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Steine zum Stolpern

An Naziopfer erinnern in ganz Europa Stolpersteine. Im Kreis gibt’s einen einzigen. Das will ein gebürtiger Heidenauer ändern.

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© Marko Förster

Von Heike Sabel

Heidenau. Wenn Marco Boltz vor seine Haustür tritt, stolpert er. Über einen Stein, für den er selbst gespendet hat. Er würde gern, dass noch mehr Leute stolpern. Deshalb hat er eine Idee. Das, was in Hildesheim, seiner zweiten Heimat, möglich ist, sollte es auch in Heidenau geben, wo er bis zu seinem 20. Lebensjahr lebte. Die Stolpersteine sind nämlich keine normalen Steine, über die man stolpert, sondern Steine zum Gedenken an Opfer des Nationalfaschismus, über die man gedanklich stolpern soll. Der Stein vor Boltz’ Hildesheimer Haustür zum Beispiel gedenkt Schülern des Scharnhorst-Gymnasiums, die von den Nazis deportiert und ermordet wurden. Boltz will in Heidenau den Anfang machen.

Marco Boltz ist 1977 in Heidenau geboren und lebt inzwischen in Hildesheim. Von Beruf ist er Diplom-Informatiker.
Marco Boltz ist 1977 in Heidenau geboren und lebt inzwischen in Hildesheim. Von Beruf ist er Diplom-Informatiker. © privat

Er will rechtem Denken und nationalistischen Tendenzen etwas entgegensetzen. „Ganz unabhängig vom tatsächlichen Grad der Rechtsradikalität von Parteien und Gruppierungen wie AfD oder Pegida halte ich die Sensibilisierung für historische Zusammenhänge für eine wichtige Aufgabe aller Menschen dieses Landes“, sagt er.

Boltz lebt seit Ende 2000 in Hildesheim. Er studierte in Dresden, sein Diplom als Informatiker und der erste Job führten ihn über Berlin nach Niedersachsen. Seiner alten Heimat ist er nach wie vor verbunden. Eltern und einige Freunde leben in Heidenau, sein Patenkind in der Nähe. Bei Nachrichten über rechtsradikale Ausschreitungen, flüchtlingsfeindliche Demonstrationen, Wahlerfolge von rechten Politikern verspürt er ein „regelrechtes körperliches Unbehagen“. Noch dazu, wenn er niedersächsischen Freunden immer wieder erklären soll, „was denn schon wieder in Dresden los ist“. Allein deshalb empfinde er ein Symbol wie den Stolperstein für wichtig.

Die Stolperstein-Idee stammt von Künstler Gunter Demnig. Der erste Entwurf zum Projekt stammt von 1993. Der erste Stein wurde 1996 in Berlin-Kreuzberg verlegt. Er war zunächst nicht genehmigt, wurde später legalisiert. Seit 2000 werden die Steine in Deutschland und Europa verlegt. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gibt es bisher kaum Stolpersteine. In Pirna wurde 2013 an der St. Kunigunde-Kirche ein Stein für den Erzpriester Benno Scholze verlegt. Er war von den Nazis in das KZ Dachau verschleppt worden und überlebte. Über 28 Jahre war Scholze Seelsorger in der Pfarrkirche St. Kunigunde.

In Sebnitz regte 2006 die Gruppe Grenzenlos Stolpersteine an. Eine Arbeitsgruppe beriet mehrfach und kam schließlich zu dem Schluss: Es gibt schon für alle bekannten jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Sebnitz Gedenktafeln. Eine Doppelung der Symbole des Gedenkens ist nicht gewollt, bei bestimmten Opfern aus objektiven Gründen nicht möglich. Zudem erfordern Stolpersteine für Euthanasieopfer die Zustimmung verbliebener Angehöriger, die überwiegend verwehrt würde.

Boltz hatte sich mit seiner Idee zunächst an die Stadt Heidenau gewandt. Nachdem er von dort auch nach Wochen keine Antwort erhielt, wandte er sich an die Sächsische Zeitung. Daraufhin antwortete der Heidenauer Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) auch ihm und der SZ.

Er will so etwas nicht allein entscheiden und findet den Ältestenrat als geeignetes Gremium. Das tagt aber erst im Januar 2018 wieder. „Eine Thematisierung ist in jedem Fall angebracht, egal ob der Stolperstein kommt oder nicht“, sagt Boltz.