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Stöcker will Siemens-Gelände nutzen

Der Euroimmun-Chef hat ein Angebot für den Görlitzer Standort unterbreitet. Er plant, einen Teil der Werkhallen und 500 Maschinenbauer zu übernehmen.

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© Pawel Sosnowski/dpa

Görlitz. Das Lübecker Medizintechnik-Unternehmen Euroimmun hat der Siemens AG ein Angebot für Teile des Görlitzer Siemens-Standortes unterbreitet. Wie Euroimmun-Vorstandsvorsitzender Winfried Stöcker der SZ bestätigt, sei er an mehreren Gebäuden interessiert und würde 500 Maschinenbauer von Siemens übernehmen. Ein erstes Gespräch hat nach seinen Angaben am Freitag stattgefunden. Siemens wollte gestern zu Stöckers Ankündigungen keine Stellung nehmen. Der Konzern konzentriert sich derzeit ganz auf die Gespräche mit den Sozialpartnern.

Winfried Stöcker hat bereits im Landkreis Görlitz zwei Produktionsstandorte in Bernstadt und Rennersdorf (Herrnhut). Stöcker stammt aus Rennersdorf, floh zusammen mit seiner Familie aber in den 1950er- Jahren nach Westdeutschland. In Lübeck baute er mit Euroimmun ein führendes Unternehmen in der Medizintechnik auf, das er im vergangenen Jahr an die amerikanische Firma Perkin Elmer verkaufte. Stöcker führt aber weiterhin die Geschäfte bei Euroimmun. In den vergangenen Jahren warfen ihm Kritiker immer wieder asylkritische und frauenfeindliche Äußerungen vor. Er selbst bezeichnete die Vorwürfe stets als gegenstandslos und ungerecht. In Görlitz erwarb er vor Jahren das leerstehende Gründerzeit-Kaufhaus, das er in den kommenden Jahren sanieren will. Der 71-jährige Unternehmer hat für die Sanierung – für den Fall, dass ihm etwas zustößt – testamentarisch Vorsorge getroffen und 50 Millionen Euro reserviert. In der vergangenen Woche eröffnete Stöcker in der Görlitzer Innenstadt ein Mode-Kaufhaus. In einem SZ-Interview bekräftigte er zudem, sich als Euroimmun auch am Berzdorfer See zu engagieren.

Mit seinem Schritt in die Öffentlichkeit konkretisierte Stöcker jetzt seine Offerte vom November, als er bereits auf die ersten Nachrichten über eine mögliche Stilllegung des Siemens-Werkes 2023 reagiert hatte. Euroimmun wächst stark mit Diagnoseanlagen für die Medizin. Gegenüber der SZ rechnet Stöcker damit, dass das Unternehmen in fünf Jahren 6000 Mitarbeiter haben wird – derzeit sind es 3000. So entwickle Euroimmun derzeit Anlagen für die vollautomatische Diagnose in medizinischen Laboren und Pathologien.

Stöcker erwartet eine große Nachfrage nach diesen Anlagen. Um sie zu bauen, benötigt er sowohl Werkhallen als auch Maschinenbauer, weil die eigenen Produktionskapazitäten in Bernstadt und auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr ausreichen. Stöcker hofft, bei Siemens auf einen Schlag viele gut ausgebildete Maschinenbauer für sein Unternehmen gewinnen zu können.

Nach einem Strategiepapier des Siemens-Vorstandes soll das Görlitzer Werk bis 2023 geschlossen werden. Davon wären 950 Beschäftigte von Siemens in Görlitz direkt betroffen, weitere Stellen bei Zulieferer stünden dann ebenfalls auf der Kippe. Anlass für die Schließungspläne ist eine Neuordnung der Kraftwerks-Sparte bei Siemens. Obwohl in Görlitz Industriedampfturbinen gebaut werden, für die es einen Markt und Aufträge gibt, hat Siemens den Görlitzer Standort infrage gestellt. Zwar machte Siemens-Chef Joe Kaeser den Görlitzern Hoffnungen, sie nicht allein zu lassen und den Strukturwandel als Siemens zu begleiten. Doch wie das im Detail aussehen soll, ist weiterhin unklar. Die IG Metall fordert von Siemens, die Schließungsabsichten vom Tisch zu nehmen. Vorher will auch der Gesamtbetriebsrat nicht in Verhandlungen über die Pläne der Siemens-Spitze eintreten. Siemens strebt Klarheit bis Ende September an.

Der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege kritisierte erst in der vergangenen Woche den Münchner Konzern. Dort würden die Schließungsabsichten vorangetrieben, ohne ausreichend über die Zukunft von Industriedampfturbinen nachzudenken. Auch zu dieser Kritik äußerte sich Siemens am Montag nicht. (SZ/sb)