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Tiefgekühlte Exotik

Bei Frigolanda in Kamenz werden Früchte aus aller Welt gelagert. Unter anderem für die Unternehmensgruppe Müller.

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© Uwe Soeder

Von Ina Förster

Das Rolltor surrt leise, als es sich hinter uns schließt. Etwas unheimlich ist es in der riesigen Eishalle. In der Ferne stapelt ein Mitarbeiter kleine und größere Boxen. Sie werden durch den LED-beleuchteten Raum gekarrt. Erdbeerwürfel, Himbeer-Grieß, Heidelbeeren aus Kanada, Kiwis aus Neuseeland. Dutzende Sorten Obst aus aller Herren Länder liegen hier. Gut beschriftet, logistisch perfekt angeordnet. In der Halle nebenan warten bereits die Mitarbeiter der Sortierung der Firma Müllermilch auf die Früchte zur weiteren Verarbeitung. Fremdkörper, wie Kernsplitter, Stiele, Blätter – das alles muss raus aus dem Obst. In Joghurt, Quark und Co. macht es sich später schlecht. Seit 2008 läuft die Sortieranlage hier in Bernbruch. Bevor das Obst in Leppersdorf für die eigentliche Produktion gebraucht wird, kommt es in Kamenz an. Und Müllermilch nutzt die örtlichen Gegebenheiten im Kamenzer Kühlhaus.

Auf 9000 Quadratmeter Fläche

Der Rundgang geht weiter: Die Atemluft hängt wie ein Nebelbausch vor den Mündern. Und die feinen Nasenhärchen gefrieren sofort. Das hier sind Minus 20 Grad! Gut, dass Holger Nietzschmann dicke Daunenjacken im warmen Büro angeboten hat. Fast hätte man heldenmutig abgelehnt. Draußen sind es entspannte 18 Grad. Und die Reportage soll nicht ewig dauern. Wer die Firma Frigolanda im Kamenzer Ortsteil Bernbruch besucht, sollte allerdings auf den Chef hören. Auch eine schriftliche Anmeldung mit Unterschrift und Ankunftszeit ist empfehlenswert, damit man lückenlos nachverfolgen kann, wer hier wann ein- und ausspaziert ist. Verloren gehen möchte auf den 6 000 Quadratmeter Tiefkühlfläche und den 3 000 Quadratmeter Fläche für Frischware niemand. Das aktuelle Team aus 18 Mitarbeitern inklusive Chef ist firm. Die Vorschriften gelten aber auch für sie.

Holger Nietzschmann arbeitet viele Jahre in der Tiefkühlbranche, ist seit 2006 im Unternehmen und seit 2007 Geschäftsführer der Frigolanda Dresdner Kühlhaus GmbH. Früher studierte er eigentlich in Freiberg Bergbau. Aber wie das so war in den Nachwendejahren – es kam erstens alles anders und zweitens, als man dachte. Der 53-Jährige zeigt durch den riesigen Raum. Das hier ist heute seine Welt. Er grüßt ein paar Mitarbeiter, die eingemummelt durch die hellen Räume stiefeln. Hier und da hört man Lachen, Gespräche zwischen Kollegen. So hält man sich bei Laune. Feste Pausen sind gesetzlich vorgegeben. Anders hält man die Kälte auf Dauer nicht aus. „Andererseits sage ich immer: Bei dieser Arbeit hier friert man eigentlich nicht so schnell. Wenn doch, macht man definitiv etwas falsch“, schmunzelt Holger Nietzschmann.

Frigolanda cold logistics

Die Frigolanda ist eine holländische Gruppe, die 1986 gegründet wurde. Sie betreibt Kühlhäuser in Deutschland, Belgien, Holland, Polen.

In Dresden liegt das Augenmerk auf kleineren Firmenkunden. Chef‘s Culinar beliefert von hier aus z.B. Krankenhäuser, Kitas und Schulen und hat Hallen angemietet. Auch das Unternehmen Deutsche See beliefert ab hier sämtliche Kunden mit Frischfisch. Auch Emil Reimann lagert bis 1500 Paletten Stollen ein. Zwei Angestellte von Frigolanda arbeiten vor Ort.

Das Cottbusser Lager fungiert als Pufferlager, wenn es in anderen eng wird. Und betreut mehrere, kleine Firmen als Kunden. Auch hier sind nur zwei Mitarbeiter zugange.

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Dass es ihn einmal zurück nach Kamenz verschlägt, hätte er nicht gedacht. „Ich bin hier aufgewachsen, habe an der EOS Abitur gemacht. Aber 1988 zog ich nach Dresden, wollte eigentlich nicht wiederkommen“, blickt er zurück. Bei Frigolanda ist er heute angekommen. Und somit wieder in Kamenz, wo die holländische Gruppe 1994 den Zuschlag zur Übernahme des ehemaligen VEB Kühlbetriebe Dresden erhielt. Schon in den Jahren 1974 bis 1978 wurden die Hallen am Rand der Lessingstadt gebaut. Damals gab es hier noch keinen Kreisverkehr, kein großes Gewerbegebiet. Ringsherum nur Feld und Wald. Und ein Bahnanschluss direkt bis an die Verlade-Rampen. „Hier lagerte die Regierung ihre Staatsreserve“, weiß Nietzschmann. Butter, Getreide, Fleisch. Alte Fotos existieren. Die hat der Chef in einem Hefter aufbewahrt. Auf ihnen schieben Männer in langen Schürzen Dutzende Schweinehälften in die Schockfrostung und später in die Kühlräume. Zwei Arbeiter aus dem aktuellen Team waren damals übrigens schon an Bord. Sie haben die Umschwünge miterlebt, das viele Auf und Ab. Bereits 1990 wurde aus dem VEB Kühlbetriebe Dresden die Dresdner Kühlhaus GmbH. Diese verkaufte die Treuhand vier Jahre später an die Frigolanda-Gruppe. Gleichzeitig wurden somit mehrere Kühlhäuser der Region übernommen. Von Anfang bis heute waren die Kühlhäuser in Dresden, Cottbus und Kamenz dabei. In den Jahren 1996 / 97 wurde noch einmal die komplette Kältetechnik umgerüstet. Der Rest steht heute fast noch im Original.

Bis 70 000 Tonnen pro Jahr bewegt

Angekommen bei der Abwiegung und damit wieder beim Hauptkunden, werden gerade Kirschen zum Abwiegen abgeholt. Müllermilch arbeitet in vier Schichten. Montag bis Sonntag. Dadurch schläft das Kamenzer Kühlhaus nie. „In den Neunzigern gab es hier schon einmal rege Betriebsamkeit, als sich Langnese und Schöller eingemietet hatten“, so der Geschäftsführer. Lange haben sich diese Firmen zurückgezogen. Viele Kamenzer erinnern sich noch an die bunten Lkw, die täglich ein- und ausfuhren. Ruhiger geworden ist es deshalb trotzdem nicht. Dank Müllermilch werden jährlich 60 bis 70 000 Tonnen Früchte bewegt. 20 bis 30 Warenlieferungen rollen auf 24-Tonnern pro Woche in Aufliegern und Containern an. „Die Tiefkühllogistik-Branche in Deutschland ist heute wie eine Familie. Es gibt viele kleinere und größere Betriebe.“

Draußen warten 18 Grad. Sie kommen einem vor wie der Hochsommer persönlich. Holger Nietzschmann sammelt alle Wattejacken ein. Für ihn geht es jetzt im Büro weiter. Er muss dafür sorgen, dass das Geschäftsmodell floriert. Mit Option gibt es Verträge mit Müllermilch. Was anschließend kommt? Es wird weiter gehen. Man hat einen Namen in der Branche.