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Tschechiens rechter Vorzeige-Migrant

Tomio Okamura ist aus Japan eingewandert. Heute führt er eine Partei, die das Land gegen alles Fremde abschotten will.

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© imago/CTK Photo

Von Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag

Tomio Okamura schwebt derzeit auf Wolke sieben. Zwei Wochenenden hintereinander zieht der 45-jährige Tschecho-Japaner mit seiner rechtsextremen „Partei der Freiheit und der direkten Demokratie“ (SPD) uneingeschränkt die Aufmerksamkeit der Medien in seinem Land auf sich. Am Sonnabend wird zudem auch Europa auf ihn schauen. Da ist Okamura Gastgeber für ein Treffen von führenden Rechtspopulisten des ganzen Kontinents.

Am vergangenen Wochenende schon konnte er sich höchster Wertschätzung erfreuen: Da war Staatspräsident Milos Zeman als Ehrengast zu einem Parteitag der Rechtsextremen gekommen, um diese ausgiebig zu loben: „Ich stimme in fast allen Punkten inhaltlich mit Ihnen überein“, rief er ihnen unter Beifallsstürmen zu. Brüder im Geiste sind Zeman und Okamura vor allem in der Migrationsfrage. „Kein Fußbreit tschechischen Territoriums für islamische Flüchtlinge“, lautet beider Credo. Okamura will gleich den ganzen „Islam verbieten“. Zunächst könnte es aber schon mal hilfreich sein, „Schweine vor die Moscheen zu treiben“. Als Abschreckung sozusagen.

Zemans Auftritt bei der Okamura-Partei war auch ein Stück Berechnung: Will der Präsident im Januar die Direktwahl für eine zweite fünfjährige Amtszeit gewinnen, braucht er die Stimmen vom rechten Rand. In ihrer Entschließung versprachen die Delegierten demjenigen Kandidaten ihre Unterstützung, der sich als „Patriot“ erweist, die „illegale Einwanderung und die Islamisierung der Gesellschaft“ entschieden ablehnt, „die Interessen unseres Landes schützt und unbarmherzig gegen den internationalen Terrorismus kämpft“. Den Namen Zeman mussten die Delegierten nicht extra erwähnen; jeder Tscheche weiß auch so, dass der amtierende Präsident genau dieses politische Profil verkörpert.

Wie Zeman im Gegenzug auch keinerlei Problem darin sähe, eine Regierung unter direkter oder indirekter Beteiligung der Okamura-Leute und der ungewendeten Kommunisten zu ernennen.

Die Partei des Tschecho-Japaners hatte bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus mehr als eine halbe Million Stimmen und damit ein zweistelliges Ergebnis erhalten. Es fehlte nicht viel und Okamuras Truppe wäre gar zweitstärkste Fraktion geworden. Dieser Erfolg hat viel mit der Rastlosigkeit und der medialen Präsenz Okamuras zu tun. Schlaf scheint der jungenhaft und gern fröhlich daherkommende Mann kaum zu brauchen. Schon morgens um neun Uhr setzt er regelmäßig seine erste Nachricht auf Facebook ab. Nicht einfach ein paar sinnfreie Zeilen mit drei Smileys, wie Normalsterbliche. Nein, Okamura war da schon im Studio und erklärt seinen mehr als 270 000 „Freunden“ und fast so vielen Abonnenten „seine Welt“ im Videoformat vor einer Leinwand mit dem Parteilogo. Mehr als 8 500 Menschen folgen ihm zudem auf seinem Youtube-Kanal, 4 500 auf Twitter. Bis zu 10 000 lesen seinen Blog in der größten seriösen Zeitung Tschechiens.

Chancenlos in der Heimat

Vielleicht hat das frühe Aufstehen damit zu tun, dass Okamura in Tokio geboren wurde. Die Japaner sind den Tschechen von den Zeitzonen her acht Stunden voraus. Andererseits hat der Sohn einer Tschechin und eines Japaners erst einmal nur die ersten sechs Lebensjahre in seinem Geburtsland verbracht. Danach zog er mit seiner Mutter in die Tschechoslowakei, lebte ein paar Jahre auch in einem Kinderheim, wo er gemobbt wurde. Das führte dazu, dass er bis zu seinem 22. Lebensjahr stotterte.

Nach dem Abitur und einem Chemiestudium kehrte er nach Japan zurück, wo er sich jedoch als Müllmann und PopcornVerkäufer in einem Kino durchschlagen musste. Weil er sich auch in seinem Geburtsland diskriminiert fühlte und keine Karrierechancen sah, siedelte er wieder nach Prag über. Dort arbeitete er beim Verband der Reisebüros, wurde dessen Vizepräsident und Sprecher, der ständig im Fernsehen kluge Sätze sagte. Etwa solche: „Wir müssen mehr Ausländer anlocken. Aber dafür müssen wir im Tourismus sehr viel besser werden.“

Er selbst bevorzugte ebenfalls gezielt Ausländer bei den Einstellungen in sein Reisebüro und seine Restaurants. In seinem Buch „Der tschechische Traum“ nannte er einen konkreten Grund dafür: „Ausländer arbeiten meiner Meinung nach besser als Tschechen.“ Heute gehört Okamura zu den wohlhabenden Tschechen, ist Euro-Millionär. Nur mit den Ausländern – konkret mit den muslimischen aus Nahost oder Afrika – hat er es nicht mehr so.

Jetzt stehen bei ihm die Einheimischen im Mittelpunkt. Den älteren Tschechen versprach er vor den Wahlen auch eine exorbitante Rentenerhöhung, die realitätsbezogene Politiker anderer Parteien „hirnrissig“ nannten, weil es dafür überhaupt kein Geld gebe. Diese Ankündigung aber und seine unverblümt vorgetragene Fremdenfeindlichkeit, die sich zudem auch noch mit dem offenen Hass auf die Roma-Minderheit in Tschechien paart, haben Okamura seinen Erdrutscherfolg beschert.

Am Sonnabend folgt nun seine internationale Feuertaufe. Da beherbergt er in Prag unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen um die 1 000 Teilnehmer einer Konferenz der rechtsextremen EU-Parlamentsfraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“. Angesagt dazu haben sich unter anderen Marine Le Pen aus Frankreich, Geert Wilders aus den Niederlanden, Janice Atkinson von der britischen Ukip und Marcus Pretzell von den Blauen aus Deutschland. Sie wollen über eine engere Kooperation sprechen mit dem Blick auf ein „Europa souveräner Nationen“. Dass Okamura die Federführung hat, ist bemerkenswert, sind seine hochrangigen Gäste in ihren Ansichten doch vergleichsweise gemäßigt.

Eine große Prager Zeitung widmete dem Treffen schon Tage vorher ihren Aufmacher, dazu die komplette Seite 3 sowie einen Kommentar auf Seite 1. Okamura wird es mit Genugtuung registriert haben.