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Sterben wie die Karnickel

Im Landkreis geht der Tod durch die Kaninchenställe. Schuld ist ein aggressives Virus.

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© Andreas Weihs

Von Carina Brestrich

Oelsa. Zu seinen Kaninchenställen geht Frank Liebzeit inzwischen jedes Mal mit einem bangen Gefühl. Sind noch alle da? Ist wieder ein Tier tot? Vor Kurzem hat der Züchter aus Oelsa innerhalb von wenigen Tagen 30 seiner 40 Tiere verloren. Schuld ist die Chinaseuche, die derzeit in Deutschland grassiert. Auch im Landkreis hat sich das Virus inzwischen ausgebreitet. Mit Folgen: Familien trauern ums geliebte Haustier, Züchter verlieren über Jahre herangezogene Rassen, Ausstellungen müssen abgesagt werden.

Neu ist die Chinaseuche in Deutschland nicht. Schon seit den 80er-Jahren ist die Krankheit, hinter der das RHD-Virus – kurz für Rabbit Haemorrhagic Disease – steckt, bekannt. Doch ähnlich wie beim menschlichen Grippe-Virus kann sich der Virusstamm verändern. In den vergangenen fünf, sechs Jahren sei er bösartiger geworden, erklärt Marit Wolf, angestellte Tierärztin in der Tierarztpraxis Kießling in Possendorf. „Das Virus befällt die Leber.“ Das hat Folgen für die Blutgerinnung und das zentrale Nervensystem. „Die Tiere bekommen Krämpfe, hohes Fieber und sterben quasi über Nacht, meist an inneren Verblutungen“, erklärt sie. Weil es vorher kaum Anzeichen gibt, bekommen die Tierärzte die Kaninchen meist erst zu sehen, wenn es bereits zu spät ist. „Wir werden mehrmals pro Woche zu Züchtern gerufen“, sagt sie.

Wie viele Kaninchen im Landkreis an der Seuche schon verendet sind, das lässt sich nicht sagen. Weil sie nicht meldepflichtig ist, gibt es keine amtlichen Zahlen. Fakt ist aber: Das Virus, das nur Kaninchen befällt, breitet sich rasend schnell aus. Übertragen wird es etwa über Wasser, Futter, Transportboxen und Insektenstiche. Sogar über die Kleidung kann es weitergetragen werden. Mehr noch: Das Virus ist sehr resistent und kann bei vier Grad noch über sieben Monate aktiv bleiben, selbst in vergrabenen Kadavern: „Dieses Virus gilt inzwischen als unberechenbar und aggressiv im Vergleich zu den bisherigen Varianten“, sagt die stellvertretende Amtstierärztin im Landkreis, Ulrike Friebel.

Züchter geben auf

Die Züchter bekommen die Folgen hart zu spüren. Vor allem jetzt, wo eigentlich die Saison der Zuchtschauen wieder beginnt. So musste bereits die Kreisjungtierschau in Oelsa abgesagt werden. Andere bevorstehende Schauen stehen auf der Kippe. „So eine Zucht baut man sich über Jahre auf“, erklärt Hans-Jürgen Lorenz, Vorsitzender der Rassekaninchenzüchter im Altkreis. „Ich kenne Züchter, die hatten fünfzig bis hundert Tiere im Stall“, sagt er. „Einige haben schon angekündigt, dass sie wohl aufhören werden.“

Der einzige Weg, der Seuche Herr zu werden, ist eine Impfung. Genau dort aber liegt das Problem: Gerade für Züchter ist das Impfen vor allem eine Frage des Geldes. Der Impfstoff gegen den aktuellen Virusstamm ist noch nicht lange auf dem Markt. Nicht nur, dass es schon zeitweise Lieferengpässe gab. Mit bis zu sieben Euro pro Dosis ist die Impfung auch vergleichsweise teuer. Die Alternative – der Impfstoff, der bisher üblicherweise für den klassischen Virusstamm verwendet wird – muss nicht nur mehrmals geimpft werden. Er garantiert auch keinen hundertprozentigen Schutz. „Viele Züchter schrecken vor den Kosten zurück“, sagt Hans-Jürgen Lorenz.

Die lassen sich nun nicht mal mehr durch die wenigen Einnahmen decken, die manche Züchter durch den Verkauf geschlachteter Tiere haben. So ist für sie in diesem Jahr auch das Weihnachtsgeschäft dahin. Wer zum Fest auf Kaninchen setzt, der wird möglicherweise diesmal beim Züchter nebenan enttäuscht. Schlachtreif sind die Tiere ab etwa einem Jahr.

Frank Liebezeit will seine Zucht trotz alledem nicht aufgeben. „Ich hänge an meinem Hobby“, sagt er. Bevor er wahrscheinlich mit weniger Tieren weitermachen wird, wird er die Ställe nun gründlich desinfizieren. Und noch einmal impfen. Geimpft waren seine Tiere zwar. „Aber wahrscheinlich war ich damit zu spät.“