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Umbau im heimlichen Kulturhaus

Die Eigentümer des Bischofssitzes investieren in den Erhalt von Bibliothek und Galerie in Bischofswerda. Nicht nur neue Räume entstehen.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Von der Dresdener Straße aus erscheint der Bischofssitz als ein Gebäude wie viele andere in der Stadt. Reihenhaus, solide saniert. Anders die Rückseite. Hier eröffnet sich die Dimension des zweihundert Jahre alten Anwesens. Ein imposanter Bau mit Türmchen, Brunnen im Innenhof und großem schmiedeeisernen Tor. Die Stadt ist einziger Mieter, brachte hier nach der Wende wechselnde Einrichtungen und Ämter unter, vor allem die der Kultur. Viele nehmen das heute als ein Haus der Kultur wahr –  mehr noch als das Kulturhaus, das trotz Investoren-Ankündigungen im Dornröschenschlaf liegt. Im Bischofssitz sind Bibliothek und Carl-Lohse-Galerie der Stadt untergebracht. Damit das so bleibt, wird derzeit im großen Stil umgebaut.

Der Bischofssitz: Im Haupthaus vorn entstehen neue Galerieräume, rechts wird der Fahrstuhl eingebaut.
Der Bischofssitz: Im Haupthaus vorn entstehen neue Galerieräume, rechts wird der Fahrstuhl eingebaut. © Steffen Unger

Die Galerie verlässt ihre bisherigen Räume im Seitenflügel. Sie bekommt neue im Erdgeschoss des Haupthauses, die bisher Büros waren. Die Eröffnung der ersten Ausstellung dort ist für den 20. Oktober geplant. Dann präsentiert sich die Bischofswerdaer Künstlerin Barbara Beger mit ihrer Schau „Viel art“. Ein Rückblick auf 20 Jahre Arbeit. Pläne, jene Räume für den Beginn eines neuen Stadtmuseums zu nutzen, die jetzt die Galerie bekommt, gab es vor zwei Jahren. Es gibt sie immer noch, aber nicht mehr für diesen Ort. Die Arbeit daran laufe, sagt Rathaussprecher Sascha Hache.

Der Umzug der Galerie hat einen Grund, der den Bischofssitz zur Großbaustelle werden lässt. Ihr bisheriger Platz wird gebraucht für den Einbau eines Fahrstuhls und eines neuen zweiten Haupteinganges. Beides dient dazu, Barrierefreiheit herzustellen, sodass jeder künftig ungehindert Zugang hat. Aufzug und neuer Eingang sind Teil eines zweiten Bauabschnittes, der sich ins nächste Jahr ziehen wird.

200 000 Euro werden investiert

Die Investoren sind die Eigentümer des Bischofssitzes. Sie wohnen und arbeiten im Westen. Ihren Familienbesitz im Osten haben sie aber nie aufgeben wollen oder gar vernachlässigt. Aktuell investieren sie rund 200 000 Euro. „Wenn das reicht. Wir werden an allen Ecken und Enden überrascht“, sagt Michael Thünker, der Bevollmächtigte der Eigentümer-Erbengemeinschaft.

Der Bau war unumgänglich. Der jahrzehntelange Mietvertrag der Stadt im Bischofssitz läuft noch bis 2020. Mehrfach hatte das Rathaus in den letzten zwei Jahren laut darüber nachgedacht, nicht zu verlängern. Die Diskussion kam im Zusammenhang mit dem nie dagewesenen Sparkonzept auf, das im Herbst 2015 für die Jahre bis 2018 beschlossen wurde. „Schön, aber zu teuer“, sagte OB Holm Große damals über den Bischofssitz als Mietobjekt. Darüber hinaus gab es Sicherheitsmängel aufgrund fehlender Brandschutzvorkehrungen. Es drohte die Schließung der öffentlichen Einrichtungen. Nun werden Rettungswege neu gestaltet sowie Notfallalarm und Brandmeldeanlagen eingebaut. Das Rathaus lässt es offen, wie es nach 2020 weitergeht. Der Wunsch der Eigentümer ist es, dass die Stadt Mieter bleibt, sagt Michael Thünker. „Aber wir können alle nicht in die Zukunft schauen und haben Verständnis, wenn das nicht klappt.“ Umgebaut werde jetzt so, „dass eine spätere Nutzung auch anderweitig möglich ist“. Seit der Wende hat Familie Thünker Millionen in das Anwesen gesteckt. Mit der Kernsanierung von 1990 bis 1992 wurde es vor dem Verfall gerettet. Weitere Arbeiten gab es 2009 an Dachstuhl und Dach am Gebäude Dresdener Straße. Neue Fenster wurden eingebaut. Die Erbengemeinschaft mit Michael Thünker, einem Bruder, einer Cousine und einer Tante sei sich immer einig gewesen, dass investiert werden muss.

Haus mit Fabrikantengeschichte

Dass sich die Nutzung der Immobilie als offenes Haus der Kultur bis heute erhalten hat, freut die Eigentümer. Seinen Ursprung hat das in der DDR. Es war 1986, als damalige Verantwortliche bei der Stadt die Idee hatten, „in unserem Haus ein Begegnungs- und Kulturzentrum einzurichten“, erzählt Michael Thünker. Die Stadt habe das Gebäude sogar kaufen wollen. Dann kam die Wende. Aufgegriffen wurde die Idee wieder nach 1989 – und die Stadt Mieter.

Entstanden ist der Bischofssitz beim Wiederaufbau nach dem Stadtbrand 1813. Hier wurde 1889 die Knopffabrik Henke & Stier von Ernst Hermann Henke gegründet. Nach 1918 entstand ein Zweigbetrieb in Belmsdorf, ab 1953 lief nur noch dort die Produktion. 1972 wurde das Unternehmen verstaatlicht und 1992 durch die Treuhand reprivatisiert. Daraus hervor ging die SchoPlast Plastic GmbH. Familie Thünker ist Eigentümer des Bischofssitzes seit den 1920er-Jahren. Sie nutzte das Schmuckstück lange als Wohnhaus und Musterfabrik für den Betrieb Henke & Stier. Michael Thünkers Großmutter Elisabeth Thünker starb 1975 in München. Seither gehört der Bischofssitz einer Erbengemeinschaft.