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Streit um Filetgrundstücke

Zwölf Jahre lang hat Radebeul eine Fläche in bester Lage vergeblich angeboten – jetzt soll sie häppchenweise an heimische Firmen verkauft werden.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich

Radebeul. Wer ein wenig Ahnung vom Handel mit Gewerbegrundstücken hat, wunderte sich immer wieder, dass die Filetstücke in bester Lage an der Meißner Straße in Radebeul-Mitte keiner haben will. Erst hat die Stadt diese Flächen teuer eingekauft. Mehr als halbe Million Euro wurden dafür 2005 ausgegeben. Dann sind sie angeboten worden wie Sauerbier.

Nichts passierte wirklich. Jörg Müller (parteilos), Radebeuls Erster Bürgermeister und auch für die Wirtschaftsförderung verantwortlich, geht jetzt mit seiner dafür zuständigen Mitarbeiterin, Gabriele Bäßler, neue Wege. Das über 20 000 Quadratmeter große Areal zwischen dem Grundstück der Enso an der Meißner Straße und dem Pharmapark – also den Hausnummern 173 bis 191 – soll jetzt häppchenweise verkauft werden.

7 500 Quadratmeter stehen zum Verkauf. Es ist die Fläche vor dem schwedischen Parmabetrieb Meda, direkt an der Meißner Straße. Die Anbindung ist super. Die Autobahn nicht weit. Einzig der bevorstehende Ausbau der Meißner Straße in diesem Abschnitt, geplant im nächsten Jahr, könnte manchen noch abwarten lassen. Aber die Stadt sagt, dass das benachbarte Grundstück allenfalls als Baustellennebenfläche gebraucht würde.

32 Euro je Quadratmeter ist der Verkehrswert nach einem Gutachten der Stadt. Macht 240 000 Euro für alles. Müller nach der Ausschreibung im Amtsblatt: „Wir würden es gerne auch getrennt in drei bis vier Gewerbeeinheiten veräußern, von 1 000 bis 3 000 Quadratmeter wären möglich.“

Der Erste Bürgermeister und seine Wirtschaftsförderin Bäßler hatten in den letzten Jahren immer wieder Anfragen zu dem Areal. Allerdings blieb es letztlich bei Interessensbekundungen. Selbst auf Deutschlands größter Gewerbeimmobilienmesse Expo Real in München wurde der Standort feilgeboten. Vergeblich. Die reichlich 20 000 Quadratmeter waren offenbar vielen zu viel.

Ärgerlich, zumal die Stadt die Grundstücke vor zwölf Jahren in großer Hoffnung für einen Quadratmeterpreis von 35 Euro zusammengekauft hatte. 22 000 Quadratmeter mal 35 Euro macht eine Dreiviertelmillion Euro – nur fürs Grundstück. Zumal auch in der neuen Ausschreibung deutlich steht, dass hier noch Zusatzkosten draufkommen, wie etwa zurückzubauende alte Rohrleitungen sowie die Zufahrt von der Meißner Straße. Allein damit war der hiesige Mittelstand offenbar überfordert.

Die Stadt hatte zudem deutlich gesagt, dass hier bevorzugt zum Pharmapark passendes Gewerbe gewünscht wird. Eindeutig ausgeschlossen werden auch jetzt in der Ausschreibung zum Beispiel „Automobilhandel sowie dazugehöriger Service und Tankstellen“.

Jetzt bahnt sich die von der Stadt gewollte Lösung für zumindest einen Teil des Areals an. Für die 7 500 Quadratmeter gibt es Bieter. Nahezu alle sind einheimische Firmen: die Sächsische Haustechnik Dresden GmbH mit der Filiale in der Sevening-straße, die Käppler Elektrotechnik GmbH aus Radebeul, Brückner Technik GmbH aus Dresden, den Malerfachbetrieb Mario Scholz aus Radebeul, ITB-Dresden GmbH betreibt in Radebeul das Asylbewerberheim, Elektromeister Ralf Buchert und den Gewerbeparkbetreiber Manfred Meyer, beide aus Radebeul.

Die eingegangenen Gebote gehen über die verkaufbare Fläche hinaus, heißt es aus der Wirtschaftsförderung. Jede der Firmen möchte zwischen 1 000 und 2 000 Quadratmeter erwerben. Deshalb, so Bürgermeister Müller, würden die ersten vier zum Zuge kommen, so diese weiter kaufen wollen. Immerhin: Die Gebote liegen bei 35 Euro je Quadratmeter. Das ist der Wert, den die Stadt 2005 beim Erwerb aus dem ehemaligen Besitz des Arzneimittelwerks Dresden eingesetzt hat. Allerdings müssen die Käufer die Zufahrtsstraße selbst bezahlen.

Am Mittwochabend lag der Verkaufsvorschlag der Wirtschaftsförderung als Beschluss vor den Stadträten. Doch aus deren Reihen kam nicht nur Zustimmung. Vor allem störten sich die Räte von Bürgerforum/Grüne und SPD daran, dass der Verkauf nicht auch im Stadtentwicklungsausschuss ausführlich beraten wurde. Tobias Plessing (Bürgerforum/Grüne): „Das Wertgutachten sagt 68 Euro je Quadratmeter. Das ist eine relativ besondere Lage. Wir sollten eine Vorgabe machen, wie dort gebaut werden darf.“ Das sei auch eine Stadtgestaltungsfrage. Auf der anderen Seite der Straße stehen denkmalgeschützte Villen. „Wir sollten beraten oder die Sache sogar abblasen“, meinte Thomas Gey (SPD).

Auch Frank Sparbert (FDP) und Ulrich Reusch (CDU) haben Bedenken, sprachen sich aber letztlich für den Verkauf an hiesige Handwerker aus. Reusch: „Wir können nicht immer von Wirtschaftsförderung reden und dann in Schönheit sterben, weil wir nicht die Chipfabrik oder das große Pharmaunternehmen bekommen haben.“

Letztlich stimmte eine Mehrheit von 17 Räten, bei acht Gegenstimmen und sechs Enthaltungen, für den Verkauf der Grundstücke. In den nächsten Tagen wird mit den Bietern gesprochen, sagt Baubürgermeister Jörg Müller. Die Stadt möchte den Verkauf bis zum Ende des ersten Quartals 2018 abwickeln.

Kontakt: [email protected]