grundschule angemeldet. Wie es danach weitergeht, ist ungewiss. Die SPD-Fraktion hofft auf die neue Universitätsschule. Doch ob diese überhaupt gegründet wird, ist bisher auch noch fraglich.